Es sind nur noch wenige Tage, dann treffen zwei ehemalige Kollegen als Konkurrenten in Recife aufeinander: Um 18:00 Uhr deutscher Zeit trifft die National-Elf von Jogi Löw in der Itaipava Arena Pernambuco auf das US-Team von Trainer Jürgen Klinsmann. Neben vielen Fußballfans werden mit großer Sicherheit auch Angela Merkel, Franz Beckenbauer und Sebastian Vettel am Spielfeldrand das deutsche Team anfeuern – als Bonecos Gigantes, riesigen Puppen aus Pappmaché, die auf keinem Volksfest in Recife fehlen dürfen.
Recife ist die Hauptstadt des Bundesstaates Pernambuco, der an der Nordostküste Brasiliens liegt. Aufgrund ihrer ca. 50 Kanäle und 39 Brücken wird die Stadt auch oft als „Venedig Brasiliens“ bezeichnet. Recife, was zu deutsch “Riff“ bedeutet, verdankt seine zahlreichen Brücken und Kanäle den Holländern, welche die Sümpfe und Inseln erst bewohnbar gemacht haben. 1654 fiel die Kolonie jedoch wieder zurück an die Portugiesen, die fortan die Region kontrollierten. Noch heute ist die 1,6 Millionen Einwohner zählende Stadt ein Schmelztiegel der Kulturen, was sich auch in den verschiedenen Tanz- und Musikstilen wie Frevo, Maracatú oder Mangue Beat zeigt. Also jede Menge Entdeckungspotential für einen Rundgang durch die Metropole des Nordostens.
Vom Nullpunkt aus durch die Stadt
Nach einem reichhaltigen Buffet de Almoço (Frühstücksbuffet) in einer der zahlreichen Padarias der Stadt – einer Mischung aus Bäckerei, Restaurant und Café – geht es auf Erkundungstour durch Recife. Einer der wichtigsten Plätze der Stadt ist der direkt am Meer gelegene Marco Zero, der sogenannte Nullpunkt Recifes. Hier soll Recife gegründet worden sein. Noch heute entfaltet der Platz buchstäblich Strahlkraft, indem zahlreiche Hauptstraßen der Stadt sternförmig von ihm ausgehen. Marco Zero ist Schauplatz vieler großer Veranstaltungen, unter anderem während des in Recife so heiß geliebten und frenetisch gefeierten Straßenkarnevals. Auf dem Platz können zudem Statuen von Francisco Brennand, einem zeitgenössischen brasilianischen Bildhauer, bewundert werden. Wer nicht genug von den Skulpturen bekommen kann, der sollte der Oficina Brennand einen Besuch abstatten, wo die Keramikskulpturen des Künstlers in einem wunderschönen Park gezeigt werden.
Noch mehr Kultur und Stadtgeschichte gibt es im Stadtmuseum von Recife, dem Forte de São Tiago das Cinco Pontas. Die Festung wurde 1630 errichtet und ist eines der letzten Gebäude aus der Zeit der Niederländer. Nur 10 Minuten Fußweg vom Stadtmuseum entfernt, findet sich ein weiteres bauliches wie kulinarisches Highlight, der Mercado São José. Der Markt wurde 1875 eröffnet und ist somit einer der ältesten Märkte Brasiliens. Als eine der ersten Metallkonstruktionen des Landes wurde der Mercado São José nach dem Vorbild der Pariser Markthallen erbaut. Insgesamt 545 Stände locken mit ihren vielfältigen Waren, aber auch Leckermäuler kommen auf ihre Kosten. Das erste Hungergefühl lässt sich wunderbar mit einem Caldinho, einem Süppchen aus Bohnen, Krebs oder Fisch, bekämpfen. Wer noch nicht genug vom Shoppen hat, sollte der Casa da Cultura einen Besuch abstatten. Sie war ursprünglich das Gefängnis der Stadt und wurde in eines der größten Zentren für Kunsthandwerk umgewandelt. Die 150 ehemaligen Zellen beherbergen nun kleine Läden, die zahlreiche Waren wie Stickereien, Skulpturen oder Kleidung anbieten.
Ó linda – Ein Besuch in der schönen Barockstadt
Ein absolutes Muss ist ein Abstecher in Recifes Nachbarstadt Olinda, das 1982 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen wurde. Das ca. 10 km entfernte Olinda, dessen Name auf den Ausspruch Ó linda („Oh wie schön“) zurückgehen soll, ist eine der ältesten Kolonialstädte Brasiliens und besticht durch seine farbenfrohe, barocke Architektur. In der Mittagshitze ist der Aufstieg zum historischen Stadtzentrum von Olinda, der Cidade Alta, zwar mühsam, doch entschädigt der wunderschöne Ausblick auf die Skyline von Recife. Hier verkaufen vor der Catedral Sé de Olinda viele Köchinnen Tapiokapfannkuchen aus dem Mehl der Maniokwurzel. Ein – oder besser zwei – dieser Leckereien können entweder süß oder salzig genossen werden. Ein eiskalter Caldo de Cana, ein Zuckerrohrsaft mit einem Spritzer Limettensaft und zerstoßenem Eis, darf nicht fehlen, ist Brasilien doch der größte Produzent des Zuckerlieferanten.
Strandfeeling an der Copacabana des Nordostens
Ein Besuch des Stadtstrands von Recife, der Praia de Boa Viagem, rundet die Tour ab. Da man den Strand als Copacabana des Nordostens bezeichnet, gilt auch bei den Recifenses das Mantra der Carioca: Sehen und gesehen werden. Wer noch zu viel Energie hat, der kann sich mit einer Partie Beachvolleyball austoben oder einen Spaziergang entlang der Strandpromenade von Boa Viagem machen. Nach einem sonnigen Nachmittag am Strand laden die vielen Restaurants und Bars des Viertels dazu ein, den Abend mit einem Chope zu starten, einem frischgezapften Bier, dessen Bezeichung auf das deutsche Wort Schoppen zurückgehen soll. Perfekt dazu passen Petiscos, verschiedene Snacks, die man sich aus der reichen Auswahl an brasilianischen Vorspeisen wie etwa Bolinhos de Bacalhau oder Empadinhas de Queijo aussuchen kann.
Gestärkt durch ein abwechslungsreiches Abendessen endet der Tag mit einem Abstecher zur Rua da Moeda in Recife Antigo. Hier treffen sich die Recifenses in und vor allem vor den vielen Bars und Clubs und machen die Nacht zum Tag. Jeden Dienstag lockt jedoch ein besonderes Spektakel in die Altstadt von Recife: An der Terça Negra, dem schwarzen Dienstag, treffen sich auf dem Pátio de São Pedro verschiedene Capoeira-Kämpfer in einer offenen Roda, dem Kreis, in dem Capoeira gespielt wird. Jeder, der möchte und sich traut, darf an der Roda teilnehmen – oder einfach nur die beeindruckenden Kunststücke der Capoeiristas bestaunen.