Rio 2016: 630 Klempner und Eletriker sollen Athletendorf bewohnbar machen

Olympisches Dorf - Foto HeusiAction/rio2016.com
Olympisches Dorf – Foto HeusiAction/rio2016
Zuerst hat sich die australische Delegation geweigert, ihre Apartments im “Vila Olímpica“ zu beziehen. Dann kamen Beschwerden von den Argentiniern, Briten, Schweden und auch den Neuseeländern. Auch sie haben die Unterkünfte wegen mangelnder Strom- und Wasserinstallationen und anderen Problemen als unbewohnbar eingestuft. Jetzt wird mit Hochdruck an den Reparaturen gearbeitet.

Es hätte eine schöne Eröffnungszeremonie werden sollen. Dann wurde daraus ein Debakel. Statt einzuziehen, hat die australianische Delegation ihre Koffer gepackt und ist ausgezogen und bei der feierlichen Eröffnung am Sonntag (24.) standen Reklamationen im Mittelpunkt.

Freiliegende Stromkabel, undichte Rohre, Verstopfte Toiletten, Gänge ohne Beleuchtung, verdreckte Böden, ein starker Gasgeruch und mangelnde Sicherheit sind einige der Beschwerden. Es soll einen Kurzschluß gegeben haben und die Geschäfte in der Anlage am Sonntag wegen fehlenden Stroms geschlossen gewesen sein.

In einem Interview am Sonntag hat die australianische Delegationsleiterin Kitty Chiller eingeräumt, dass es in allen olympischen Dörfern Probleme gebe. Es sei schwierig auf einmal beinahe 20.000 Menschen unterzubringen. Sie hat aber auch klar gestellt, dass sie noch nie einen solchen Zustand wie in Rio de Janeiro gesehen hätte.

Dabei geht es nicht um die Anlage an sich, die mit ihren Parkanlagen, Swimmingpools, Seen, 3,8 Kilometer Radwegen und Fitnessplätzen auf ein breites, positives Echo stößt. In der Kritik stehen etliche der Apartments des Athletendorfes, das eigentlich eine Stadt ist.

Die Zahlen der über 2,9 Milliarden Reais teuren und privat erstellten Anlage (umgerechnet derzeit etwa 817 Millionen Euro) sind gigantisch. In knapp vier Jahren haben 18.000 Arbeiter 31 Gebäude mit 17 Stockwerken erstellt. 430.000 Kubikmeter Beton sind geflossen, 43.000 Tonnen Stahl wurden verbaut, 360 Kilometer Rohre verlegt und 7,5 Kilometer Kabel. Bis Ende September sollen dort 17.950 Athleten, Trainer und Betreuungspersonal in den 3.604 Apartments untergebracht werden.

Etwa 90 der 206 Delegationen sind bereits angereist. Nicht alle sind in den für sie vorgesehenen Unterkünften geblieben. Neben den Australiern haben auch die Schweden und ein Teil der argentinischen Delegation vorerst Hotels und Wohnungen in der Nähe bezogen.

Sie warten jetzt auf die Beendigung der Reparatur- und Säuberungsarbeiten. Für die sollen 630 Klempner, Eletriker und Putzpersonal sorgen. Laut dem brasilianischen Organisationskomitee sollen die Probleme bis Ende der Woche aus der Welt geschaffen sein.

USA, Italien und Holland haben indes zur Eigeninitiative gegriffen, um die Probleme zu beseitigen. Einige haben auf eigene Kosten Handwerker beauftragt, andere haben Putzmaterial eingekauft. Nicht in allen Apartments sind die Mängel jedoch so erheblich, wie in den der Australier, wie einige Sportler berichten.

Vom Komitee Rio-2016 heißt es, dass zwölf Gebäude bereits getestet worden sind und bestanden hätten. In den anderen 19 gibt es jedoch noch Arbeiten zu erledigen.

Neben den Strom-, Wasser- und Sauberkeitsproblemen scheint es auch an der Sicherheit zu haken. Die Rede ist von einigen Diebstählen. Von denen war auch das Komitee Rio-2016 betroffen. Der Kommunikationsdirektor des Organisationskomitees Mario Andrada, musste den Raub eines Laptops des Komitees einräumen. Inzwischen soll aber die Zahl der Sicherheitskräfte erhöht worden sein.

Wenig gut kamen auch die Kommentare des Bürgermeisters Eduardo Paes an. Der ist wegen seiner schlechten Scherze bekannt und hat auch dieses Mal nicht damit gespart. Nachträgliche Anpassungen seien normal, so Paes, der noch hinzufügte, dass er ja Kängurus herschaffen könne, damit sich die Australier wie zu Hause fühlten. Und das olympische Dorf in Rio de Janeiro sei doch wesentlich besser und schöner als das in Sydney.

In den sozialen Netzwerken hat es dazu scharfe Kritik von seinen Landsleuten gehagelt. Die Australier haben hingegen trocken reagiert. Sie brauchen keine Kängurus, sondern Klempner, hat die australianische Komiteeleitung gekontert.

Die Australierin Kitty Chiller hat sich am Montag (25.) schon zuversichtlicher gezeigt. Sie hat von großen Fortschritten gesprochen. Umziehen wird ihre Delegation allerdings erst, wenn alles Tip-Top ist.

Die Schmach des Unfertigen wollten die Brasilianer eigentlich nicht noch einmal erleben. Die Fußballweltmeisterschaft 2014 hat gereicht. Auch wenn die längst vorbei ist, sind immer noch nicht alle für sie geplanten Bauten fertig.

In Cuiabá wartet die Schnellbahn auf dem Abstellgleis, am Stadion wird noch gebaut und in anderen Städten fehlen versprochene Infrastrukturen. Dieses Mal wollten sie zeigen, dass sie auch anders können. Alles sollte schnell, schnell gehen. Das Schnell-Schnell war dann aber doch nicht so gut.

Vielleicht mischte auch die Krise ein wenig mit und wurde auf billigeres und eben nicht so taugliches Material ausgewichen. Andere sprechen von Pfusch, um Billiges teuer zu verkaufen. Nach den olympischen und paralympischen Spielen sollen die 3.604 Apartments schließlich verkauft werden.

Dann wird es nicht mehr “Vila Olímpica“ sondern “Ilha Pura“ heißen. Zielgruppe ist die obere Mittelklasse. Der vor zwei Jahren begonnene Vorverkauf läuft bisher aber nur schleppend.

Das “Vila Olímpica“ hat aber schon während der nur knapp vier Jahre dauernden Bauzeit immer wieder für Aufregung gesorgt. Gleich zu Beginn wurde gemunkelt, dass einer der privaten Bauherren, Carlos Carvahlho, die Wahlkampagne des derzeitigen Bürgermeisters Eduardo Paes mit etlichen Millionen unterstützt hätte. Im Gegenzug soll er dann die Erlaubnis für den Bau von 17 Stockwerken erhalten haben, während die Gebäude der Umgebung wesentlich niedriger sind.

Von der Organisation “Rio on Watch“ wurde kritisiert, dass mit “Ilha Pura“, was übersetzt “Reine Insel“ bedeutet, eine Stadt des Ausschlusses entstanden ist. Über 10.000 Menschen der besser gestellten Schichten werden dort einmal in den abgezäunten, überwachten und von der restlichen Stadt abgeschotteten Wohnanlagen leben. Eine Insel der Reichen im Meer der Favelas Rio de Janeiros.

Bei dem für die reicheren Brasilianer gedachten Projekt haben die ärmeren Familien des angrenzenden “Vila Autódromo“ nicht ins Bild gepasst, wie von etlichen Hilfsorganisationen kritisiert wurde. Auch wenn die eigentliche Fläche der privaten Wohnanlage die Siedlung nur teilweise betrifft, war dessen gesamte Räumung vorgesehen.

Einige Familien wurden umgesiedelt, auch weil ihre Häuser in gefährdeten Bereichen wie Überschwemmungsgebieten standen, andere erhielten Entschädigungszahlungen und nur einige wenige haben dem Druck durch Bauarbeiten und Immobilieninteressen standgehalten.

Ein schönes Kapitel war dies nicht. Dennoch hat die künftige Wohnanlage und somit das Athletendorf vom Green Building Council das vorläufige LEED ND-Zertifikat erhalten hat, mit dem die Nachhaltigkeit und auch die soziale Einbindung bestätigt werden soll.

Immerhin sind in der Anlage aber 10.000 Quadratmeter grüne Dächer entstanden, 75 Solaranlagen installiert worden, wurde 85 Prozent des angefallenen Bauschutts recycelt und eine Wiederverwendung des Brauchwassers für die Toilettenspülung vorgesehen.

Aber jetzt ist erst einmal Olympiade. Wenn diese in zehn Tagen, am 5. August, eröffnet wird, sollen die Probleme erst einmal in den Hintergrund rücken, und bis dahin, so hoffen Komitee Rio-2016 und Bürgermeister, wird auch das Debakel vom Einzug ins Athletendorf vergessen sein.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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