Wer weiß ist, hat in Brasilien große Chancen Erfolg zu haben. Wer schwarz ist und ein Mann, hat große Chancen, seinen 29sten Geburtstag nicht zu erleben. Für schwarze Frauen sind wiederum die Chancen hoch, in Armut und mit Gewalt leben zu müssen.
Am Tag der “Consciência Negra” war die schreiende Ungleichheit einmal mehr Thema in den Medien. Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro hat sich diesbezüglich hingegen in Schweigen gehüllt und den Gedenktag ignoriert.
Mit 55,8 Prozent stellen die Afrobrasilianer die Mehrheit der Bevölkerung. Auf führenden Posten in der Wirtschaft, bei Gerichten oder in der Politik sind sie hingegen die absolute Minderheit. In der Abgeordentenkammer des brasilianischen Kongresses sind lediglich 24,4 Prozent Afrobrasilianer zu finden und an Gerichten 15,6 Prozent.
Liegen die monatlichen Durchschnittseinnahmen für europäische Nachfahren bei 2.796 Reais, sind es bei Afrobrasilianern 1.608 Reais. Schwarze Frauen trifft es noch härter. Ihr Durchschnittseinkommen beträgt gerade einmal 44,4 Prozent von dem eines weißen Mannes.
Von den über zwölf Millionen Arbeitslosen des südamerikanischen Landes sind 64,2 Prozent schwarzer oder dunkler Hautfarbe. Eine gigantische Schere gibt es ebenso bei der Schulbildung. Während drei Viertel der 20- bis 22-jährigen Eurobrasilianer einen mittleren Schulabschluß vorlegen können, sind es bei den Afrobrasilianern nur 61,8 Prozent. Darüber hinaus brechen 28,8 Prozent die Schule vorzeitig ab. Bei den Weißen sind es 17,4 Prozent.
Eine Verbesserung konnte immerhin an den öffentlichen Universitäten erreicht werden. Dort sind laut dem brasilianischen Statistikamt IBGE mittlerweile 50,3 Prozent der Studenten Afrobrasilianer. An den privaten Einrichtungen stellen hingegen nach wie vor die Weißen die Mehrheit.
Ein Freischein zum Erfolg ist die Universitätsausbildung jedoch nicht. Eurobrasilianer mit einem Hochschulabschluß gewinnen im Durchschnitt 45 Prozent mehr als ihre afrobrasilianischen Kollegen.
Die Frage der Herkunft spielt auch bei der Gewalt eine Rolle. Nach dem “Atlas da Violência“ waren 2017 drei Viertel der in Brasilien gewaltsam ums leben gekommenen Menschen Schwarze oder Pardos, wie in Brasilien Nachfahren von Weißen mit Schwarzen genannt werden.
Erschreckend hoch ist dabei die Tötungsrate von Jugendlichen Afrobrasilianern. Bei den 15- bis 29-Jährigen liegt sie bei 185 pro 100.000 Einwohnern. Der brasilianische Durchschnitt lag 2017 hingegen bei 31,6 pro 100.000 Einwohnern.
Auch bei der Polizeigewalt trifft es vor allem Menschen dunkler Hautfarbe. Laut dem Anuário Brasileiro de Segurança Pública stellten sie 2018 knapp 75,4 Prozent, der bei Polizeieinsätzen ums Leben gekommenen Männer, Frauen und Kinder. Ähnliches spiegelt sich in den Gefängnissen wider. 61,6 Prozent der Häftlinge sind Afrobrasilianer, 34,4 Prozent Weisse.
Auch wenn die Abschaffung der Sklavenhaltung in Brasilien 131 Jahre zurückliegt, kann von einer Gleichheit keine Rede sein. Am Gesetz liegt es nicht. Die Konstitution sieht eine Gleichheit vor. Mit Quoten wird versucht, zumindest bei der Ausbildung Verbesserungen zu erreichen. Auch gibt es ein Gesetz, nachdem Rassismus theoretisch geahndet wird. Praktisch sitzt er indes nach wie vor tief.
Das jüngste Beispiel spielte sich am Vortag zum Tag der “Consciência Negra” im brasilianischen Kongress ab. Eine Ausstellung sollte dort auf die Probeleme und Ungleichheit der afrobrasilianischen Bevölkerung Brasiliens aufmerksam machen.
Dem Abgeordneten und Militärpolizisten Coronel Tadeu (Marcio Tadeu Anhaia de Lemos, PSL) von der ehemaligen Partei des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro schien dies zu stören. Er riß ein Bild mit dem Titel “Der Genozid der schwarzen Bevölkerung“ von der Wand und zerstörte es.
Das Bild zeigte einen jungen schwarzen Jugendlichen mit Handschellen, tot auf dem Boden liegend, erschossen von einem Polizisten. Es verdeutlichte die traurige Statistik des Anuário Brasileiro de Segurança Pública, nach der 2018 täglich 17 Menschen pro Tag tödliche Opfer von Polizeigewalt geworden sind, drei Viertel von ihnen junge Afrobrasilianer.
Einen rassistischen Akt sieht Tadeu in seinem Handeln nicht. Die hohe Zahl der bei Einsätzen durch Polizisten getöteten Schwarzen erklärt er lapidar damit, dass diese eben einen höheren Anteil unter Kriminellen und Drogenhändlern stellen würden.