Vergessene Stimmen: Das indigene Volk der Maxakali im Rampenlicht

Ein Besuch in Rio geplant und Interesse an indigener Kunst? Dann lohnt sich ein Abstecher zu dieser besonderen Ausstellung.

Im Herzen von Rio de Janeiro, im Stadtteil Catete, ist derzeit eine außergewöhnliche Ausstellung zu sehen, die ein selten beachtetes Kapitel brasilianischer Kultur sichtbar macht.

Die Sala do Artista Popular im Museu de Folclore Edison Carneiro zeigt noch bis zum 28. September die Ausstellung „Hãmxop tut xop – Die Mütter unserer Dinge: Kunsthandwerk aus Embaúba-Fasern“, geschaffen von indigenen Maxakali-Frauen aus dem Bundesstaat Minas Gerais.

Die gezeigten Stücke – Taschen, Armbänder, Ketten – sind nicht nur Handwerkskunst. Sie sind Träger einer Erinnerung, die über Generationen weitergegeben wurde.

Indios do Brasil – Foto: Cristina

„Wir bringen lebendige Erinnerung mit“, sagt Sueli Maxakali, eine der führenden Persönlichkeiten ihrer Ethnie und Lehrerin für Kinder und Erwachsene. „Unsere Kultur ist unser Erbe, das wir an unsere Kinder weitergeben. Unser Wissen und unsere Weisheit leben in unserer Erinnerung. Sie wurden nicht ausgelöscht.“

Ein Volk, viele Namen – und kaum bekannt

Die Maxakali, die sich selbst als Tikmũ’ũn bezeichnen, leben in fünf Dörfern im Nordosten von Minas Gerais. Trotz der relativen Nähe zu urbanen Zentren, ist ihre Kultur in Brasilien weitgehend unbekannt.

„Sie sind monolingual, sprechen fast ausschließlich ihre eigene Sprache“, erklärt der Anthropologe Roberto Romero, der die Ausstellung kuratiert hat und seit 15 Jahren mit den Tikmũ’ũn zusammenarbeitet. Die Sprachbarriere, so sagt er, erschwere die Kommunikation mit Nicht-Indigenen – und verstärke ihre Unsichtbarkeit in der Mehrheitsgesellschaft.

Die Embaúba – ein fast verschwundener Baum

Das Rohmaterial für die ausgestellten Kunstwerke stammt von der Embaúba, einem Baum, der ursprünglich in der atlantischen Regenwaldregion beheimatet ist, aber in den Maxakali-Gebieten fast verschwunden ist.

„Wir verwenden die Fasern, um Taschen, Ohrringe, Armbänder herzustellen“, erklärt Sueli, die neben ihrer künstlerischen Tätigkeit auch als Fotografin arbeitet. „Zuerst schälen wir den Stamm, dann reißen wir die Fasern mit den Beinen auseinander – so entstehen unsere Produkte.“

Der Verkauf dieser Werke dient nicht nur dem Einkommen, sondern auch dem Wiederaufforstungsprojekt ihres Volkes. Mit dem Erlös werden Setzlinge gekauft – auch von Embaúba-Bäumen –, um die Wälder in ihren Dörfern wieder aufzuforsten.

Eine Wiederbelebung indigener Gebiete

Die Ausstellung ist eng mit dem Projekt „Hãmhi | Terra Viva“ (Lebendiges Land) verknüpft, das seit 2023 in den Dörfern der Maxakali läuft. Ziel ist es, die durch Viehzucht und landwirtschaftliche Kolonien während der Militärdiktatur (1964–1985) zerstörten Gebiete zurückzugewinnen.

Laut Romero wurden in nur zwei Jahren 100 agroforstliche Gärten mit insgesamt 60 Hektar Fläche sowie 156 Hektar reine Wiederaufforstungsfläche geschaffen. „Früher war das Land komplett mit Gras überwuchert – Überreste einer Politik, die den Maxakali ihre Gebiete entriss und sie zur Zwangsarbeit zwang“, berichtet der Anthropologe.

Ein persönlicher Film – und eine kollektive Erinnerung

Im Anschluss an die Ausstellung fand die Vorpremiere des Films „Yõg Ãtak: Meu Pai, Kaiowá“ (Mein Vater, Kaiowá) statt. Der Dokumentarfilm erzählt die bewegende Suche von Sueli und Maíza Maxakali nach ihrem Vater Luis Kaiowá.

Er war während der Militärdiktatur von seinem Kaiowá-Dorf gewaltsam entfernt und zur Arbeit in andere indigene Gebiete – darunter das der Maxakali – geschickt worden. Dort lebte er 15 Jahre, lernte die Sprache, gründete eine Familie, wurde dann aber erneut von Soldaten verschleppt – diesmal zurück in den Bundesstaat Mato Grosso do Sul.

„Er wurde zu einem wichtigen spirituellen Führer der Kaiowá“, erzählt Romero, der den Film mit inszeniert hat. „Die Wiedervereinigung mit seiner Tochter war ein lang ersehnter Traum.“

Die politische Dimension der Erinnerung

Bei einer anschließenden Diskussion im Garten des Museums betonte die brasilianische Ministerin für indigene Völker, Sônia Guajajara, dass die Geschichte von Sueli kein Einzelfall sei:

„Dieser Film erzählt nicht nur die Geschichte der Maxakali und der Guarani Kaiowá. Er ist ein Spiegel für viele indigene Gemeinschaften, die auseinandergerissen wurden – eine Geschichte staatlicher Gewalt, die immer noch nachwirkt. Diese Wahrheit muss sichtbar gemacht werden, um Gerechtigkeit zu ermöglichen.“

Der renommierte Ethnologe Eduardo Viveiros de Castro sieht in Suelis Suche eine symbolische Wiedergutmachung: „Die Militärdiktatur hat eine neue Verwandtschaft geschaffen – und Sueli hat diese Verbindung bewahrt. Trotz der Gewalt zeigt ihre Geschichte, wie indigene Völker in Solidarität zueinanderfinden können.“

Offizieller Kulturschutz beantragt

Im August wollen die Maxakali einen offiziellen Antrag beim Instituto do Patrimônio Histórico e Artístico Nacional (Iphan) einreichen, um ihre Rituale und Gesänge als immaterielles Kulturerbe Brasiliens anerkennen zu lassen.

„Die Ausstellung war ein Auslöser“, sagt Rafael Barros, Direktor des Museums. „Sie soll zeigen, dass wir es mit einem einzigartigen kulturellen Komplex zu tun haben – lebendig, bedeutend und schützenswert.“

Die Zahl der Maxakali beträgt laut dem brasilianischen Zensus von 2022 rund 2.629 Personen. Sie gehören zu den 19 indigenen Ethnien in Minas Gerais – einem Bundesstaat, in dem ihre Siedlungsregion zu den am stärksten von der Klimakrise betroffenen zählt.
Kultur gegen das Vergessen

Für Rafael Barros ist das Maxakali-Kunsthandwerk nicht nur ein Ausdruck kultureller Identität, sondern ein Überlebensakt:
„Sie mussten ihre Territorien verlassen, um ihre Sprache und Rituale zu bewahren. Diese bewusste Isolation war eine Form des Widerstands. Nur so konnte die Maxakali-Sprache überleben.“

Und heute? Heute ist ihre Kunst mehr als ein Zeugnis der Vergangenheit. Sie ist ein Aufbruch in eine neue Zukunft – selbstbewusst, kraftvoll und endlich gehört.

Weitere Informationen zum Film „Meu Pai, Kaiowá“ finden Sie hier

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