Was haben sich die olympischen Schwimmer Ryan Lochte und James Feigen dabei gedacht, eine Geschichte über einen bewaffneten Überfall zu erfinden? Die Frage beschäftigt derzeit die Brasilianer, die über die am Donnerstag (18.) präsentierten Ermittlungsergebnisse genauso verblüfft sind, wie der Rest der Welt.
Bei der Olympiade in Rio de Janeiro hat Ryan Locht in der Mannschaftsstaffel 4×200 Meter der USA Gold gewonnen. Dann ist der 32-Jährige mit drei Freunden, allesamt amerikanische Schwimmathleten, zu einem Fest aufgebrochen. Dort scheinen sie kräftig gebechert zu haben. Das Problem war aber nicht das Fest, sondern die Rückfahrt.
Lochte, Jimmy Feigen, Gunnar Bentz und Jack Conger ließen das Taxi an einer Tankstelle anhalten und suchten die Toilette auf. Nach den Aufnahmen von Sicherheitskameras und Zeugenaussagen haben sie dort randaliert, Einrichtungsgegenstände zerstört und auf den Boden uriniert.
Auf dem Rückweg wären sie dann beinahe in ein falsches Taxi eingestiegen. Bis sie das richtige erreicht haben, waren schon Sicherheitskräfte von dem Vorfall informiert und haben den Fahrer angehalten, zu warten bis die Polizei eintrifft, wie einer der Zeugen in einem Fernsehinterview erzählt.
Die gleiche Version liegt mittlerweile auch der Polizei vor. Die hat am Donnerstag vor einem Hochaufgebot an brasilianischen und internationalen Journalisten weitere Informationen bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben.
Wie es scheint, wollten die Amerikaner nach ihrem Fehlverhalten an der Tankstelle ausbüchsen, sind dann aber von zwei Sicherheitskräften daran gehindert und mit vorgehaltener Waffe dazu aufgefordert worden, sich auf den Boden zu setzen.
Ein weiterer Zeuge erzählt, dass er die Übersetzung übernommen habe. Nach seinen Aussagen sollen die vier Athleten von sich aus Geld angeboten haben, um den von ihnen angerichteten Schaden zu begleichen und der herbei gerufenen Polizei zu entkommen.
Das waren 20 Dollar und noch einmal 100 Reais (umgerechnet etwa 28 Euro). Mit der Aussage des Zeugen entfällt auch die These, dass die Amerikaner das Geschehen mangels Sprachkenntnissen missverstanden hätten.
Dass die von den amerikanischen Schwimmern gefürchtete Polizei dann letztlich doch ins Spiel gekommen ist, ist Lochte selbst und seiner Mutter zu verdanken. Die hat einem Journalisten von dem vermeintlichen Überfall erzählt und den Stein ins Rollen gebracht.
Gefolgt sind die Aussagen von Lochte und Feigen bei der Polizei, die sich jetzt als falsch herausgestellt haben. Ihr Pech war, dass die Polizei ganze Ermittlungsarbeit geleistet hat.
Dumm war auch, dass sie der Presse erzählt haben, die vermeintlichen Diebe hätten ihnen nur Geld und Kreditkarten abgenommen, nicht aber ihre Handys, wo teure Handys eigentlich von Kriminellen kaum ausgeschlagen werden.
Weil die zuständige Richterin der Geschichte nicht so ganz traute, hat sie die Sicherstellung der Pässe angeordnet, damit weitere Vernehmungen und Ermittlungen stattfinden können, bevor die vier wieder in die USA reisen. Das wären sie beinahe.
Dann sind aber am Mittwochabend Bentz und Conger von der Polizei aus dem Flugzeug geholt worden. Am Donnerstag haben sie laut Polizeichef Fernando Veloso mit ihren Aussagen der Überfallstory von Lochte widersprochen und gesagt, dass der diese erfunden hätte.
Lochte war da aber schon längst in den USA. Das nützt ihm nur nicht viel. Das FBI soll bereits um Hilfe angerufen worden sein, um weitere Fragen zu klären, der zwölffache Olympia-Medaillenträger beantworten soll. Der hat inzwischen schon etliche Fragen von Journalisten beantwortet und dabei auch seiner eigenen Version widersprochen.
Feigen war hingegen am Mittwoch gar nicht erst ins Flugzeug eingestiegen. Er hat sich aber am Donnerstag bei der Polizei gemeldet, um noch einmal Fragen zu beantworten. Ob das noch viel an den bisherigen Ermittlungsergebnissen ändern wird, ist fraglich. Dennoch sollen weitere Spuren verfolgt werden.
Medien haben davon berichtet, dass Lochte und sein Freund die Geschichte möglicherweise erfunden hätten, um die Freundin von einen von ihnen zu täuschen, weil sie bei dem Fest mit Mädchen gesehen worden sein sollen.
Was in vielen Köpfen bleiben wird, sind indes die Schlagzeilen vom vermeintlichen Überfall auf olympische Athleten in Rio de Janeiro, auch wenn der zumindest im Fall der amerikanischen Schwimmer gar nicht stattgefunden hat.
Die Cariocas fragen sich jetzt, wo die Entschuldigung der Athleten bleibt. Auch Polizeichef Fernando Veloso hat vor laufenden Kameras davon gesprochen, dass eine Entschuldigung bei den Bewohnern Rio de Janeiros, den Cariocas, angebracht wäre.
Andere wollen das Geschehene und die Falschalarmierung der Polizei dagegen als kleine Jugendsünde abtun. Auf die steht nach brasilianischem Recht eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder die Zahlung eines Bußgeldes. Bereits beim Gastgeberland und der Bevölkerung Rio de Janeiros entschuldigt hat sich ganz offiziell das Olympische Komitee der USA.