Neue Studie soll Tierversuche bei Antischlangengift-Tests überflüssig machen

Eine brasilianische Forschungsarbeit könnte die Art und Weise, wie Gegengifte gegen Schlangenbisse getestet werden, grundlegend verändern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Nationalen Instituts für Qualitätskontrolle im Gesundheitswesen (INCQS) der Oswaldo-Cruz-Stiftung (Fiocruz) haben ein alternatives Verfahren entwickelt, das Labormäuse durch In-vitro-Methoden ersetzt.

Jararaca( Bothrops-jararaca) – Foto: Screenshot-Video

Ziel ist es, die Qualität von Antiveninen gegen das Gift von Schlangen der Gattung Bothrops zu prüfen, also jener Schlangen, die in Brasilien die meisten Vergiftungsfälle verursachen.

Für diese Forschungsarbeit gab es internationale Anerkennung: Sie wurde von der Europäischen Gesellschaft für Alternativen zu Tierversuchen ausgezeichnet und erhielt eine Ehrenerwähnung durch das britische National Centre for the Replacement, Refinement and Reduction of Animals in Research (NC3Rs).

Die gefährliche Gattung Bothrops

Schlangen der Gattung Bothrops, zu denen Arten wie Jararaca, Cotiara oder Urutu gehören, sind in Südamerika weit verbreitet. Ihr Gift kann beim Menschen schwere Blutungen, Gewebezerstörung und in schweren Fällen den Tod verursachen. Laut Daten des brasilianischen Gesundheitsministeriums werden jedes Jahr rund 12.000 Schlangenbisse registriert, die meisten davon durch Gattung Bothrops.

Von der Maus zur Zellkultur

Bislang wurden Gegengifte mit Hilfe von Tierversuchen überprüft, ein zeitaufwändiger, teurer und für die Tiere äußerst schmerzhafter Prozess. Das neue Verfahren ersetzt die Mäuse durch Vero-Zellen, eine Zelllinie, die im Labor gezüchtet und auf Platten fixiert wird. Diese Zellen werden anschließend mit einer Mischung aus Schlangengift und Gegengift behandelt.

Bleiben die Zellen unversehrt, gilt das Gegengift als wirksam, da es die toxische Wirkung neutralisiert hat. Zeigen die Zellen hingegen Schäden, ist das Serum unbrauchbar. Der gesamte Test dauert nur etwa eine Woche, während Tierversuche bislang mehrere Wochen in Anspruch nahmen.

Weltweit einzigartiger Fortschritt

Die brasilianische Forschungsgruppe hat es geschafft, das Verfahren in die Phase der Prävalidierung zu bringen, eine Stufe, die für Antivenine bisher weltweit nicht erreicht wurde. Während für Kosmetika oder Impfstoffe bereits validierte In-vitro-Methoden existieren, ist dieser Fortschritt im Bereich der Gegengifte ein Novum.

Der nächste Schritt besteht darin, dass weitere unabhängige Labore das Verfahren wiederholen, um die Reproduzierbarkeit zu bestätigen. Nur wenn die gleichen Ergebnisse erzielt werden, gilt die Methode als robust und kann offiziell zugelassen werden.

Ziel: Aufnahme in die brasilianische Pharmakopöe

Nach erfolgreicher Validierung soll das Verfahren in die Brasilianische Pharmakopöe aufgenommen werden, um künftig routinemäßig eingesetzt zu werden. Dazu werden standardisierte Testkits entwickelt, mit denen Labore landesweit – und langfristig auch international – die Qualität von Gegengiften überprüfen können.

Die Forschenden planen zudem, die Methode auf andere Länder auszuweiten. Schlangen der Gattung Bothrops kommen auch in Costa Rica, Kolumbien, Venezuela und weiteren Regionen Lateinamerikas vor. Damit könnte die neue Methode weit über Brasilien hinaus Leben retten.

Effizient, kostengünstig und tierfreundlich

Das neue Verfahren senkt die Testkosten um bis zu 69 %, da keine großen Tierkolonien mehr gezüchtet werden müssen. Bisher wurden im Institut für Biomodell-Technologie (ICTB/Fiocruz) tausende Mäuse für aufwendige und schmerzhafte Tests herangezogen, die nach dem Versuch getötet wurden.

Mit der Zellmethode wird nicht nur Tierleid vermieden, sondern auch der gesamte Ablauf beschleunigt. Während Mäuse erst heranwachsen und akklimatisiert werden müssen, liefert der In-vitro-Test schnelle und verlässliche Ergebnisse.

Ab März 2026 soll das Verfahren in der Praxis eingesetzt werden. Noch Ende dieses Jahres ist ein Treffen mit Produzenten und Fachleuten geplant, um die Implementierung und internationale Zusammenarbeit zu fördern. Die internationale Auszeichnung der Arbeit gilt dabei als wichtiger Impuls, um die Methode weltweit bekannt zu machen.

Hintergrund: Eine vernachlässigte Tropenkrankheit

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Schlangenbisse, insbesondere durch Bothrops-Arten eine vernachlässigte Tropenkrankheit. Private Pharmaunternehmen investieren kaum in die Entwicklung von Antiveninen, da sie wirtschaftlich wenig profitabel sind.

Deshalb übernehmen öffentliche Einrichtungen wie Fiocruz, das Instituto Butantan, das Instituto Vital Brazil und die Fundação Ezequiel Dias diese lebenswichtige Aufgabe. Sie produzieren und prüfen die Gegengifte, die über das brasilianische Gesundheitssystem (SUS) der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden.

Wissenschaftlicher Fortschritt mit ethischer Dimension

Die neue Testmethode steht beispielhaft für einen Wandel in der biomedizinischen Forschung. Sie beweist, dass wissenschaftliche Präzision, Wirtschaftlichkeit und Ethik keine Gegensätze sein müssen. Durch den Einsatz moderner Zellkulturen können Millionen von Versuchstieren verschont und gleichzeitig verlässlichere Ergebnisse erzielt werden.

Diese Entwicklung zeigt, dass verantwortungsbewusste Forschung und technologische Innovation Hand in Hand gehen können, ein entscheidender Schritt hin zu einer humaneren Wissenschaft.


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Weitere Infos zu den Schlangen finden Sie » hier
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