São Paulo, 02. Februar 2008
Es war eine der längsten Nächte in der brasilianischen Wirtschaftsmetropole. Bis zum Morgengrauen dauerten die Paraden im Sambódromo von São Paulo am ersten von zwei Veranstaltungstagen, an denen sich die 14 Schulen der Spezialgruppe und damit höchsten Liga nach monatelangen Vorbereitungen der Öffentlichkeit präsentierten.
Sieben Schulen absolvierten also die Strecke in der Karnevalsarena von Anhembi, und wie immer dauerte es länger als geplant. Aber diese “Verspätungen“ nahmen die Zuschauer gerne in Kauf und feierten auf den Tribünen mit den tausenden an Aktiven unten auf der Paradestrecke bis zum bitteren Ende mit.
Erst kurz nach 23 Uhr machte die Sambaschule Gaviões da Fiel den Anfang und brachte auch direkt das Sambódromo zum Kochen. Nach fast einem Jahr Abstinenz hatten die begeisterten Anhänger auch wirklich wieder eine gehörige Portion Karneval nötig. Danach folgten Acadêmicos do Tucuruvi, Unidos de Vila Maria, Águia de Ouro, Tom Maior, und Rosas de Ouro. Als letzte Schule betrat Nenê de Vila Matilde erst kurz nach 6 Uhr morgens die Arena.
Und alle Verantwortlichen haben sich für den diesjährigen Karneval abermals interessante, luxuriöse, ausgefallene und vor allem farbenfrohe Motive und Kostüme einfallen lassen. Und auch bei den Präsentationen waren wie immer einige Überraschungen dabei. Gleich zu Anfang bei Gaviões da Fiel blickte die Arena auf die 28-jährige Sheila Silva, die im achten Monat schwanger mit knappen Kostüm in Sambaschritten die Strecke absolvierte. Genau in den vorgeschrieben 65 Minuten erreichte der letzte der 4000 Teilnehmer die Ziellinie, wenn auch im Anschluss eine kleine Rangelei entstand, da die Nachhut anscheinend drängelte, um die Tore schliessen zu können. Aber auch dies löste sich schnell im allgemeinen Jubel über eine ansonsten perfekt inszenierte und durchgeführte Parade auf.
Bei den Acadêmicos do Tucuruvi gab es dann bereits die erste Abkühlung. Aber nicht wegen eines schlechten Auftritts. Die Sambaschule verteilte Eis in der Arena und ganze fünf Motivwagen erzählten von der Geschichte des leckeren Speiseeises. Besonders schön anzusehen war bei der Präsentation auch die sog. Begrüssungskommission, die für ihre akrobatischen Einlagen von den Zuschauern mit grossen Beifall bedacht wurde.
Danach wurde es richtig asiatisch. Die Sambaschule Unidos de Vila Maria widmete ihre Vorstellung der japanischen Geschichte über den Lauf der Jahrhunderte. Samurais fehlten genauso wenig wie Geishas. Mit 5.000 Teilnehmern stellte die Schule die grösste Gruppe an diesem Abend. Das Spektakel wurde gekrönt durch einen künstlichen Regen aus silbernen Papierschnipseln.
Bei Águia de Ouro fühlte man sich dann allerdings ein wenig an Tucuruvi erinnert, denn die Schule hatte ebenfalls das Speiseeis als Thema gewählt. Zum zweiten Mal wurde Eis am Stil in der inzwischen wirklich kochenden Arena verteilt. Águia de Ouro wartet jedoch immer mit einer Besonderheit auf. Die Perkussionsgruppe ist nicht in der Mitte des Zuges platziert, sondern direkt nach der Begrüssungskommission. Mit 3.800 Teilnehmern sah das Feld nach dem Auftritt von Vila Maria dann doch etwas bescheidener aus. Zudem platzte von einem Motivwagen der Reifen, so dass dutzende Helfer mit grosser Mühe den Wagen über fast die gesamte Strecke drücken mussten, um noch innerhalb des Zeitlimits die Ziellinie zu erreichen.
Das Wachstum der Wirtschaftsmetropole São Paulos war Thema der Sambaschule Tom Maior. 5 Motivwagen, 21 Kostümgruppen und 3.500 Teilnehmer präsentierten eine Show des Luxus, welche den hohen Stellenwert der Millionenmetropole als brasilianisches Finanzzentrum verdeutlichen sollte. Wie bereits in den vergangenen Jahren war Adriana Bombom abermals die Königin der Perkussionsgruppe. Die Ehefrau von Sambastar Dudu Nobre war in einem extrem knappen Kostüm abermals ein echter Hingucker.
Französisch wurde es dann bei Rosas de Ouro. Natürlich standen die Rosen im Mittelpunkt – auf den Motivwagen und natürlich auch als Kostüm. Allerdings sah man auch Teilnehmer in französischen Kostümen, also in den Farben blau – weiss – rot und angelehnt an die Armeeuniformen, die man auch aus dem Mainzer Karneval kennt. Besonderes Highlight war die Einbindung des erfolgreichen Kinofilms “Das Parfüm“ in die Präsentation. Dafür wurden insgesamt 20 Kilogramm einer wohlriechenden Essenz, die speziell für die Sambaparade entwickelt wurde, in der Arena versprüht. Französisches Flair inmitten von São Paulo, so etwas findet man nur beim Carnaval.
Als letzte Sambaschule betrat Nenê de Vila Matilde die Arena – und langsam wurde es hell. Aber noch immer war das Sambódromo gut gefüllt, die Stimmung riesig. Zum klassischen Samba-Enredo, also dem Musikstück, welches über die gesamte Zeit der jeweiligen Parade immer und immer wieder wiederholt wird, zeigten die Teilnehmer eine folkloristische Präsentation. 3.800 Teilnehmer und riesige Motivwagen verwiesen auf die Wurzeln der brasilianischen Gesellschaft und präsentierten Kulinarisches, Tänze und Persönlichkeiten aus den unterschiedlichen Regionen Brasiliens.
Die Zuschauer in der Arena und natürlich auch vor dem Fernseher erlebten eine wirklich kurzweilige Nacht mit einigen tollen Höhepunkten, die man leider in ganzer Fülle nur vor Ort erleben konnte. Dafür hatten die TV-Zuschauer den Vorteil, näher an den knapp bekleideten oder nur körperbemalten Sambaschönheiten zu sein und diese aus nächster Nähe bei ihren Darbietungen bewundern zu können. Viel Haut gab es allemal zu sehen – der brasilianische Karneval wird dieses Jahr seinem Ruf wieder gerecht und ist nicht nur farbenfroh – sondern auch sehr sexy. All das macht Lust auf mehr – und am heutigen Samstag geht es ja schon wieder weiter. Klicken Sie sich also auch morgen wieder rein bei unserer Sonderberichterstattung über den Carnaval in Brasilien.
Dietmar Lang für BrasilienPortal