Der Umgang mit jugendlichen Straftätern wird seit einigen Wochen verstärkt in der brasilianischen Öffentlichkeit thematisiert. Nach dem Mord an einem kleinen Jungen in Rio de Janeiro, woran auch ein 16-jähriger beteiligt war, wird immer häufiger über die Herabsetzung der Strafmündigkeit diskutiert. Immer häufiger sind Kinder und Jugendliche an Gewalttaten beteiligt, gezielte Programme, dies zu reduzieren, fehlen gänzlich. Vielmehr reagiert der Staat mit der Verstärkung des Polizeiapparates und einem härteren Durchgreifen.
Dabei kommt es jedoch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen, die stillschweigend in Kauf genommen werden. Nur sehr selten kann man sich darüber informieren, wie z.B. in der nun in Brasília vorgestellten Studie „Die Menschenrechte in Brasilien – Diagnosen und Perspektiven“, welche die Menschenrechtsfrage im Zeitraum von 2003 bis 2006 untersucht hat.
Darin wird besonders im Kapitel „Kinder und Jugendliche“ auf die Situation der heranwachsenden Bevölkerung aufmerksam gemacht. Die brasilianische Polizei überschreite im Umgang mit jugendlichen Verdächtigen oftmals die rechtlichen Grenzen. Die sich häufende „unangemessene Gewaltanwendung“ der Beamten könne ganz klar als Rechtsmissbrauch angesehen werden.
Laut der brasilianischen Bischofskonferenz wären brasilianische Kinder und Jugendliche oftmals Opfer von körperlicher Gewalt durch die Polizei, selbst vor Folter schreckten die Beamten nicht zurück. Schlechte Behandlung und Misshandlungen in Jugendhaftanstalten wären ebenfalls an der Tagesordnung. Auch würde der Staat nicht auf die Probleme der Jugendlichen eingehen, Richter würden mit Desinteresse an den Ursachen ihre Urteile fällen, die oftmals dann auch noch unverhältnismässig hoch wären.
Bei Polizeieinsätzen würden in Brasilien zudem erschreckend viele dunkelhäutige Jugendliche ums Leben kommen. Die Zahl läge um 74% höher als bei hellhäutigen Heranwachsenden. Betrachte man die vergangenen Jahre, so könne man feststellen, dass die durch das Militär, die Militärpolizei oder andere staatliche Stellen verursachten Todesfälle an Jugendlichen stetig gestiegen seien, vor Gericht verhandelte Fälle wären jedoch zurückgegangen.
Wie viele Tötungsdelikte im Einsatz tatsächlich als Mord zu bewerten wären, bleibe unklar. Die Verfasser der Studie kritisieren dabei, dass in Brasilien eine einheitliche Datenbank, in denen die Fälle entsprechend dokumentiert werden könnten, fehlen würde. Es gäbe keine verlässlichen Daten, die offiziellen Zahlen seien geschönt, die Dunkelziffer läge erheblich höher.
Derzeit würden täglich auf Brasiliens Strassen Kinder und Jugendliche im Namen des Gesetzes ermordet werden. Kaum ein Fall würde jemals gewissenhaft untersucht, und erst Recht würde kein Täter durch die Justiz zur Verantwortung gezogen werden.