Die Eröffnungsansprache des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro bei der UN-Generalversammlung in New York hat in Brasilien Jubel und Kritik ausgelöst. Kritik gab es umgehend nach der Ansprache von diversen Organisationen, Umweltschützern, Ex-Diplomaten, Politikern und Indigenen-Vertreter. Unter Bolsonaros Anhängern und Ministern wurde sein Auftreten hingegen gefeiert.
Eigentlich wollte Bolsonaro das Bild über Brasilien in anderen Ländern ins rechte Licht rücken, wie es vor seiner Reise nach New York hieß. Jetzt wird von einer Wahlkampfrede an seine Anhänger, einem aggressiven und wenig versöhnlichem Auftreten und von einer möglichen Isolation Brasiliens gesprochen.
Amnesty International, Greenpeace, das Observatório do Clima, Amazon Watch und der katholische Indigene Missionsrat Cimi sind einige der Organisationen, die vor allem Bolsonaros Aussagen über die Ureinwohner Brasiliens und den Amazonas-Regenwald verurteilen.
Er sei gekommen, um das “neue“ Brasilien zu präsentieren, sagte Bolsonaro. In seiner etwa halbstündigen Ansprache attackierte der Rechtspopulist dann aber vor allem den Sozialismus, die Linke, vorangegangene Regierungen seines Landes und ebenso Frankreich, ohne dieses wörtlich zu benennen. Auch den international anerkannten Indio-Sprecher Raoni Metuktire kritisierte er scharf.
Der unlängst für den Friedensnobelpreis nominierte Cacique (Stammesführer) Raoni setzt sich seit Jahrzehnten für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und die indigenen Völker ein. Bolsonaro weigerte sich bisher jedoch, ihn zu empfangen.
Jetzt sagte er, die “Vision“ eines einzelnen Indiosprechers würde nicht die aller Indigenen Brasiliens repräsentieren. Laut Bolsonaro würden Indio-Vertreter wie Raoni zudem von ausländischen Regierungen häufig als Manövrirmasse benutzt, um ihre Interessen an der Amazonasregion durchzusetzen.
Raoni habe sein Monopol verloren, so Bolsonaro, der im Gegenzug Ysani Kalapalo vom Volk der Kalapalo hervorhob. Die junge Indigene und Anhängerin Bolsonaros war auf seine Einladung hin mit zur UN-Generalversammlung gekommen.
Das hatte schon im Vorfeld für Beanstandungen gesorgt. In einem Schreiben hatten sich 16 Indigenen-Vertreter der Xingu-Region dagegen ausgesprochen, da Ysani keine offizielle Repräsentantin sei und die Indio-Organisationen nicht dazu befragt worden waren. Unterschrieben wurde der Brief ebenso vom Indio-Führer der Kalapalos.
Bolsonaro forderte eine “neue“ Indigenen-Politik und pochte einmal mehr auf eine wirtschaftliche Nutzung von Indio-Territorien. “Der Indio will kein armer Großgrundbesitzer auf einem reichen Boden sein“, so Bolsonaro. Dabei verwies er auf die Territorien Yanomami und Raposa Serra do Sol und dort liegende Bodenschätze wie Gold, Diamanten, Uran und Niob.
Eine Absage erteilte Bolsonaro ebenso der in der Konstitution Brasiliens verankerten Ausweisung weiterer Indio-Territorien. Die Indio-Territorien würden bereits 14 Prozent der Landesfläche Brasiliens einnehmen.
Ausländischen Organisationen und Regierungen unterstellte er Interesse an Bodenschätzen und Biodiversität, unter dem Vorwand sich für die Rechte der indigenen Völker einzusetzen.
“Unglücklicherweise bestehen einige von Nichtregierungsorganisationen unterstütze Personen aus Brasilien und dem Ausland darauf unsere Indios wie echte Höhlenmenschen zu behandeln und dies beizubehalten“, sagte Bolsonaro.
In New York anwesende Indio-Repräsentanten verschiedener Völker der Ureinwohner Brasiliens und Mitglieder der Dachorganisation Articulação dos Povos Indígenas do Brasil (Apib) reagierten umgehend darauf mit einer Pressekonferenz. Sie kritisierten unter anderem den “respektlosen“ Umgang Bolsonaros mit dem 89-jährigen Raoni. Sonia Guajajara sprach von einem “Tag des Terrors für Brasilien“ und einer Bedrohung Amazoniens.
Auch die Aussagen Bolsonaros zum Umwelt- und Regenwaldschutz haben bei vielen für Missbilligung gesorgt. Die Welt würde nicht die Realität über Brasilien und Amazonien kennen, so der Rechtspopulist. Brasilien sei ein Vorbild in Sachen Umweltschutz. Eine Einmischung verbat er sich. Es sei ein “Irrtum“ dass Amazonien ein Welterbe sei.
Seine Regierung habe mit dem Umweltschutz eine “feierlichen Verpflichtung“ und ebenso mit der nachhaltigen Entwicklung zum Wohle Brasiliens und der Welt, konstatierte Bolsonaro. Darüber, wie Brasilien die Brände in der Amazonas-Region bekämpft und die Rodungen reduzieren will, verlor er hingegen kein Wort.
Stattdessen verurteilte er die Medien, die mit ihrem “Sensationalismus“ über Rodungen und Brände ein falsches Bild von Brasilien und Lügen verbreitet hätten. In dieser Jahreszeit würden Trockenheit und Winde spontane und kriminelle Feuer begünstigen. Darüber hinaus würden auch Indios und Lokalbevölkerung das Feuer traditionell nutzen.
Bei Umweltschutzorganisationen sind auch diese Aussagen auf scharfe Kritik gestoßen. Der Präsident habe Brasilien durch seine Absage einer Vorreiterrolle in Sachen Umweltschutz zugunsten seiner Ideologie einmal mehr beschämt, hieß es vom Observatório do Clima.
Dem Klimaobservatorium gehören 37 Organisationen an, die Veränderungen des Klimas monitorieren. Zum Klimaschutz selbst gab es von Brasiliens Präsident hingegen keine Aussagen.
Brasiliens ehemaliger Botschafter Rubens Barbosa verurteilte Bolsonaros Rede als einen innenpolitischen Bericht, der in der Außenpolitik für weitere Reibungspunkte gesorgt hätte. Ähnlich wurde dies auch von anderen Politikern gesehen.