Brasiliens Präsident Michel Temer entgeht erneut einem Korruptionsprozess. Zum zweiten Mal hat die Abgeordnetenkammer ein Verfahren gegen ihn am Obersten Gerichtshof abgelehnt. Damit bleibt Temer weiter im Amt. Das Abstimmungsergebnis hat aber eine geschwächte Position des Präsidenten verdeutlicht.
Erst Anfang August hatten 263 Abgeordnete gegen eine Weiterleitung eines vom ehemaligen Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot gestellten Prozessantrages gestimmt, während sich 227 für einen unmittelbaren Prozessbeginn ausgesprochen hatten.
Damals wurde ihm passive Korruption vorgeworfen. Dieses Mal sollte sich Temer laut der 200-seitigen Anklageschrift wegen Behinderung der Justiz und der mutmaßlichen Leitung einer kriminellen Schmiergeldorganisation verantworten. Mit im Boot saßen die zwei Minster Temers Moreira Franco und Eliseu Padilha.
Schon im Vorfeld hatte sich die Mehrheit des Justizausschusses gegen eine Weiterleitung des Verfahrens ausgesprochen. Nach einer mehrstündigen Sitzung hat am Mittwoch (25.) wie schon erwartet ebenso die Mehrheit des Abgeordnetenhauses dagegen gestimmt. Mit 251 zu 233 Stimmen, 25 Abwesenheitserklärungen und zwei Enthaltungen hat sich der Vorsprung gegenüber der ersten Abstimmung jedoch verkleinert.
Auch dieses Mal wieder haben die Abgeordneten gegen einen Prozess ihre Entscheidung vor allem mit dem Wirtschaftswachstum und der Stabilität des Landes begründet. Sie wollten der politischen Krise einen Endpunkt setzen, so einige der Verbündeten Temers.
Dabei ist fraglich, ob genau dieses oder nicht doch das Gegenteil mit dem Festhalten an einem unbeliebten Präsident erreicht wird, der von mehreren Kronzeugenaussagen bei Korruptionsprozessen und auch Gesprächsmitschnitten schwer belastet wurde.
Temer hat bei Umfragen in den vergangenen Monaten nur noch wenige Prozent Zustimmung erhalten, während über 90 Prozent der Befragten ihn und seine Regierungsarbeit ablehnen. Von der Opposition wurde nicht nur darauf verwiesen. Einige Abgeordnete sprachen von einer „Schande“, andere verwiesen auf Beschlüsse, die zu Kürzungen im Gesundheits- und Bildungsbereich geführt haben.
Wer für den Erhalt Temers stimme, der stimme auch für die Korruption, war ebenso zu hören.
Mehrfach vorgeworfen wurde Temer von der Opposition ebenso ein Stimmenkauf, um ein für ihn positives Ergebnis zu erreichen. Bei der ersten Anzeige hatte der Präsident bereits beim Versuch Verbündete zu finden Abgeordneten Milliarden für ihre Wahlkreise versprochen.
Ähnlich war dies auch dieses Mal wieder der Fall. Posten wurden versprochen und selbst Drohungen soll es gegeben haben. Erlassen wurden auch für Großgrundbesitzer positive Dekrete, wie das zur Erschwerung des Kampfes gegen Sklavenarbeit. Mit 200 Abgeordneten ist die Agrarlobby ein wichtiger Partner Temers.
Temer selbst sieht sich, wie viele andere hochrangige Politiker auch, als Opfer einer Verschwörung. Er war am Mittwochmorgen ebenso im Kongress. Noch vor Beginn der Abstimmung wurde der 77-jährige jedoch ins Krankenhaus gebracht. In einer Pressemitteilung des Palácio do Planalto heißt es, er sei wegen urologischen Problemen im Militärhospital Brasílias mit einem Harnkatheter behandelt worden. Das Krankenhaus konnte er nach etwa sieben Stunden wieder verlassen.
Auch mit dem zweiten Erfolg wird für Temer das Regieren nicht leichter. Die von ihm angestrebte Durchsetzung von Reformen dürfte nun weitere Zugeständnisse erfordern. Nach Beendigung seiner Amtszeit, am 31. Dezember, kann der Oberste Gerichtshof zudem die beantragten Prozesse gegen ihn ohne eine Zustimmung der Abgeordnetenkammer aufnehmen.