Brasilien: Weltwasserforum und Privatisierung in Kritik

“Strategien zur Ausbeutung und Schutz von Grundwasser“ wird eins der Themen beim Weltwasserforum sein. Das wird vom 17. bis zum 22. März in Brasília ausgetragen und angesichts der Bestrebungen Brasiliens zur Privatisierung von Grundwasser mit Spannung erwartet.

Lebensquelle Wasser – Foto: silver john/Fotolia.com
Geht es nach den Plänen der neoliberalen Regierung Brasiliens, sollen Grundwasserspeicher und Quellen an private Unternehmen verscherbelt werden. Füllen will die Regierung Michel Temers damit die leeren Staatssäckel. Kritiker sprechen von einer Katastrophe und einer Verletzung des UN-Menschenrechtes, dass Wasser für Alle frei zugänglich sein sollte.

Ungeachtet dessen führt Temer schon seit Monaten mit Giganten wie Nestlé Gespräche über die Privatisierung und Ausbeutung von Wasser, wie es heißt. Ins Visier geraten ist unter anderem der 1,2 Millionen Quadratkilometer umfassende Grundwasserspeicher “Aquífero Guarani“. Der erstreckt sich über Uruguay, Argentinien, Paraguay und Brasilien.

Theoretisch ist der Lebensquell auch in Brasilien per Gesetz zum Wohle aller geschützt. Praktisch wird das Grundwasser nicht nur zur Trinkwasserversorgung von Städten, sondern längst auch von privater Hand ausgebeutet.

Die brasilianische Wasserbehörde ANA hat die Zahl der offiziellen Grundwasserbohrungen für Brunnen 2016 auf 300.000 geschätzt. Nach ihren Berechnungen werden mit ihnen jährlich über eine Billion Kubikmeter Wasser hoch gepumpt. Hinzu kommen geschätzte weitere ein Millionen irreguläre Brunnen.

Die reguläre und auch irreguläre Ausbeutung hat Auswirkungen. Einige der über 180 Grundwasservorkommen Brasiliens zeigen laut Studien eine Absenkung des Wasserspiegels. Ein Beispiel ist das Vorkommen Urucuia im Becken des Flusses São Francisco. Die Region ist für ihren intensiven Fruchtanbau bekannt, der mit Hilfe von Bewässerungsanlagen erfolgt.

Bewässerung wird auch für den dort zunehmenden Anbau von Soja benötigt. Gleichzeitig spielt der Rio São Francisco für hunderttausende Menschen eine wichtige Rolle. Von ihm wird über das ehrgeizige Transpositionsprojekt Wasser abgezweigt, um hunderte Kilometer weiter den trockenen Nordosten des Landes mit dem kostbaren Gut zu versorgen.

Beinahe gänzlich ausgetrocknet ist im Bundesstaat São Paulo der Lagoa do Saibro. Der See ist jedoch für die Wiederauffüllung des Aquífero Guarani von großer Bedeutung.

Theoretisch können die Grundwasservorkommen Brasiliens nach der derzeitigen Rechtslage nicht privatisiert werden. Aber es gibt Hintertürchen. Die werden schon seit Jahren benutzt. Dies geschieht unter anderem durch Partnerschaften der Konzerne mit Gemeinden oder Bundesstaaten.

Im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais ist das in etlichen Städten der Fall. Multinationale Konzerne füllen unter der Beteiligung der örtlichen Trinkwasserversorgungsunternehmen Wasser in Flaschen ab und verkaufen es.

Laut dem Geologen Luiz Fernando Scheibe berichten Anwohner von Schikanen durch die Multis. Sie befürchten zudem eine Wiederholung des Dramas von São Lourenço. Dort soll die seit 25 Jahren währende sogenannte Partnerschaft mit Privatfirmen zum Austrocknen einer der Quellen geführt haben. Das Staatsministerium ermittelt in diesem Fall.

Die größte Sorge bereitet den Kritikern indes das Bestreben der Multi-Konzerne, eine Kontrolle über den Lebensquell Wasser zu erhalten. “Wer in Brasilien das Grundwasser kontrolliert, kontrolliert das Wasser der Zukunft“, drückt es Edson Aparecido da Silva vom Verband der Urbanitários.

Er ist einer der Organisatoren des alternativen Wasserforums “FAMA“. Das wurde von mehreren Organisationen ins Leben gerufen, um mit ihm dem offiziellen achten Weltwasserforum einen Kontrapunkt zu setzen.

Offiziell wird für das Weltwasserforum um eine Beteiligung der Bevölkerung geworben. Praktisch dürfte sich dies angesichts der Kosten in Grenzen halten. Das FAMA wird deshalb kostenlos angeboten. Geplant sind ebenso Demonstrationen, um auf das Recht auf Wasser hinzuweisen und zu vermeiden, dass das kostbare Gut in Brasilien zur teuren Handelsware für Wenige wird.

Seit einigen Jahren ist in Brasilien die Versorgung mit Wasser hingegen keine Selbstverständlichkeit mehr. Nicht nur der ohnehin semiaride Nordosten des Landes leidet unter mangelnden Niederschlägen und dem Fehlen von Trinkwaser.

Zwischen 2014 und 2016 war ebenso der dicht bevölkerte Südosten mit der Megametropole São Paulo von einer Krise und versiegenden Wasserhähnen betroffen. Derzeit sind es die Trinkwasserreservoirs des Hauptstadtdestrikts, die beinahe leer sind. Genau dort werden vom 17. bis zum 22. das Weltwasserforum und dessen Gegenveranstaltung FAMA stattfinden.

Ins Leben gerufen wurde das Weltwasserforum vom World Water Council (WWC) 1996 als “Denkfabrik“. Dem WWC gehören Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft, Ministerien, internationaler Finanzeinrichtungen, lokalen Regierungen, der UN und eben auch Vertreter internationaler Konzerne an.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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