Brasiliens absurde Bürokratie – ein täglicher Hindernislauf

Wer in Brasilien lebt oder, wie viele im Ausland lebenden oder geborenen Brasilianer*innen, mit dem Land weiterhin bürokratisch verbunden ist, kennt das Gefühl: Ein einfacher Behördengang wird schnell zur Geduldsprobe. Was andernorts in Minuten geregelt ist, kann hier Tage, Wochen oder gar Monate dauern – wenn es überhaupt gelingt.

Dokumenten-Flut – Foto: Tung Lam auf Pixabay

Beatriz, eine Doppelbürgerin mit brasilianischem und schweizerischem Pass, kennt dieses Dilemma nur zu gut. Während der Schweizer Pass problemlos als offizielles Ausweisdokument akzeptiert wird, reicht der brasilianische Reisepass allein für viele Behördenangelegenheiten in Brasilien nicht aus.

„Ich brauche zusätzlich noch verschiedenste Dokumente – CPF-Nummer, RNE-Karte, manchmal auch Nachweise über Wohnsitz oder familiären Status und weitere mehr“, erzählt sie dem BrasilienPortal. Welche Dokumente genau erforderlich sind, ändert sich ständig. „Es ist wie eine Lotterie – du weißt nie, was als Nächstes verlangt wird.“

Besonders frustrierend ist der Kontakt mit dem brasilianischen Konsulat. „Anrufen ist zwecklos – das Konsulat nimmt keine Anrufe mehr entgegen. Und auf E-Mails bekommt man, wenn überhaupt, erst Wochen später eine Antwort“, berichtet uns Beatriz.

Dabei ist genau das die zentrale Aufgabe eines Konsulats: die Unterstützung bei der Ausstellung amtlicher Dokumente, Reisepässe, Visa oder bei der Registrierung von Geburten, Eheschließungen oder Todesfällen. Doch in der Realität scheinen die Konsulate heillos überfordert – oder schlichtweg desinteressiert.

Diese kafkaesken Zustände* sind kein Einzelfall. Ricardo, ein IT-Spezialist aus São Paulo, berichtet von seinem Versuch, ein neues Unternehmen zu registrieren. „Ich musste mich bei vier verschiedenen Ämtern melden – persönlich –, und jedes wollte andere Unterlagen.

Online war es nicht möglich, und bei jedem Gang fehlte wieder ein neues Formular, das ich vorher nicht kannte.“ Die Registrierung zog sich über drei Monate hin, obwohl alle Unterlagen formal vollständig waren.

Auch Fernanda, eine alleinerziehende Mutter aus Zürich, hat ihre Erfahrungen gemacht – mit der Geburtsurkunde ihrer Tochter. „Man sagte mir, ich müsse erst eine Steuer-ID beantragen, um die Urkunde ausstellen zu lassen. Dann hieß es, ohne Urkunde keine Steuer-ID. Ich drehte mich im Kreis, monatelang.“ Letztlich half nur der persönliche Kontakt zu einem Beamten direkt im Konsulat, der „zufällig einen guten Tag hatte“, wie sie es nennt.

Bürokratie wird in Brasilien selten als Dienstleistung verstanden – sondern oft als Machtinstrument. „Die Verwaltung ist nicht für die Bürger da – sondern die Bürger müssen sich der Verwaltung anpassen, koste es, was es wolle“, sagt der Politikwissenschaftler Dr. João. „Es herrscht ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber den Bürgern, was zu einer Kultur der Überregulierung führt.“

Während einige Schritte zur Digitalisierung unternommen wurden, scheitern viele Initiativen an der Realität vor Ort: fehlende Schnittstellen zwischen Systemen, unzureichend geschultes Personal oder schlicht technisches Versagen.

Beatriz seufzt. „Man gewöhnt sich irgendwann daran, immer ein paar Kopien zu viel in der Tasche zu haben. Man weiß nie, was gebraucht wird.“

*„kafkaesk“ beschreibt den Albtraum einer absurden Bürokratie.


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