Wenn in “Sapucaí“ eine Parade ansteht, ist für die Mitglieder einer Sambaschule folgendes unerlässlich: Ihre Schuhe. Denn niemand will – nach einer Präsentation von mehr als einer Stunde – mit Blasen und schmerzenden Füßen am Ende der Avenida ankommen. Neben der Bequemlichkeit wird auch auf die Schönheit des Schuhwerks geachtet, insbesondere bei Stars, welche die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen, zum Beispiel “Passistas, Musen und Highlights“.

Hier kommt der Schuhmacher Pedro ins Spiel, der seit 60 Jahren Sandalen für verschiedene Karnevalsvereine in Rio herstellt. Absatz, Innensohle, Plateau – alles wird von ihm hergestellt, und er ist stolz darauf, ein solides und sicheres Material, das besonders verstärkt ist, um jegliche Art von Problemen im “Sambadrom“ zu vermeiden.
Einst ging mal mitten in der Parade die Sandale einer Trommelkönigin kaputt, und man versuchte, Pedro zu beschuldigen. Prompt kamen mehrere Leute herbei, um den Schuhmacher zu verteidigen – denn das zerbrochene Produkt war nicht von ihm hergestellt worden!
Ein guter Ruf, den er sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, seit er als Junge sein Handwerk in der “Stadt Juiz de Fora“ (Minas Gerais) erlernte, wo er geboren wurde und mit seiner Familie lebte. „Ich war sieben Jahre alt. Ich brachte meinem Vater das Mittagessen und traf an der Bushaltestelle eine Frau. Sie bat mich, ihrem Mann in der Schuhfabrik das Mittagessen zu bringen. Ich fing an, mein Geld zu verdienen – sah mich in der Fabrik um und es gefiel mir“, erinnert sich Pedro.
„Als ich 9 Jahre alt war und mein Bruder 11 Jahre alt, begann ein Herr uns zu unterrichten. Mit etwa 10 Jahren konnte ich bereits den hinteren Teil eines Schuhs erstellen und mein Bruder den vorderen Teil.“
Als er seinen Vater verlor, beschloss Pedro, nach Rio de Janeiro zu gehen, um dort nach Möglichkeiten zu suchen, seiner Familie zu helfen. Damals war er 15 Jahre alt. Mit der Hilfe von Freunden produzierte er Schuhe für Mitglieder des Blocks “Cacique de Ramos bloco“.
Dann zog er weiter zur “Portela“. In dieser Schule wurde er bekannter und wurde zu einem der wichtigsten Schuhmacher. Trotz aller Entbehrungen sammelte er Erfahrung, Kunden und bekam einen prestigeträchtigen Namen. Er betont gerne, dass er die Sandalen für die letzten drei Karnevalsköniginnen gemacht hat, die mit Preisen ausgezeichnet wurden. Er richtete sogar eine Fabrik ein, in der er zwischen 2.000 und 3.000 Paar pro Monat herstellte.
Heute ist die Arbeit anders. Er hat ein kleineres Unternehmen mit sechs Angestellten, aber mit einer besonderen Kundschaft und einer personalisierten Produktion. „Bei “Beija-Flor“ zum Beispiel arbeite ich seit 20 Jahren. Ich mache immer noch die Schuhe und Stiefel für die Tänzer*Innen und Fahnenträger. Ich werde wohl diese Sambaschule kaum je verlassen!
In der Sambaschule “Imperatriz“ war er der einzige “Meister“. Die Sandalen der Trommelkönigin hat er dort hergestellt – ebenso wie die der Fahnenträger. Der Präsident ließ sich von ihm viele Schuhe anfertigen. Es war sehr schön, wir waren zusammen, mit mir als Meister. Es war toll – unsere Freundschaft wächst mehr und mehr“!
Freude an der Arbeit
Damit im “Sambadrom“ auch alles gelingt, befinden sich Tausende von Arbeitern hinter den Kulissen und bereiten das Fest vor. Neben dem Schuhmacher Pedro gibt es weitere Fachleute, die dafür sorgen, dass die Kostüme die Zuschauer begeistern.
„Als ich 18 oder 19 war, arbeitete ich für ein Stahlunternehmen“ erzählt eine junge Frau“, das war aber nichts für mich. Ich fühlte mich wie eine Gefangene, die dort erstickt wurde. Ich stamme aus einer Familie von Näherinnen, und ich hatte eine Begabung für diese Art Arbeit. Eines Tages wurde ich eingeladen, an den neuen Karnevalskostümen zu arbeiten. Dort sah ich einen Kostümkopf, den man verändern und verwandeln konnte. Am nächsten Tag sah der Verantwortliche, was ich gemacht hatte, und war begeistert“, sagt die junge Frau Edvira.
Die Kostümbildnerin betont, dass der Beruf ein ständiges Studium erfordere, vor allem mit einem breiten Wissen über Geschichte – Wissen über Geschichte?
Edvira nennt als Beispiel den Prozess der antiken ägyptischen Kostüme, bei denen sie die kulturellen, ästhetischen und sozialen Details der Vergangenheit kennenlernte. Es ist auch wichtig, das Wissen jeden Jahr zu aktualisieren, denn Karnevalsdesigner und -künstler müssen stets innovativ sein, damit ihre Schule im Sambadrom hervorsticht.

„Die Karnevalsdesigner äußern einen Wunsch. Sie schlagen vor, verschiedene Materialien zu wählen. Wenn das Outfit futuristisch ist, muss man nach etwas suchen, das ihm einen Hightech-Charakter verleiht. Wenn es zu kompliziert zu machen ist, suchen wir nach einem verspielteren Material.
Etwas Verrücktes, das noch nie jemand verwendet hat. Wir könnten zum Beispiel ein verstecktes Licht anbringen, um ihm einen anderen Effekt zu verleihen“, erklärt Edvira. Es ist ein Beruf, den ich auf eine Weise ausüben kann, die mich erfüllt und mir viel Befriedigung verschafft“.
Strukturen
Kreativität und harte Arbeit stecken in den Schuhen, den Kostümen, aber auch in den Wagen, die den Sambadrom durchqueren. Nildo Paris ist Schmied und beteiligt sich am Bau der Strukturen und der Technik, welche die Dekorationen auf den Wagen betreffen. Der gesamte Herstellungsprozess dauert durchschnittlich sieben Monate und bezieht Fachleute aus verschiedenen Bereichen am Fließband mit ein.
Die Wagen werden aus Lastwagen- oder Busfahrgestellen entsprechend umgebaut. Nach der Ausarbeitung der mechanischen Struktur wird das Fahrgestell so angepasst, dass es dem Gewicht der Wagen standhalten kann. und es sind die Schmiede, die das Fahrgestell bearbeiten.

„Jedes Jahr gibt es etwas Neues. Nicht nur mit Handarbeit, sondern durch die Kombination der manuellen Technik mit dem Motor und dem Roboterteil. Es ist eine Kombination von Ideen.
“Der Karnevalsdesigner übergibt uns das Projekt, wir tauschen Ideen aus und sehen, was das Beste für die Schule ist – das Ergebnis der Arbeit, das Stück, das er haben willl. Bis wir zu einem allen zusagenden Ergebnis kommen“.
Neben Nildo arbeiten durchschnittlich 60 Schmiede allein an der Herstellung der Strukturen. Diese Gruppe hat genug Erfahrung gesammelt, um an zwei der größten Feste des Landes teilzunehmen: Dem Karneval in Rio und dem Festival von Parintins, einer Gemeinde im Inneren des Amazonas.
Während es im Norden des Landes nur zwei Konkurrenten gibt, der “Boi Garantido“ und der “Boi Caprichoso“, nehmen in Rio de Janeiro 12 Schulen am Wettbewerb teil. Vier von ihnen werden dieses Jahr mit Teilen und Material teilnehmen. das von der Schmiedegruppe gebaut wurde“!
Auf diese Weise können sich die Schmiede als wichtiger Teil des technologischen und kulturellen Austauschs zwischen dem Norden und dem Süden des Landes betrachten. Ihre Arbeit ist verbunden mit einem kollektiven Getriebe, das zwei der wichtigsten Feste des Landes möglich macht
„Die gleiche ausgefeilte Technik, die wir in Parintins anwenden, kommt auch in Rio zur Anwendung – die Struktur, die Technik, das Finish! Es gibt eine kulturelle Anpassung der Technik zwischen den Städten Parintins und Rio de Janeiro“, sagt Nildo. „Das Wissen kommt von beiden Seiten. Wir bringen es aus dem Amazonas mit und setzen es dann in Rio ein. Es ist ein Austausch der Künste, der ein wunderbares Ergebnis im Sambadrom hervorbringt“, unterstreicht er.