Konfliktzone Pantanal: Jaguarangriff

Ein tragisches Ereignis im brasilianischen Pantanal hat eine Debatte über das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier neu entfacht. Am Montag, dem 21. April, bestätigte die Umweltpolizei (Polícia Militar Ambiental – PMA) den Tod des 60-jährigen Hausmeisters. Er wurde am Ufer des Flusses Miranda in der Gemeinde Aquidauana (Bundesstaat Mato Grosso do Sul) von einem Jaguar angegriffen und tödlich verletzt. Sein lebloser Körper wurde nahe der Spuren des Raubtiers entdeckt.

Jaguar – Foto: Ian Lindsay auf Pixabay

Die Nachricht verbreitete sich rasch. Bereits am Dienstag veröffentlichte eine Organisation aus Forschern, Naturschutzinstituten und Tourismusagenturen im Pantanal eine gemeinsame Erklärung. In dieser betonten sie nicht nur ihr Mitgefühl mit den Angehörigen des Opfers, sondern warnten auch vor möglichen Vergeltungsaktionen gegen die Tiere.

„Wir haben mit Besorgnis die Nachricht eines möglichen Jaguarangriffs in der Region des Flusses Touro Morto aufgenommen“, heißt es in der Mitteilung. „In solchen Momenten sind unsere Gedanken bei den Betroffenen. Gleichzeitig möchten wir betonen, dass die Jaguarpopulation ebenfalls gefährdet ist, wenn sich solche Zwischenfälle häufen.“

Symbol der Wildnis – und des Einkommens

Der Jaguar, oder Onça-pintada wie er von den Einheimischen genannt wird, gilt im Pantanal als scheues Tier und meidet in der Regel den Kontakt zum Menschen. „Unprovozierte Angriffe sind äußerst selten – beinahe nicht existent“, so die Experten. Der große Katzenjäger ist nicht nur ein Symbol für die beeindruckende Biodiversität Brasiliens, sondern auch ein wesentlicher Faktor für den Ökotourismus in der Region. Dieser sichert die Existenz tausender Familien.

Umso wichtiger sei es, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und sich an Sicherheitsprotokolle zu halten, insbesondere beim Besuch von Wildnisgebieten.

Ein schmaler Grat zwischen Nähe und Gefahr

Das Unglück ereignete sich rund zwei Stunden per Boot von der Stadt Miranda entfernt. Spuren am Ort des Geschehens – Pfotenabdrücke im Sand, Blutspuren – deuten auf einen dramatischen Ablauf hin. Dennoch mahnen Experten zur Zurückhaltung. Die genauen Umstände des Angriffs seien noch unklar und würden derzeit untersucht.

Laut dem Biologen von der NGO „SOS Pantanal“ sei es schwer zu sagen, ob der Angriff durch Jagdtrieb oder durch Stressreaktionen auf menschliche Einflüsse ausgelöst wurde.

Er betont die Bedeutung vorbeugender Maßnahmen:

  • Elektrozäune in Bereichen mit viel Menschen- und Haustierverkehr;
  • Stroboskoplichter zur Abschreckung;
  • Vermeidung von Alleingängen in den frühen Morgen- und späten Abendstunden – den aktivsten Zeiten der Raubkatzen.

Kommt es dennoch zu einer Begegnung, empfiehlt er:

  • Nicht wegrennen oder sich ducken – das könnte ein Jagdverhalten auslösen;
  • Ruhig stehenbleiben, langsam rückwärts gehen, dabei stets Blickkontakt halten;
  • Im Falle einer Annäherung: Arme heben, laut werden, mit Ästen oder Gegenständen Lärm machen, um das Tier zu vertreiben.

Der Biologe hat bereits sechs solche Begegnungen überstanden. „Ich blieb stehen, ging langsam rückwärts – und die Onça ebenfalls. Sie ging einfach zurück.“

Zwischen Faszination und Furcht

Die Diskussionen im Pantanal sind vielschichtig. Einerseits wächst die Angst in der Bevölkerung, andererseits die Sorge um die Tiere. In den sozialen Medien kursierten zuletzt auch Bilder getöteter Jaguare im Flussgebiet des Rio Paraguay. Obwohl Experten betonen, dass diese Fälle nicht mit dem jüngsten Angriff zusammenhängen, wächst die Angst vor Racheakten an den Großkatzen.

Die Frage bleibt: Wie gelingt ein sicheres und respektvolles Zusammenleben mit einem der faszinierendsten Tiere Südamerikas – ohne dass Mensch oder Tier zum Opfer werden?

Es gibt einige Studien und Statistiken zu Angriffen von Jaguaren (Onça-pintada, Panthera onca) auf Menschen – allerdings sind sie erstaunlich selten.

Hier sind ein paar wichtige Fakten, basierend auf aktuellen Daten und wissenschaftlicher Literatur:

Wie häufig greifen Jaguare Menschen an?

1. Extrem seltene Vorfälle:

  • In freier Wildbahn sind dokumentierte Angriffe von Jaguaren auf Menschen sehr selten.
  • Eine umfassende Studie, die Daten aus verschiedenen süd- und mittelamerikanischen Ländern auswertete, zeigte, dass die meisten Angriffe defensiv waren – etwa wenn ein Tier überrascht oder in die Enge getrieben wurde.
  • Tödliche Attacken sind absolute Ausnahmen. Zwischen 1900 und 2020 wurden in wissenschaftlichen Aufzeichnungen weniger als 30 Fälle weltweit dokumentiert.

2. Vergleich zu anderen Großkatzen:

  • Im Gegensatz zu Tigern oder Leoparden in Asien, die manchmal gezielt Menschen jagen (sogenannte „Man-Eater“), zeigen Jaguare kein solches Verhalten.
  • Ihre natürliche Scheu und das dichte Habitat des Pantanal oder Amazonasgebiets halten sie meist von menschlichen Siedlungen fern.

3. Brasilien im Fokus:
Laut Angaben brasilianischer Behörden (z. B. ICMBio oder Umweltpolizei PMA) gab es im Pantanal im letzten Jahrzehnt weniger als ein Dutzend gemeldeter Vorfälle mit direktem Kontakt – und davon nur eine Handvoll mit Verletzungen.

Jaguar – Foto: Klaus D. Günther

Touristische Regionen wie Porto Jofre (ein Hotspot für Jaguarbeobachtungen) sind gut vorbereitet und haben Sicherheitsprotokolle etabliert. Dort sind keine bekannten Angriffe auf Touristen dokumentiert.

Warum sind diese Daten schwer zu erfassen?

  • Viele Begegnungen bleiben unberichtigt, vor allem in ländlichen Gebieten.
  • Zudem wird nicht immer zwischen tatsächlichem Angriff, Verteidigungsverhalten oder bloßer Nähe unterschieden.
    Die Abgrenzung zwischen Angriff und Verteidigung ist in Berichten oft nicht klar.
Fazit:

Die Statistik zeigt: Jaguare greifen Menschen äußerst selten an. In vielen Fällen beruhen solche Angriffe auf Einzelfaktoren wie Überraschung, Revierverteidigung oder einem verletzten Tier. Die größte Gefahr für den Jaguar geht nicht vom Menschen aus – sondern umgekehrt.

Wissenschaftliche Quellenangaben
Attacks by Jaguars (Panthera onca) on Humans in Central Brazil: Report of Three Cases, with Observation of a Death“

Nonfatal, Nonpredatory Jaguar Attacks in Brazil: A Case Series“

Human Dimensions of the Conflicts Between People and Jaguars (Panthera onca) in Brazil“

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