Der melancholische Gesang des „Saudade“ – ein Vogel der brasilianischen Berge

Mit einer stark fragmentierten Population ist der Vogel, der unter dem Namen „Saudade“ (Lipaugus ater) bekannt ist, in den Hochgebirgen der brasilianischen Bundesstaaten São Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais verbreitet, vor allem in Höhenlagen zwischen 1.200 und 2.050 Metern. Diese Regionen gehören zum atlantischen Regenwald, einem der artenreichsten, aber auch am stärksten bedrohten Ökosysteme der Welt. Hier, zwischen feuchten Nebelwäldern und kühlen Höhenhainen, findet die Saudade ihren idealen Lebensraum.

Saudade (Lipaugus ater) – Foto: Screenshot Video

Der scheue Einzelgänger fällt besonders durch seinen melancholischen Gesang auf, der all jene berührt, die ihn hören. „Der Gesang dieser Art ist ein langer, hoher und wehmütiger Pfiff, eine der markantesten Stimmen seiner Lebensräume. Die Frequenz liegt zwischen 3.100 und 3.150 Hertz und dauert etwa drei Sekunden“, erklärt ein Ornithologe.

Oft hallt der Ton über die Berghänge, besonders in den frühen Morgenstunden, wenn die Täler noch im Nebel liegen. Sein Ruf ist klar und einsam fast so, als würde er das portugiesische Gefühl der Saudade, eine tiefe, sehnsüchtige Melancholie, in Laut verwandeln.

Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Familie Cotingidae, etwa den Arapongas oder Anambés, die in verschiedenen Regionen Brasiliens vorkommen, gilt die Saudade trotz ihres zersplitterten Lebensraums nicht als gefährdet. Das liegt vor allem daran, dass sie anpassungsfähig ist und auch kleinere Waldinseln nutzen kann, sofern dort genügend fruchttragende Pflanzen vorkommen.

Ihr Gesang erinnert in seiner Klangfarbe an eine Violine – hell, vibrierend und emotional aufgeladen. Viele Ornithologen bezeichnen ihn als einen der schönsten Töne der südamerikanischen Bergwälder.

Wie viele Arten der Cotingidae-Familie spielt auch die Saudade eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von Samen. „Das liegt an ihrer vielseitigen Ernährung, die hauptsächlich aus Früchten besteht, gelegentlich aber auch Arthropoden umfasst“, erläutert ein Biologe.

Durch das Fressen und anschließende Ausscheiden von Samen trägt sie wesentlich zur Regeneration der Bergwälder bei. Ihre Vorliebe für kleine, saftige Früchte, etwa aus den Familien der Melastomataceae und Lauraceae – macht sie zu einem wichtigen Bindeglied zwischen Tier- und Pflanzenwelt.

Laut dem Sistema de Avaliação do Risco de Extinção da Biodiversidade (SALVE) des Instituto Chico Mendes de Conservação da Biodiversidade (ICMBio) kommt die Art in mehreren Schutzgebieten in stabilen Populationen vor, darunter in den Nationalparks Itatiaia und Serra dos Órgãos im Bundesstaat Rio de Janeiro. Dort findet sie ein Mosaik aus montanen Wäldern, offenen Felslandschaften und Bambusdickichten, in
denen sie sich geschickt bewegt.

Zwar liegen bislang keine umfassenden Studien zur Migration der Saudade vor, doch Beobachtungen deuten darauf hin, dass sie außerhalb der Brutzeit ihre Höhenlage wechselt. „In den kalten Monaten wurden Exemplare bereits in tieferen Regionen zwischen 300 und 500 Metern gesichtet – vermutlich auf der Suche nach bestimmten Früchten“, berichtet der Ornithologe. Diese saisonalen Wanderungen sind typisch für viele Gebirgsvögel der Mata Atlântica, da Nahrungsangebot und Klima stark mit der Höhe variieren.

Ein weiteres auffälliges Merkmal dieser Vogelart ist der deutliche Geschlechtsdimorphismus: Die Männchen sind tiefschwarz gefärbt und tragen eine markante gelbe Flügelbinde, die im Sonnenlicht schimmert. Die Weibchen hingegen zeigen ein Gefieder in sanften Oliv- und Gelbtönen, das sie hervorragend in den dicht belaubten Höhenwäldern tarnt. Beide Geschlechter besitzen einen kurzen, orangefarbenen Schnabel und leuchtend rote Augen – ein unverkennbares Merkmal, das selbst in schattigen Waldpartien auffällt.

Über das Fortpflanzungsverhalten der Saudade ist bislang nur wenig bekannt. Die Brutzeit erstreckt sich von September bis November, also in die Zeit des südamerikanischen Frühlings. Es existiert eine dokumentierte Nestbeobachtung aus dem November, bei der das Nest in mittlerer Höhe auf einem Ast gebaut war – fein mit Moosen, Wurzeln und trockenen Blättern ausgekleidet. Über Balzverhalten oder Brutpflege liegen jedoch noch keine detaillierten Studien vor.

Neben ihrer biologischen Bedeutung besitzt die Saudade auch kulturellen Wert: Ihr Name, inspiriert vom portugiesischen Wort Saudade, das ein Gefühl tiefer Sehnsucht beschreibt, steht symbolisch für die Stimmung der Berge Brasiliens, schön, geheimnisvoll und ein wenig traurig. In der lokalen Folklore wird erzählt, dass der Vogel seinen Gesang an stillen Tagen an die Nebel weitergibt, die ihn in die Täler tragen, ein poetisches Bild, das zeigt, wie eng Natur und Kultur hier miteinander verwoben sind.

Mit ihrer zarten, fast klagenden Stimme ist die Saudade nicht nur ein wichtiger Bestandteil des ökologischen Gleichgewichts, sondern auch ein lebendiges Symbol für die emotionale Tiefe der brasilianischen Landschaft. Wer einmal ihren Ruf gehört hat, vergisst ihn kaum, er klingt wie eine Erinnerung, die nie ganz vergeht.

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