Der 19. April ist in Brasilien dem Gedenken an die indigenen Völker des Landes gewidmet. Der Dia dos Povos Indígenas (Tag der Indigenen Völker) wurde ins Leben gerufen, um die kulturelle und historische Vielfalt dieser Bevölkerungsgruppen zu würdigen und gleichzeitig auf ihre Rechte und Herausforderungen aufmerksam zu machen. Der Tag dient nicht nur der Feier, sondern auch der kritischen Reflexion und dem politischen Appell.

Ursprung und historische Hintergründe
Der Gedenktag wurde im Jahr 1943 während der autoritären Regierung des Estado Novo unter Präsident Getúlio Vargas durch das Dekret-Gesetz Nr. 5.540 eingeführt. Die Initiative zur Schaffung dieses Tages geht auf den brasilianischen Indigenisten Marechal Cândido Rondon zurück, der sich intensiv für die Belange der indigenen Bevölkerung einsetzte.
Ein entscheidender Impuls für die Einführung des Gedenktages war der Interamerikanische Indigenistenkongress, der im April 1940 im mexikanischen Pátzcuaro stattfand. Ziel des Kongresses war es, über die Lage der indigenen Völker auf dem amerikanischen Kontinent zu diskutieren und gemeinsame politische Leitlinien zum Schutz ihrer Rechte und Kulturen zu erarbeiten. Als symbolträchtiges Datum wurde der 19. April gewählt – der Tag, an dem indigene Vertreter erstmals aktiv an den Diskussionen des Kongresses teilnahmen.
Vom „Tag des Indianers“ zum „Tag der Indigenen Völker“
Ursprünglich wurde der 19. April als Dia do Índio (Tag des Indianers) bezeichnet. Diese Bezeichnung war fast 60 Jahre lang in Kraft, wurde jedoch zunehmend als unangemessen kritisiert. Viele indigene Gemeinschaften empfanden das Wort „Índio“ als abwertend, da es historisch mit Stereotypen wie „wild“ oder „unzivilisiert“ verknüpft war.
2019 wurde daher ein Gesetzesvorschlag eingebracht, um die Bezeichnung in Dia dos Povos Indígenas zu ändern – ein Ausdruck, der als respektvoller gilt, da er die Identität und Vielfalt der ursprünglichen Völker Brasiliens anerkennt. Der Gesetzesvorschlag wurde 2022 vom brasilianischen Nationalkongress verabschiedet und am 8. Juli 2022 von der Präsidentschaft offiziell bestätigt.
Bedeutung und aktuelle Relevanz
Der Gedenktag verfolgt mehrere Ziele:
- Würdigung der kulturellen Vielfalt: Brasilien beherbergt laut Volkszählung von 2010 rund 900.000 indigene Menschen, die zu zirka 280 Ethnien gehören. Ihre Sprachen, Rituale, Weltanschauungen und Lebensweisen sind ein wichtiger Teil des nationalen Kulturerbes.
- Bekämpfung von Vorurteilen: Die indigene Bevölkerung Brasiliens ist bis heute mit Vorurteilen und sozialer Ausgrenzung konfrontiert. Der 19. April soll das Bewusstsein der Gesellschaft stärken und diskriminierende Denkmuster aufbrechen.
- Förderung politischer Rechte: Der Tag dient auch als Plattform, um auf die politischen Forderungen der indigenen Völker aufmerksam zu machen – insbesondere im Hinblick auf die Demarkation ihrer Territorien, ein in der Verfassung verankertes Recht, das in der Praxis häufig verletzt wird.
Feier und Reflexion
Der Dia dos Povos Indígenas wird vor allem in Bildungseinrichtungen wie Schulen thematisiert. Er bietet eine Gelegenheit, über Geschichte und Gegenwart der indigenen Völker zu lernen und ihre Rolle in der brasilianischen Gesellschaft zu reflektieren.
Für viele indigene Organisationen ist der 19. April jedoch kein Tag der bloßen Feier, sondern ein Tag des Protests und der politischen Forderung. Sie machen darauf aufmerksam, dass die Anerkennung ihrer Rechte noch immer unvollständig ist und zahlreiche Herausforderungen – von Landraub über Umweltzerstörung bis hin zu mangelnder politischer Repräsentation – bestehen bleiben.
Verantwortung des Staates
Die Fundação Nacional dos Povos Indígenas (FUNAI) ist die staatliche Institution, die für den Schutz und die Förderung der Rechte indigener Völker zuständig ist. Sie spielt eine Schlüsselrolle in der Umsetzung von Maßnahmen zur kulturellen Bewahrung, Rechtsdurchsetzung und sozialen Unterstützung. In den letzten Jahren geriet die FUNAI jedoch verstärkt in die Kritik, da ihre Schutzfunktion zunehmend geschwächt wurde.
Fazit
Der 19. April als Tag der Indigenen Völker ist ein bedeutender Bestandteil der brasilianischen Erinnerungskultur. Er ist ein Appell für mehr Anerkennung, Respekt und politische Gerechtigkeit. In einer Zeit, in der indigene Stimmen verstärkt um Gehör kämpfen, ist dieser Tag ein wichtiger Moment des Innehaltens – nicht nur zum Gedenken, sondern auch zur Mahnung.