Brasilien: 119 indigene Völker in freiwilliger Isolation

Ein neuer Bericht des Indigenen Missionsrates (Cimi) dokumentiert die Existenz von 119 indigenen Völkern in Brasilien, die in freiwilliger Isolation leben. Diese als „freie Völker“ bezeichneten Gemeinschaften meiden bewusst den Kontakt mit der übrigen Gesellschaft, oft aus Angst vor Gewalt und Verfolgung. Besonders alarmierend ist, dass 37 dieser Gruppen in ungeschützten Gebieten leben, die jederzeit von Eindringlingen bedroht werden, was ihr Überleben gefährdet.

Unkontaktierte Völker – Foto: Survival International
Fehlende Anerkennung durch die Regierung

Die Daten stammen aus dem Buch Povos Indígenas Livres/Isolados na Amazônia e Grande Chaco, das an der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens (CNBB) in Brasilia vorgestellt wurde. Die Untersuchung wurde vom Unterstützungsteam für freie Völker des Cimi (Eapil) durchgeführt.

Laut der Publikation erkennt die brasilianische Indigenenschutzbehörde Funai offiziell 114 dieser Völker an, bestätigt jedoch nur die Existenz von 28 Gruppen. Der Anthropologe und Mitautor des Buches, Lino João de Oliveira Neves von der Bundesuniversität Amazonas (UFAM), kritisiert diese Zurückhaltung der Behörden.

Seiner Meinung nach handelt es sich nicht nur um Nachlässigkeit, sondern auch um eine bewusste Verweigerung von Verantwortung. „Indem die Regierungen diese Völker nicht offiziell anerkennen, entziehen sie sich jeglicher Pflicht zu ihrem Schutz – selbst jener, die in der Verfassung festgeschrieben sind“, betont Neves.

Bedrohung und Rückschritte in der Indigenenpolitik

Neves weist darauf hin, dass indigene Gemeinschaften in ganz Lateinamerika unter Gewalt leiden. Noch vor 15 bis 18 Jahren gab es in Brasilien und anderen Südamerikanischen Ländern Fortschritte im Schutz der indigenen Gebiete. Doch in den letzten Jahren habe sich diese Entwicklung rückgängig gemacht. „Die Regierungen beginnen, indigene Rechte wieder einzuschränken. Besonders betroffen sind Brasilien und
Peru“, so der Anthropologe.

Seit 1987 verzichtet Brasilien offiziell darauf, aktiv Kontakt mit isolierten Völkern herzustellen. Dies geschah als Abkehr von der Politik der Militärdiktatur (1964-1985), die eine erzwungene Integration der indigenen Bevölkerung betrieb.

Neves sieht in der Schwierigkeit, Daten über diese Völker zu erheben, nicht nur ein Hindernis, sondern auch ein Zeichen ihres erfolgreichen Widerstands gegen die „fundamentalistische Gesellschaft“. Gleichzeitig wird ihr Lebensraum jedoch immer weiter eingeengt.

„Sie werden von der Welt der Weißen regelrecht eingekreist“, warnt Neves. Ein Hoffnungsschimmer sei, dass indigene Organisationen zunehmend selbst für den Schutz der isolierten Gruppen eintreten und nicht mehr versuchen, Kontakt herzustellen. „Nicht wir von außen sollten bestimmen, wer sie sein sollen“, unterstreicht er.

Schutz durch internationale Kooperation

Der Historiker und Cimi-Missionar Guenter Francisco Loebens hofft, dass das Buch Bewusstsein für die Bedrohung der isolierten Völker schafft und politische Veränderungen bewirkt. Besonders problematisch sei, dass viele dieser Gruppen in Grenzregionen leben. „Daher braucht es eine internationale Zusammenarbeit, um wirksame Schutzmaßnahmen zu entwickeln“, erklärt er.

Daniel Aristizabal, Generalsekretär der Internationalen Arbeitsgruppe zum Schutz isolierter indigener Völker (GTI-PIACI), lobt die Initiative: „Das Buch hilft, die Debatte zu regionalisieren und zeigt, dass diese Völker nicht nur überleben, sondern auch eine entscheidende Rolle im ökologischen Gleichgewicht spielen.“

Neben Brasilien gibt es auch in Bolivien, Paraguay, Kolumbien, Ecuador und Venezuela Berichte über isolierte indigene Gruppen. Jüngste Hinweise deuten sogar auf vergleichbare Gemeinschaften in Indien und Afrika hin.

Aristizabal hebt hervor, dass das Recht auf Selbstbestimmung essenziell für diese Völker ist: „Sie sind die letzten, die sich gegen die Kolonialisierung wehren. Unser Traum ist es, dass sie in ihrer Lebensweise fortbestehen können.“

Buchveröffentlichung

Das Buch kann auf der Webseite von Cimi kostenlos gelesen und heruntergeladen werden. Eine gedruckte Ausgabe ist für 45 R$ per E-Mail an mobiliza(a)cimi.org.br erhältlich. Die Einnahmen fließen in die Finanzierung der Publikation.


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