Wahlen in Brasilien: Verdacht von Wählerfang mit Fake News

Justiz und Polizei haben sich in Brasilien in den Wahlkampf eingeschaltet. Sie ermitteln, ob der rechtspopulistische Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro illegale Wahlhilfen erhalten hat. Im Mittelpunkt steht die massenhafte Versendung von Beiträgen über WhatsApp, in denen der linke Präsidentschaftskandidat Fernando Haddad und die Arbeiterpartei PT angegriffen und in Diskreditierung gebracht werden.

Jair Bolsonaro im Wahlkampf – Foto: Tânia Rêgo/Agencia Brasil

Auslöser ist ein in der angesehenen Tageszeitung Folha de São Paulo am Donnerstag (18.) veröffentlichter Artikel. Nach diesem sollen Unternehmen Beiträge in zweistelliger Millionenhöhe ausgegeben haben, um über WhatsApp-Gruppen massenweise Messages zugunsten Bolsonaros verschicken zu lassen. Vermutet wird damit eine illegale Wahlkampffinanzierung. Die Verträge könnten als Parteispenden von Unternehmen verstanden werden. Die sind in Brasilien allerdings seit 2015 verboten.

Von der Arbeiterpartei PT wurde umgehend ein Antrag zu Ermittlungen und zum Ausschluß Bolsonaros von der Präsidentschaftswahl gestellt. Eingeschaltet hat sich mittlerweile auch das Staatsministerium, mit dem Ergebnis, dass Justiz und Bundespolizei am Samstag (20.) Untersuchungen aufgenommen haben. Einen Einfluß auf die Wahlen wird dies voraussichtlich nicht haben, da mit einem Abschluß des Verfahrens nicht vor Ende nächsten Jahres gerechnet wird.

Bolsonaro streitet die Vorwürfe ab. Er habe nichts damit zu tun, so der Präsidentschaftskandidat, der darauf verweist, dass er Aktionen seiner freiwilligen Anhängerschaft nicht kontrollieren könne. Stattdessen hat er die renommierte Tageszeitung als Verbreiter von Fake News bezichtigt und Konsequenzen angekündigt.

Laut Medienberichten sollen 156 Unternehmer in den Skandal verwickelt sein. Von der Facebook-Tochter WhatsApp heißt es in einer Mitteilung, dass während der diesjährigen Wahlkampfperiode bereits hunderttausende Konten gesperrt worden seien, die im Verdacht der Versendung von Spam oder Massennachrichten stehen. Grundtenor der messages ist vor allem die Diffamierung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Haddad und der Arbeiterpartei PT, der er angehört.

Anfang Oktober war der Spamverdacht auch auf eins der Konten von Bolsonaros Sohn Flávio Bolsonaro gefallen. Es wurde deshalb am 11. Oktober von WhatsApp gesperrt, am 14. jedoch wieder freigegeben.

Falschinformationen und Fake News begleiten den Wahlkampf bereits seit Wochen. Betroffen sind beide Präsidentschaftskandidaten. Laut Wahlgerichtsminister (TSE) Tarcísio Meira de Carvalho sind seit Beginn des Wahlkampfes 400 Anträge wegen irregulärer Propaganda beim TSE eingegangen. 40 davon haben sich auf Fake News bezogen.

Der Einfluß der sozialen Netzwerke in Brasilien ist nicht zu unterschätzen. Allein WhatsApp verzeichnet in dem südamerikanischen Land über 120 Millionen Nutzer. Die größte Anhängerschaft in den sozialen Netzwerken wird Jair Bolsonaro zugeschrieben. Er vereint ebenso die größte Zahl von virtuellen Gruppen, die ihn unterstützen sowie von Posts zu seinen Gunsten und gegen seinen Wahlgegner Haddad.

Favorit Rechtspopulist

Die sozialen Netzwerke sind die Hauptbühne Bolsonaros für seinen Wahlkampf – und das nicht erst seit dem Messerangriff auf ihn, bei dem er stark verletzt worden war. Fernsehdebatten über Inhalte der Wahlprogramme lehnt er ab. Dabei beruft er sich auf gesundheitliche Probleme durch die Verletzungen bei dem Attentat eines Einzeltäters.

Mit 59 Prozent Zustimmung bei den jüngsten Umfragen, gilt der ultrarechte Ex-Militär bei der Stichwahl am Sonntag (28.) als Favorit auf das Präsidentschaftsamt. Dass ihm der Skandal um die massenhafte Versendung von Falschinformationen Stimmen kosten könnte, ist fraglich.

Nach einer am Samstag (20.) veröffentlichten Studie des Institutes Datafolha steht Bolsonaro bei seinen Befürwortern für einen Umbruch. Auch wenn er bereits seit 27 Jahren Abgeordneter ist, schreiben ihm seine Anhänger das Attribut “Erneuerung“ zu. Dabei geht es weniger um die Inhalte der von den Kandidaten präsentierten, politischen Programme. Vielmehr begründen unter den Wählern Bolsonaros 55 Prozent ihre Entscheidung mit dem Wunsch nach Veränderungen und ebenso mit der Ablehnung der Arbeiterpartei PT.

Bolsonaro nutzt diese in den vergangenen Jahren in Brasilien gewachsene Abneigung gegenüber der Linken und der Arbeiterpartei PT. “Lasst uns diese roten Banditen aus Brasilien fegen“, wetterte er am Sonntag (21.) in einem bei der Demonstration Pro-Bolsonaro in São Paulo ausgestrahlten Live-Video unter Beifall und versprach siegessicher eine nie da gewesene “limpeza“ (Säuberung).

Weiter kündigte er an, nach seiner Wahl Aktionen der von der PT unterstützen Landlosenbewegung MST als terroristisch einzustufen.

Großdemonstrationen zur Unterstützung Bolsonaros hat es am Sonntag in mehreren Städten Brasiliens gegeben, während am Samstag gegen ihn und für Haddad tausende Menschen auf die Straßen gegangen sind. Die Chancen Haddads, in den noch wenigen, verbleibenden Tagen vor der Stichwahl einen Umschwung zu erreichen, sind indes gering.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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