Als vor fünf Jahren die Ermittlungen zum Korruptionsskandal Lava Jato begonnen haben, hat kaum einer mit den enormen Ausmaßen gerechnet, die sie kurz später angenommen haben. Jetzt stehen sie vor umgreifenden Veränderungen.
Angesichts von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes Brasiliens (STF) spricht Staatsanwalt Deltan Dallagnol von einem bisher nicht dagewesenen Druck. Die Arbeit gegen die Korruption werde nicht mehr die gleiche sein, konstatierte er bei einem Treffen von Ermittlern und Staatsanwälten anläßlich des fünften Jahrestages (17. März) seit Beginn der Operation Lava Jato.
Mit sechs gegen fünf Stimmen haben die Obersten Richter beschlossen, dass künftig Fälle, die mit “Caixa 2“ einhergehen von den oberen Wahlgerichten des Landes behandelt werden sollen. Hinter “Caixa 2“ verbergen sich nicht deklarierte Wahlspenden.
Die gehen allerdings häufig mit anderen Vergehen einher, wie Korruption und Geldwäsche. Kritiker sprechen zudem von einer mangelhaften Struktur der Wahlgerichte für umfassende Korruptionsermittlungen.
Jetzt wird auf eine schnelle Verabschiedung des vom Justizminister und ehemaligen Lava-Jato-Richter Sérgio Moro vorgelegten Gesetzesvorschlages gesetzt. Der sieht unter anderem vor, dass alles, was mit “Caixa 2“ zusammenhängt an die unteren Gerichtsinstanzen geht.
Bis zur Verabschiedung im Kongress dürften allerdings noch etliche Monate vergehen. Moro hat zudem bereits verdeutlicht, dass illegale Wahlspenden für ihn mittlerweile nicht mehr so viel Gewicht besitzen.
Öffentlich wurde mit Lava Jato die in Brasilien weit verbreitete Praxis, für den Erhalt von öffenltichen Aufträgen oder Ämtern Schmiergeld zu bezahlen. Das bezieht sich nicht nur auf große Unternehmen wie Baukonzerne oder den halbstaatlichen Öl-Konzern Petrobras.
In den Blickpunkt der Ermittler sind neben Großbauprojekten wie dem drittgrößten Wasserkraftwerk der Welt, Belo Monte in der Amazonas-Region, ebenso kleinere geraten, wie Brücken oder Schulgebäude.
Von den Finanzmitteln staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen wurden über Jahre hinweg Milliarden abgezweigt. Von den Auftragssummen war von Beginn an jeweils ein bestimmter Prozentsatz als Schmiergeld vorgesehen.
Statt in Gesundheit, Sicherheit und Erziehung sind öffentliche Mittel auf diese Weise in den Taschen eines umfassenden Korruptionssystems und ihrer Mitspieler gelandet. In einigen der Großunternehmen gab es dabei sogar spezielle Abteilungen allein für die Abwicklung der Schmiergeldbezahlungen.
Fünf Jahre Lava Jato
Lava Jato ist die größte Anti-Korruptionsuntersuchung Brasiliens. Begonnen hat sie im März 2014 mit Ermittlungen über eine kriminelle Organisation, die ein Netzwerk von Tankstellen und Auto-Waschanlagen zur Geldwäsche benutzt hat. Ausgelöst wurde damit ein gewaltiger Domino-Effekt.
Dutzende Spitzenpolitiker wurden verhaftet und verurteilt, unter ihnen auch Brasliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Ebenso erwischt hat es die größten Baukonzerne Brasiliens, den größten Fleischriesen der Welt (JBS) sowie ebenso Unternehmer der verschiedensten Branchen, Berater und öffentliche Angestellte.
Verwickelt sind zudem etliche der politischen Parteien des Landes, wie die linke Arbeiterpartei PT, Zentrumspartei PSDB und die Mitte-Rechts stehende PMDB, des Ex-Präsidenten Michel Temer, gegen den ebenso Ermittlungen laufen.
Insgesamt 155 Personen sind in den fünf Lava-Jato-Jahren verurteilt worden, manche von ihnen mehrfach. Die Vorwürfe reichen von aktiver und passiver Korruption bis hin zur Bildung von kriminellen Vereinigungen, Betrug, Absprache bei öffentlichen Ausschreibungen, Geldschmuggel, Geldwäsche und Drogenhandel.
Über 180 der über 400 im Zentrum der Ermittlung Stehenden haben eine Kronzeugenregelung ausgehandelt oder eine Kooperation mit den Ermittlern. Zugesichert haben sie dabei die Rückzahlung von insgesamt 13 Milliarden Reais (umgerechnet derzeit etwa drei Milliarden Euro).
Das Staatsministerium geht davon aus, dass die Summe auf 40 Miliarden Reais (etwa 9,5 Milliarden Euro) ansteigen könnte. Tatsächlich zurückgezahlt wurden bisher indes lediglich 2,5 Milliarden Reais (etwa 600 Millionen Euro). Sie gingen an den Öl-Konzern Petrobras, an das vom Korruptionsskandal am stärksten betroffene Unternehmen.
Lava Jato hat aber auch einen gesellschaftlichen Nebeneffekt erwirkt. In vielen, auch kleineren Gemeinden wird plötzlich dort ermittelt, wo bisher weggesehen wurde. Lava Jato hat einen Stein ins Rollen gebracht, der beinahe alle Bereiche umfasst.
Die Bevölkerung sieht genauer hin und fordert Antworten von Gemeinde-, Stadträten und Bürgermeistern. Auch deshalb war und ist Lava Jato für Brasilien eine der wichtigsten Operationen.