Glauben, Musik, die Kultur Afrikas und Marokkos und der Lebensquell Wasser haben in der zweiten Nacht der Paraden Rio de Janeiros den Ton angegeben. Traurigerweise war auch diese durch einen Unfall überschattet, bei dem 21 Menschen verletzt worden sind, als sich die Struktur eines der alegorischen Wagen eingestürzt ist.
União da Ilha do Governador
Für jede Menge Emotionen hat União da Ilha do Governador gesorgt. Das lag nicht nur an der herausragenden Umsetzung ihres Themas, mit dem die Mythologie und die Candomblé-Religion des Bantuvolkes Angolas ins Sambodrom gebracht wurde. Aufregende Minuten hat auch einer der Wagen verursacht.
Der hatte Probleme, auf die Bahn zu gelangen. Nachdem dies mit Hilfe von dutzenden Anschiebern gelungen war, galt es die entstandene Lücke zu schließen. Dann fielen die Lichter aus. Im Austrittsbereich blieb er schließlich gänzlich stehen und blockierte diese. Nur in letzter Sekunde schafften sie es, den Wagen so zur Seite zu schieben, dass schließlich die letzte Alegorie auch noch vorbei passte und das Tor gerade noch rechtzeitig geschlossen werden konnte.
Abgesehen davon hat der Carnavalesco Severo Luzardo die Mythologie über die Macht der Zeit und die Schöpfung der Welt meisterhaft umgesetzt. Dem Neuling ist eine äußert poetische Version gelungen, was ebenso die sechs beeindruckenden Alegorien und Kostüme der 3.400 Komponenten betrifft.
Für Aufsehen sorgte auch der 18 Meter hohe alegorische Wagen “Die Zeit der Schöpfung“. União da Ilha do Governador hat Krieger auf die Avenida geführt, die Elemente Luft, Wasser, Erde, Feuer, die Natur und die Magie Afrikas und einen mitreißenden Samba präsentiert. Wären da nicht die Probleme mit einem der Wagen gewesen, hätte sie eine glänzende Leistung erbracht.
São Clemente
Statt auf Gigantismus und ausgefeilte Technik hat São Clemente auf die Karnevalstradition Rio de Janeiros gesetzt. Eingebüßt hat das Spektakel dadurch nichts. Vielmehr hat die erfahrene Carnavalesca Rosa Magalhães mit Ironie und Witz die Geschichte vom Sonnenkönig Frankreichs erzählt, wie dieser erkennt, dass er von seinem Minister übers Ohr gehauen wurde.
Angefangen bei einem Ball am Hofe ging es zum Bau des Palastes Vaux le Vicomte, der mit einem alegorischen Wagen dargestellt wurde, auf dem das einfache Volk wie in der Tretmühle arbeitete, bezahlt vom Geld, das der Minister dem König gestohlen hat. Die Geschichte führte weiter bis zum Gefängnis und dem Bau des Schlosses Versailles. Mit einfachen Mitteln hat São Clemente besondere Effekte erzielt, hat die Gärten des Palastes mit Alegorien und Alas aufmarschieren lassen und ebenso Bankette am Hof, Brunnen und andere Details.
Jede Ähnlichkeit mit der Korruption in Brasilien sei reiner Zufall, hieß es im Vorfeld augenzwinkernd. Dass es letztlich aber das Volk ist, das unter der Geldsucht der Mächtigen und Korrupten leidet, hat die Sambaschule humorvoll und eindrucksvoll aufgezeigt.
Mocidade Independente de Padre Miguel
Mocidade Independente de Padre Miguel hat mit einem farbenfrohen Spektakel Marokko und die tausendundeine Nächte auf die Samba-Avenida gebracht und damit das Publikum nicht nur in die reichhaltige arabische Kultur entführt, sondern ebenso die Botschaft nach mehr Toleranz und gegenseitigen Respekt hinterlassen. Sie hat aber auch das Publikum in den Bann gezogen.
Mit Ah- und Oh-Rufen wurden die Spezialeffekte der Frontkommission quittiert, bei der Aladin auf dem fliegenden Teppich abgehoben hat. Geschehen ist das nicht wirklich, auch wenn es so ausgesehen hat. Um den Effekt zu erreichen wurde vielmehr eine Drohne mit dem Konterfei des Aladinakteurs verkleidet und mit einem “Teppich“ bestückt.
Bei den sechs alegorischen Wagen stach besonders die über den Bodenreichtum Marokkos hervor. Dargestellt wurde dies mit Alibaba und den 40 Räubern, die immer wieder im Felsen verschwunden sind. Auch die Gelehrsamkeit und das Wissen des arabischen Volkes wurden mit einer Alegorie bedacht.
Allerdings gab es auch bei der Parade von Mocidade ein Problem. Auf einem der alegorischen Wagen hat sich ein Podest gelöst, auf dem eine Tänzerin gestanden hat. Diese ist in die Tiefe gefallen, soll sich aber nicht groß verletzt haben und wohlauf sein, wie es hieß. Videoaufnahmen zeigen, dass sie glücklicherweise auf dem unteren Teil des Wagens gestanden hatte.
Unidos da Tijuca
Es hätte eine bunte Reise durch die Musik Amerikas werden sollen. Die Parade der traditonsreichen Unidos da Tijuca und dem Vorjahresvize wurde allerdings von einem Unfall überschattet. Am Eintritt der Avenida hat sich beim Wagen, der die Musikgeschichte New Orleans darstellen sollte, zu Beginn der Parade die innere Eisenstruktur gesenkt und ist der Aufbau des obersten Geschosses in sich zusammen gekippt. Mehrere Menschen wurden darunter begraben und 21 verletzt. Fünf mussten ins Krankenhaus gebracht werden, zwei sind schwer veretzt.
Während die Rettungskräfte die Opfer bargen, mussten die Teilnehmer der Alas an der Seite des Wagens vorbei, um keine zu großen Lücken entstehen zu lassen. Etwa 25 Minuten blockierte die Alegorie die Strecke und den Eintritt weiterer Wagen, bis Feuerwehr, Teilnehmer und Direktoriat über eine Freigabe entschieden. Sitzend und von Feuerwehrlern gesichert haben die Personen der Alegorie schließlich die Parade zu Ende gebracht. Der Aufbau dieser war dadurch hingegen durcheinander geraten. Auch wurde die Zeit um eine Minute überzogen.
Die über 3.500 Komponenten und Tänzer haben dennoch versucht, ihr Bestes zu geben und die musikalische Verbindung der USA mit Brasilien präsentiert. Sie verglichen die Musik der “caipiras“ (Landbevölkerung) mit der Country Musik Amerikas, erinnerten an die gemeinsamen Wurzeln durch die afrikanischen Sklaven, präsentierten den Choro und den Soul, den Jazz und Sertaneja und haben ebenso Musikgrößen ins Sambodrom gebracht. Als Elvis ist die Percussiongruppe aufgetreten. Mit dabei waren ebenso Michael Jackson mit Thriller, Beyoncé, Diana Ross und Ella Fitzgerald.
Portela
Einen makellosen Auftritt hat Portela geliefert. Der Halter von 21 Titeln hat das Wasser der Flüsse in den Mittelpunkt seiner Parade gestellt. Carnevalesco Paulo Barros hat im Vorfeld schon eine herausragende Umsetzung versprochen. Das hat er gehalten. Inspiriert an dem Samba-Klassiker “Foi um rio que passou em minha vida“ (Es war ein Fluß, der in meinem Leben floss) hat Portela berühmte Flüsse der Welt ins Sambodrom geholt, Mythen und Gottheiten des Wassers präsentiert und ebenso an den Schutz des Lebensquells erinnert.
Aufgewartet hat Portela mit etlichen herausragenden Details. Bei der Frontkommission ist eine mit 20.000 Litern Wasser gespeiste Stromschnelle von den Tänzern eingenommen worden, die mit dem Wasser buchstäblich verschmolzen sind, während auf ihren Rücken Fische gegen den Strom geschwommen sind. Bei der Alegorie über den heiligen Fluss des Sonnenhauses der Inkas kam Wasser aus den Kostümen der mythischen Figuren. In diversen Alas haben die Teilnehmer berühmte Flüsse der Welt dargestellt, wie Nil, Kongo, Mississippi und die Donau.
Eindrucksvoll umgesetzt hat die Sambaschule die Bedrohung der Flüsse und Quellen durch den Menschen. Als trauriges Beispiel diente der Rio Doce, in den sich durch den Dammbruch des Eisenbergbau-Unternehmens Samarco eine gigantische Schlammlawine ergossen hat. Die Tragödie wurde auf einem der alegorischen Wagen von einer gigantischen Figur beweint.
Estação Primeira Mangueira
Als letzter ist der Champion von 2016 auf die Samba-Avenida eingezogen, Estação Primeira Mangueira. Der Vorjahressieger hat mit Witz und Einfallsreichtum die Religiösität und die Bedeutung des Glaubens im Leben der Brasilianer dargestellt. “Nur mit der Hilfe des Heiligen“ lautete ihr Thema. Als Heilige ist auch die Percussiongruppe aufgetreten. Sie waren als Heiliger Franziskus gekleidet.
Dem Sankt Georg wurde ein alegorischer Wagen mit einem gigantischen Drachen gewidmet und dem Heiligen Mann oben auf. Vertreten waren ebenso die Gottheiten des Candomblé, die Orixás. Die in Brasilien mit den Heiligen der katholischen Kirche verschmolzen sind. Ein besonderer Effekt wurde beim alegorischen Wagen “Licht der Orixás“ mit Spiegeln erzielt. Sie haben die bereits aufgehende Sonne widergespiegelt.
Diverse Alas haben berühmte Wallfahrten Brasiliens dargestellt, wie die zur „Nossa Senhora do Nazaré“, die jährlich Millionen Gläubige anzieht. Vertreten war ebenso „Nossa Senhora da Aparecida“.
Ganz perfekt war die Parade Mangueiras allerdings nicht. Auch sie hatte Probleme mit einem Wagen. In einem Rad hatte sich eine Plastikfolie verfangen und dieses blockiert. Durch den Stillstand des Wagens ist eine große Lücke in der Parade entstanden. Mit Punktabzügen muss die Sambaschule deshalb rechnen.
Die wenigen Sambaschulen, die die Strecke ohne Probleme zurücklegen konnten, haben somit die besten Aussichten auf den begehrten Titel der Sambaschulen.