Als ich durch die farbenfrohen Straßen von Salvador spazierte, konnte ich ihnen nicht entkommen: den kleinen bunten Stoffbändern, die überall zu sehen sind – an den Handgelenken der Menschen, an Zäunen, an Kirchengittern, ja sogar als Muster auf T-Shirts, Taschen oder Geschirr. Diese „fitinhas do Bonfim“, wie man sie hier nennt, sind weit mehr als nur ein touristisches Souvenir. Sie sind ein tief verwurzeltes Symbol des Glaubens, der Hoffnung und der bahianischen Identität. Und ich habe sie nicht nur gesehen – ich habe sie erlebt.

In der Basilika do Senhor do Bonfim, einem der spirituellsten Orte der Stadt, begegnete ich den fitinhas auf die eindrücklichste Weise: Hunderte, nein, tausende davon, in allen Farben, festgebunden an die Eisengitter vor der Kirche. Ein Meer aus Gebeten und Wünschen, das sich im Wind bewegte. Ich konnte nicht anders, ich wollte es selbst spüren. Eine Verkäuferin bot mir eine Auswahl an. Ich entschied mich für ein weißes Band – die Farbe von Oxalá, der im Candomblé dem Senhor do Bonfim entspricht.
Ich lernte, dass man das Band zweimal um das Handgelenk wickelt, dann mit drei Knoten festbindet – und mit jedem Knoten einen Wunsch ausspricht. Leise. Geheim. Denn nur so, sagt man, erfüllen sich die Wünsche – aber erst, wenn das Band sich von selbst löst. Meine Geduld ist nun gefragt.
Was ich vorher nicht wusste: Diese Tradition reicht weit zurück. Bereits 1809 wurde die erste „Medida do Bonfim“ geschaffen – ein Baumwollband, so lang wie der rechte Arm der Jesusstatue in der Basilika, genau 47 Zentimeter. Damals trug man es als Kette mit Heiligenbildchen und Amuletten. Über Jahrzehnte geriet das Band fast in Vergessenheit – bis es in den 1950er-Jahren wieder auftauchte, als farbenfrohes Souvenir für die ersten Touristen.
Heute sind die fitinhas nicht nur Ausdruck katholischen Glaubens, sondern auch eng verwoben mit dem afrobrasilianischen Erbe, insbesondere mit dem Candomblé. Jede Farbe steht für einen Orixá, eine spirituelle Gottheit. Blau für Ogum, Rot für Iansã, Gelb für Oxum – und so weiter. Diese Vielfalt macht sie nicht nur zu einem Glaubenssymbol, sondern auch zu einem farbenfrohen kulturellen Bekenntnis.
Ich begegnete der fitinha überall – nicht nur an Menschen, sondern auch als Designmotiv: auf Keramik, Kleidung, in Souvenirshops. Und sogar im Luxussegment: Ein bekannter Designer aus Bahia, Carlos Rodeiro, hat sie als edle Armbänder mit Edelsteinen interpretiert – ein Kontrast zur Einfachheit der ursprünglichen Baumwollbänder, der mir zu denken gab.
In Gesprächen mit Einheimischen erfuhr ich, dass die Bänder regelmäßig an der Kirche eingesammelt und in einer religiösen Zeremonie verbrannt werden – ein symbolisches „Zurückgeben“ der Wünsche, damit Platz für neue entsteht.

Am letzten Tag meines Aufenthalts sah ich ein kleines Mädchen, das ihre eigene fitinha festband – mit ernster Miene und geschlossenen Augen. Ich erkannte mich in ihr wieder, vor ein paar Tagen. Auch ich hatte gebunden, gewünscht, gehofft. Und ich nahm nicht nur ein Stück Stoff mit nach Hause, sondern eine Erfahrung, ein Ritual, das sich tief in meine Erinnerung eingebrannt hat.
Wenn du je nach Salvador kommst – nimm dir Zeit für diesen kleinen Moment. Binde eine fitinha. Mach drei Wünsche. Und warte ab, was passiert.
Até breve em Salvador da Bahia – Fernando
Das Armband steht auch für die typisch afrikanischen Wurzeln Bahias und wird von vielen als Talisman betrachtet. Es wird in verschiedenen Farben verkauft, wobei jede Farbe einen bestimmten Orixá (Gottheit aus dem Candomblé) symbolisiert. Hier ein Überblick:
- Grün (hell oder dunkel): Oxóssi
- Hellblau: Yemanjá
- Gelb: Oxum
- Dunkelblau: Ogum
- Bunt oder Rosa: Ibeji (erê) und Oxumaré
- Weiß: Oxalá
- Lila: Nanã
- Schwarz mit roter Schrift: Exú und Pombagira
- Schwarz mit weißer Schrift: Omulu und Obaluaê
- Rot: Iansã
- Rot mit weißer Schrift: Xangô
- Grün mit weißer Schrift: Ossain
Es ist wichtig zu erwähnen, dass viele der Orixás im Candomblé symbolisch mit katholischen Heiligen verbunden werden: Nossa Senhora da Conceição (Unsere Liebe Frau von der Unbefleckten Empfängnis) entspricht etwa Yemanjá, Santo Antônio (der heilige Antonius) Ogum, und Senhor do Bonfim wird mit Oxalá gleichgesetzt.