Ein internationales Forschungsteam rund um Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat eine neue Riesenschildkröten-Art aus dem späten Pleistozän beschrieben. Peltocephalus maturin ist mindestens 40.000 und höchstens 9.000 Jahre alt und stammt aus dem brasilianischen Amazonasgebiet. Mit einer Panzerlänge von etwa 180 Zentimetern gehört die Art zu den größten bekannten Süßwasserschildkröten weltweit. Benannt wurde der Panzerträger nach der Riesenschildkröte „Maturin“, einer Romanfigur des Bestsellerautors Stephen King.
Mit maximal 140 Zentimetern Panzerlänge zählt die Asiatische Schmalköpfige Weichschildkröte (Chitra chitra) gemeinsam mit der etwa 110 Zentimeter langen Südamerikanischen Flussschildkröte (Podocnemis expansa) zu den größten heute lebenden Süßwasserschildkröten. „Auch aus der Vergangenheit kennen wir nur wenige in Süßgewässern lebende Schildkröten, die eine Panzerlänge von 150 Zentimetern überschritten haben“, erklärt Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen und fährt fort: „Zuletzt sind solche großen Tiere vor allem aus dem Miozän, der Zeit vor etwa 23 bis fünf Millionen Jahren, bekannt.“
Ferreira und ein internationales Team haben nun einen riesigen Vertreter dieser Reptilienordnung aus der Zeit des späten Pleistozäns, etwa 40.000 bis 9.000 Jahre vor heute, entdeckt und als neue Art beschrieben. Die fossilen Überreste – ein Teil des Unterkiefers der Schildkröte – wurden von Goldgräbern im „Taquaras“-Steinbruch im brasilianischen Porto Velho gesammelt.
Aufgrund verschiedener Merkmale geht das Forschungsteam von einer engen Verwandtschaft mit der rezenten Dickkopf-Amazonas-Schildkröte (Peltocephalus dumerilianus) und einer omnivoren Ernährung aus. „Benannt haben wir die neue Art nach der Riesenschildkröte ‚Maturin‘, ein übergreifender Protagonist im Stephen-King-Multiversum. Maturin ist in den Romanen und Filmen Kings für die Entstehung des Universums verantwortlich“, erläutert der Tübinger Wissenschaftler.
Die Analysen der Forschenden zeigen, dass es sich bei der Schildkröte um ein Tier mit einem etwa 180 Zentimeter langen Panzer gehandelt hat. „Das ist insofern sehr überraschend, da Süßwasserschildkröten – im Gegensatz zu ihren terrestrischen und marinen Verwandten – selten solche Giga-Formen aufweisen und die jüngsten bislang bekannten Riesen-Fossilien aus miozänen Ablagerungen stammen“, ergänzt Ferreira.
Der neue Fund ist das jüngste bekannte Vorkommen von Riesen-Süßwasserschildkröten und deutet auf eine Koexistenz von Peltocephalus maturin mit frühen menschlichen Bewohnern im Amazonasgebiet hin. „Bereits vor etwa 12.600 Jahren besiedelten Menschen das Amazonasgebiet. Wir wissen zudem, dass große Landschildkröten seit dem Paläolithikum auf dem Speiseplan von Homininen stehen.
Ob auch die, aufgrund ihrer Beweglichkeit deutlich schwerer zu fangenden, Süßwasserschildkröten den frühen Menschen zum Verzehr dienten und ob Peltocephalus maturin – gemeinsam mit der südamerikanischen Megafauna – zum Opfer menschlicher Ausbreitung wurde, ist noch unklar. Hier benötigen wir noch weitere Daten aus den spätpleistozänen und frühholozänen Ablagerungen des Amazonasbeckens“, gibt Ferreira einen Ausblick auf künftige Arbeiten.