In ein Meer von Farben und Emotionen haben die Elitesambaschulen Sonntagnacht das Sambodrom Rio de Janeiros verwandelt. Die erste Nacht der Paraden war geprägt von Reisen durch die Musik, die Natur, die Tropen, den Karneval als göttliche Komödie und dem Aufeinandertreffen der Europäer mit den Ureinwohnern Südamerikas. Getrübt wurden sie allerdings von einem durch einen der alegorischen Wagen verursachten Unfall, bei dem 20 Personen verletzt wurden.
Paraíso do Tuiuti
Mit einer Explosion von Farben hat Paraíso do Tuiuti unter Nieselregen den Auftakt der Paraden im Sambodrom von Rio de Janeiro gegeben. Allerdings war ihre Darbietung zum Thema “Carnavaleidoscópio Tropifágico“ (Tropikalisches Karnevaleidoskop) von einem Unfall überschattet. Der letzte ihrer sechs alegorischen Wagen ist im Eintrittsbereich gegen ein Absperrgitter gestoßen und hat mehrere Menschen gegen dieses gepresst. Acht mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.
Als Folge des Unfalls kam es zu Lücken in der Parade. Damit wird es Paraíso do Tuiuti schwer haben, sich in der Gruppe der Eliteschulen halten zu können, in die sie nach 15 Jahren Abstinenz erst 2016 aufgestiegen ist.
Ihr Thema über die Bewegung “Tropicália“ und das tropische Lebensgefühl hat sie indes mit Bravour und einem farbenprächtigen Spektakel umgesetzt. Aufgewartet wurde mit vielen imposanten Details. Mestre-sala und Porta-bandeiro sind in überschwenglichen, den Onça (Jaguar) symbolisierenden Kostümen aufgetreten. Frauen mit Körperbemalung haben getanzt und schließlich eine “lebende“ Arara gebildet.
Pflanzen, Früchte und Tiere der Tropen, Musikstile und Künstler zogen in den Alas und als prächtige Alegorien über die Avenida. Mit Hybridfiguren anschaulich umgesetzt wurden ebenso die Ideen des Poeten Oswald de Andrade, einem der Pfeiler der Bewegung „Tropicalismo“. Einer der alegorischen Wagen ehrte die Vertreter des Tropicalismus, die Musiker Gilberto Gil und Caetano Veloso.
Grande Rio
Grande Rio hat sich einer der beliebtesten Sängerinnen Brasiliens angenommen, der aus Bahia stammenden Ivete Sangalo. Die ist selbst in der Frontkommission mit aufgetreten und hat tanzend bei der Darstellung ihrer Lebensgeschichte von der Kindheit bis hin zum Erfolg mitgewirkt. Angefangen hat diese mit ihrer Kindheit am Rio São Francisco als “Ribeirinha”. Mit 3.200 Komponenten wurden der Weg zu ihrem Erfolg erzählt und ihre Stationen gezeigt, wie ihrem Konzert in New York.
Einige der 29 Alas haben zudem ihre größten musikalischen Erfolge präsentiert. Auf dem letzten der sechs phantasievoll gearbeiteten alegorischen Wagen war die Sängerin dann noch einmal vertreten, tanzend neben ihrem Mann und Sohn.
Grande Rio hat eine großartige Parade präsentiert und gemeinsam mit Ivete Sangalo “Alegria“, Lebensfreude, versprüht. Quittiert wurde das vom begeisterten Publikum mit stehendem Applaus.
Imperatriz Leopoldinense
Mit einer äußerst eindrucksvollen Parade hat Imperatriz Leopoldinense aufgewartet. „Xingu – O clamor que vem da floresta” (Xingu – Der Glamour des Waldes) lautete ihr Thema, mit dem sie die indigenen Völker des Xingu geehrt hat und gleichzeitig über den Schutz der Natur und die Problematik, wie mit den Ureinwohnern Brasiliens umgegangen wird, aufrütteln wollte. Das ist ihr mit ihren imposanten Alegorien und den ausdrucksstarken Kostümen gelungen.
Die Schule hat sich nicht nur darauf beschränkt bei der Erarbeitung des Themas die Indigenen selbst mit einzubeziehen. Sie hat auch indigene Sprecher und Vertreter der 16 Völker nach Rio de Janeiro gebracht, die im “Parques Indígena do Xingu“ leben. Der ist als erstes Indigenes Territorium Brasiliens vor 55 Jahren eingerichtet worden.
Als berühmteste Persönlichkeit stand der Indio Raoni gemeinsam mit weiteren Repräsentanten der Ethnien auf dem letzten alegorischen Wagen. In einem nach der Parade gegebenen Interview zeigte er sich begeistert von dem Erlebnis auf der Avenida im Sambódromo und von der Ausführung des Themas. Mit seinem Konterfei, der beringten Unterlippe, waren auch die Musiker der Percussionsgruppe ausgestattet.
Mit einem Ala und einer Alegorie geehrt wurde ebenso die Familie Villas Bôas, allen voran Orlando Villas-Bôas, der sich maßgeblich für die Ausweisung des Indioterritoriums und die Indigenen eingesetzt hat. Nicht gespart wurde an der Ausführung der sechs Alegorien. Besonders eindrucksvoll waren ein 30 Meter langer Kaiman und eine gigantische Sucuri (Würgeschlange).
Die wurde vom Kopf eines Weißen gekrönt und zeigte symbolisch in welchem Würgegriff sich die Urvölker des Landes befinden. Die von den Europäern verursachten Probleme wurden ebenso in diversen Alas gezeigt, wie Krankheiten, Kämpfe und die Regenwaldzerstörung. Die Parade war aber ebenso eine Hymne an die überschwängliche Natur des Amazonas-Regenwaldes.
Vila Isabel
Eine Reise durch die Musikgeschichte des amerikanischen Kontinents mit ihren afrikanischen Wurzeln hat Vila Isabel geboten. Im Mittelpunkt stand der Einfluss der Schwarzen, die nicht nur den Samba geprägt haben, sondern ebenso Rock, Pop, Soul und Jazz, wie ebenso die Vermischung der Kulturen.
Aufgewartet hat Vila Isabel mit herausragenden Alegorien, wie einem gigantischen silbernen Schiff, das sich auf Wellen zu bewegen schien und die schwarze Kultur, die Afrikaner mit gebracht hat. Eine andere widmete sich den Rhythmen Argentiniens, wie dem Tango.
Auf Begeisterung beim Publikum stieß der Wagen mit Musikgrößen wie Michael Jackson, Tina Turner, Ray Charles und Stevie Wonder. Die Reise ging ebenso durch die Karibik. Anschaulich gezeigt hat Vila Isabel zudem, wie Musik und Rhythmen aus dem schweren Alltag der Sklaven heraus entstanden ist, indem sie Alas mit Baumwollpflückern und Tabakpflanzern auftreten lies.
Acadêmicos do Salgueiro
Mit einer kleinen Verzögerung ist Acadêmicos do Salgueiro auf die Avenida des Sambodroms getreten. Weil durch einen der Wagen des Vorgängers Öl auf die Bahn gelangte, hatte sich der Präsident der Schule zunächst geweigert, die Parade zuzulassen. Mit Sägespähnen wurde die Avenida jedoch schnell gesäubert und dem Spektakel der Acadêmicos do Salgueiro über die göttliche Komödie stand nichts mehr im Wege.
Inspiriert am Klassiker des Italieners Dante Alighieri hat die Eliteschule das Thema karnevaleskisch dargestellt und die Frontkommission mit Harlekin und Teufel auftreten lassen, die schließlich ihre zweite Seite gezeigt haben, die eines Engels. War der erste Teil der Parade in roten und dunklen Farben gehalten, ging es nach dem Fegefeuer in hellen Farben schließlich zum Paradies über.
Acadêmicos do Salgueiro galt im Vorfeld nicht als Favorit, hat die Parade aber ohne sichtliche Probleme gut gemeistert und mit eindrucksvollen Alegorien und Kostümen aufgewartet. Sie ließ die Nymphen Edens tanzen, brachte die Wildnis der Versuchungen auf die Avenida und ebenso Paradiesvögel.
Beija-Flor de Nilópolis
Der 1865 von José Alecar veröffentlichte Klassiker der brasilianischen Literatur “Iracema“ hat die Grundlage für die Parade der traditonsreichen Beija-Flor de Nilópolis gebildet. Die Geschichte beschreibt eine Legende des Bundesstaates Ceará, eine Romanze des Kolonialherren Martim mit der Indiofrau Iracema und ebenso das Zusammentreffen der Natur mit der sogenannten Zivilisation.
Hervorgegangen ist aus der Verbindung der Geschichte nach der erste Mestiz Brasiliens.
Präsentiert hat die Sambaschule die Romanze in Form einer Oper mit imposanten Alegorien, wie der des Waldes, bei dem sich von Affen und Vögeln bevölkerte Bäume und Blätter bewegt haben.
Bei ihren Alas hat Beija-Flor es gewagt statt auf Einheitlichkeit auf Vielfalt zu setzen. So haben sich die Kostüme zu einem Thema in etlichen Details voneinander unterschieden. In den Kostümen sollen eine halbe Tonne Samen aus dem Nordosten Brasiliens verarbeitet worden sein.