Brasilien verabschiedet strenges Email-Überwachungsgesetz

Brasília, 01. April 2010 Brasiliens Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva sagt der Cyber-Kriminalität nun endgültig den Kampf an. Nachdem in den vergangenen Jahren schon ausgiebig über die Speicherung von Nutzerdaten im grössten Land Südamerikas diskutiert wurde, soll nun ein spezielles Ministerium endlich für Ordnung im Internet schaffen.

Das “Ministerio da Informação, Technologia e Cibercrime”, kurz MITC genannt, soll bereits in Kürze mit der Arbeit beginnen und sämtliche brasilianischen Domains überprüfen und deren in Brasilien physikalisch gespeicherten Daten auf Malware überprüfen. Mit Gesetz 498/2010, verabschiedet am 14. März vom Kongress und am 27. März vom brasilianischen Senat, darf die neu gegründete Behörde mit integrierter Cyber-Polizei Zugriff auf alle Daten brasilianischer Provider nehmen und so die Übeltäter im Cyberspace aufspüren.

“Fast 14 Prozent der weltweiten Spamflut kommt aus Brasilien. Daher gibt es auf brasilianischen Servern Unmengen von Malware, die dies ermöglicht. Wir wollen Sie ausfindig machen und vernichten” erklärt der frischgebackene Minister Marcelo Wagner Castar, ehemaliger Vizepräsident der brasilianischen Domainvergabestelle registro.br, optimistisch. Laut Castar muss dafür jedoch auch in die Privatsphäre der brasilianischen Internautas, wie die Internetnutzer dort genannt werden, eingegriffen werden. “Wir werden alle Emails, die das Land verlassen bzw. auf brasilianischen Mailservern verarbeitet werden, durch einen speziellen Server der Regierung laufen lassen und auf entsprechende Inhalte scannen. Dies dient der Sicherheit aller Nutzer und wird so den Spamanteil massiv reduzieren”.

Die Verantwortlichen sehen dabei keinerlei Aufweichung der ohnehin lockeren Datenschutzbestimmungen in Brasilien. Die Emails werden in einem ersten Schritt lediglich gescannt und anonym nach Nutzgruppen, Region, Provider und anderen Parametern abgelegt, nur bei Bedarf bzw. Stichprobenartig werde eine Sichtung der privaten und geschäftlichen Post durch einen der rund 1.000 geplanten Mitarbeiter der Behörde durchgeführt. Eventuell strafrechtlich relevante Daten sowie Angaben über ungewöhnliche Finanztransaktionen werden dann an die Bundespolizei weitergeleitet, die durch ihre speziellen Ermächtigungen schnell die Nutzerdaten ermittelt, Ermittlungsverfahren einleitet, Erkenntnisse an die Finanzbehörden übermittelt bzw. die für Spam genutzte Server abschaltet. Die brasilianischen Provider müssen daher der neuen Internet-Kontrollbehörde den Zugang zum jeweiligen Nutzeraccount gewährleisten, deren Inhalte personenbezogen für die Beweissicherung verwendet werden. Bereits in der Vergangenheit war dies mehrfach beim sozialen Netzwerk Orkut der Fall, zukünftig entfällt jedoch die Notwendigkeit einer gerichtlichen Verfügung, deren Ausarbeitung den Betroffenen oft die Zeit liess, brisante Daten noch schnell zu löschen.

Castar ist davon überzeugt, durch die Neuregelung nicht nur den Spam zu mindern sondern auch z.B. illegale Waffenverkäufe, Drogen- und Menschenhandel sowie Kinderpornografie einzudämmen. “Wir können zukünftig sehen, was aus Brasilien in die Welt geschickt wird, was diejenigen aus dem Ausland erhalten und somit dann diejenigen Verbrecher festnageln, die unsere Gesellschaft langsam aber sicher zerstören” verteidigt der Minister das neue Gesetz und die Arbeit des MITC. Die Menschen in Brasilien stünden dem nun initiierten Kontrollmechanismus positiv gegenüber. “Wer bekommt schon gerne Spam und Viren geschickt? Die Leute wollen einfach nur in Ruhe surfen.”

 

 

Quelle: brasilien Magazin

 

Nachtrag: In Brasilien herrschen zwar weitaus lockerere Datenschutzbestimmungen als in Deutschland, trotzdem ist das Land noch weit vom „gläsernen“ Bürger entfernt. Vieles ist bereits vernetzt, jede Menge Daten werden abgeglichen, aber es gibt z.B. weder eine Meldepflicht noch ein Email-Überwachungsgesetz. Auch das im Artikel beschriebene neue Ministerium samt neuem Minister und den umfangreichen Kontrollorganen sind nur Erfindungen des Autors – ganz pünktlich und passend zum 1. April, dem „Tag der Lüge“, wie er hier in Brasilien genannt wird.

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AutorIn: Dietmar Lang

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