Emotionen und großartige Spektakel haben am Samstag (25.) die zweite Nacht der Paraden der Eliteschulen im Sambódromo von Anhembi in São Paulo gekennzeichnet. Für Aufregung und Buhrufe hat aber auch eine Säuberungsaktion der Piste gesorgt, weil sich die fünfte Sambaschule zunächst geweigert hatte, die vom Vorgänger „glitschig“ hinterlassene Avenida zu betreten. Nach knapp einer Stunde ging es dann aber doch weiter.
Den Reigen eröffnete Mancha Verde, die im vergangenen Jahr wieder in die Elitegruppe aufgestiegen ist. Mit ihrer Darbietung hat sie ihren Platz dort bekräftigt. “Zé von Brasilien, ein Name mit vielen Geschichten“ lautete das Thema, das mit 3.200 Komponenten, fünf alegorischen Wagen und 19 Alas kreativ umgesetzt wurde. Den Auftakt hat die Frontkommission mit der Ehrung des Zé Pereira gegeben, einem Schuster, der für den ersten Straßenkarneval Rio de Janeiros im Jahr 1850 verantwortlich gewesen sein soll. Gezeigt wurde der “Josef“ (Kurzname Zé) der Religionen, wie der heilige Josef und der Zé Pilintra aus dem Candomblé, die Zés aus der Geschichte Brasiliens, die Zés aus Kunst und Film und ebenso die des einfachen Mannes. Vertreten waren sie in beeindruckenden Alegorien mit gigantischen, sich bewegenden Skulpturen, die Rauch ausgestoßen und Konfetti ins Publikum geblasen haben.
Den Bundesstaat Bahia, seine Hauptstadt Salvador und seine Bewohner hat Unidos do Peruche ins Anhembi gebracht. Beinahe hat es allerdings so ausgesehen, als würde Unidos do Peruche auf gleich zwei seiner fünf alegorischen Wagen verzichten müssen. Noch in der Aufstellungskonzentration kam es zu Problemen bei den gewichtigen Wagen und mussten Dutzende beim Anschieben helfen. Einmal die Anfangsprobleme überwunden, ehrte Unidos do Peruche mit 2.800 Komponenten die Stadt Salvador, den “Kessel der Rassen, Kultur, des Glaubens und der Freude“, wie es im “enredo“ hieß mit einer eindrucksvollen Parade, die mit der “Freilassung“ von 2.000 Ballons in Taubenform begann.
Der aktuelle Champion der Elitegruppe, Império da Casa Verde, hat auch dieses Jahr wieder für ein beeindruckendes Spektakel gesorgt. Mit luxuriösen Wagen und 2.400 Komponenten hat sie den “Frieden, das Imperium der neuen Ära“ auf die Samba-Avenida gebracht und das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur hervorgehoben. Aufgewaret hat die Eliteschule mit imponierenden Alegorien, wie der zum Thema “Mãe Natureza” (Mutter Natur), der mit Lichteffekten und sich öffnenden Händen geglänzt hat. Investiert hat Império da Casa Verde ebenso in aufwendige Kostüme. Allein das des “Guardião de Paz” (Friedenshüter) hat sechs Monate zur Herstellung beansprucht. Verarbeitet wurden darin 20.000 Kristalle. Wie sehr sich die Teilnehmer für ihre Eliteschule eingesetzt haben, zeigt das Beispiel der „Porta Bandeiro“ und des “Mestre Sala“. Beide haben sich so verausgabt, dass sie einem Zusammenbruch nahe waren und Jéssica Gioz mit der Ambulanz zur Behandlung gebracht werden musste.
Als vierte Sambaschule ist Dragões da Real ins Sambodrom eingezogen. Sie hat sich vom Klassiker “Asa Branca“ von Luiz Gonzaga inspirieren lassen. In dem Lied wird das Leben im trockenen Sertão im Nordosten Brasiliens beschrieben. Den hat die Sambaschule mit seiner sengenden Sonne, der Vegetation, der Kultur und den Menschen eindrucksvoll dargestellt. Auch Dragões da Real hat auf imposante und vor allem detailreiche Alegorien gesetzt, wie bei der Sukkulente Mandacaru, einer typischen Pflanze des Sertão, deren Blüten von 52 Tänzerinnen dargestellt wurden. Bei einem der Alas waren die Komponenten mit Kleidern aus Stroh bestückt, das aus dem Nordosten Brasiliens stammte. Auch für die 220 Mitglieder der Percussiongruppe wurden die typischen Lederhüte aus dem Sertão geholt. Auf Begeisterung beim Pubklikum ist das Samba-enredo gestoßen, das von diesem kurzerhand mitgesungen wurde.
Vai Vai hat mit seiner Parade die vor 30 Jahren verstorbene “Mãe Menininha do Gantois” geehrt, einer der größten Matriarchinnen des Candomblés Brasiliens, einer von den Sklaven aus Afrika nach Brasilien gebrachten Religion. Phantasievoll und mit ausdruckstarken Alegorien dargestellt wurden unter anderem die Schöpfungsgeschichte des Universums und die Gottheiten Afrikas. Der letzte Wagen der Sambaschule stellte das Haus des Candomblé der Maria Escolástica da Conceição Nazaré dar, die als Tochter des Oxum gilt, der Gottheit des Wassers und der Flüsse. Durch den alegorischen Wagen gelangte allerdings Wasser auf die Avenida, was bei der nachfolgenden Sambaschule Beschwerden hervorgerufen hat.
Zunächst weigerte sich der Präsident der Nenê da Vila Matilda die Parade durchzuführen. Er argumentierte damit, dass die Bahn nass, rutschig und deshalb unsicher sei. Von der Vereinigung der Sambaschulen gab es daraufhin eine Säuberungsaktion. Was die Bahn rutschig gemacht hat, ist unbekannt. Zu sehen war eine dunkle, glänzende Schicht. Reporter und Nenê da Vila Matilda sprachen von einer Öl ähnlichen Substanz. Nach knapp einer Stunde ging Teilen des Publikums die Geduld des Wartens aus und es gab Buhrufe. Dann kam aber doch die Freigabe und Nenê da Vila Matilda glänzte mit ihrer Parade über die südbrasilianische Stadt Curitiba. Die hat mit den Ureinwohnern Brasiliens begonnen, über die Afrikaner, die Immigranten, Kultur und den Titel als Öko-Hauptstadt geführt.
Beendet worden ist der Paradereigen der Elitesambaschulen São Paulos von Rosas de Ouro. Die hat dazu eingeladen, am Tisch Platz zu nehmen und mit überschwenglichen Kostümen und eindrucksvollen Alegorien einen Streifzug durch Geschichte und Bedeutng der Kulinarie geboten. Bevor die ersten Mitglieder der Schule auf die Avenida getreten sind, gab es aber noch eine Überraschung: die Hochzeit der Präsidentin der Rosas de Ouro, Angelina Basílio und ihrem Lebensgefährte Sérgio Correia Ferreira. Statt ab in die Flitterwochen ging es danach auf dem alegorischen Wagen über Hochzeitsbankett auf die Avenida des Sambodroms. Von wo aus die Präsidentin ein Dutzend Brautsträuße ins Publikum geworfen hat. Eine weitere Besonderheit war die Beteiligung von Kindern mit Behinderungen in verschiedenen Alas.