Was als weiterer Testlauf für Carlo Ancelotti gedacht war, endete in einem echten Fußball-Albtraum: Brasilien verliert zum ersten Mal in der Geschichte gegen Japan – und das nach einer komfortablen 2:0-Führung zur Pause. In einem freundschaftlichen Länderspiel am Dienstagvormittag in Tokio setzte es eine bittere 2:3-Niederlage, die viele Fragen offenlässt – vor allem in der Defensive.

Ein Traumstart mit Bruch
Die Seleção begann zurückhaltend, fand aber nach rund 20 Minuten besser ins Spiel. Japan stand kompakt, lauerte auf Konter, und hätte durch Ueda in der 21. Minute beinahe die Führung erzielt – der Ball zischte knapp am rechten Pfosten vorbei. Dieser Weckruf tat Brasilien gut.
In der 25. Minute spielte Bruno Guimarães einen schnellen Doppelpass mit Lucas Paquetá und schickte Paulo Henrique steil in die Gasse. Der Angreifer blieb eiskalt und traf flach zur Führung. Nur sechs Minuten später folgte das 2:0: Paquetá lupfte den Ball perfekt auf Gabriel Martinelli, der sicher verwandelte. Zu diesem Zeitpunkt lief alles nach Plan – Brasilien kontrollierte Ball und Gegner, spielte wie aus dem Lehrbuch.
Das bittere Erwachen
Doch mit dem Wiederanpfiff kippte das Spiel komplett. Die Mannschaft verlor den Zugriff, das Mittelfeld brach auseinander, und hinten schlichen sich individuelle Fehler ein. Nur sechs Minuten nach Beginn der zweiten Hälfte patzte Verteidiger Fabrício Bruno folgenschwer: ein Fehlpass direkt in die Füße von Minamino, der prompt zum 1:2 verkürzte.
Japan witterte seine Chance, drückte höher, kombinierte schnell und zeigte vor über 44.000 begeisterten Fans in Tokio, warum die Mannschaft in den letzten Jahren zu Asiens stärksten Teams gehört. Der Ausgleich fiel in der 61. Minute durch Nakamura – erneut begünstigt durch schwaches Abwehrverhalten. Und als Ueda in der 70. Minute nach einer Flanke höher stieg als Beraldo und den Ball per Kopf über Torhüter Hugo Souza hinweg ins Netz beförderte, war die Sensation perfekt: 3:2 für Japan.
Historische Pleite
Zum ersten Mal überhaupt verliert Brasilien gegen Japan – und zum ersten Mal unter Carlo Ancelotti kassiert die Seleção mehr als ein Gegentor in einem Spiel. In den bisherigen sechs Partien unter dem italienischen Trainer hatte die Mannschaft nur ein einziges Gegentor hinnehmen müssen (bei der 0:1-Niederlage gegen Bolivien in der WM-Qualifikation).
Diese Pleite tut doppelt weh, denn noch nie zuvor hatte Brasilien ein Spiel verloren, nachdem es mit zwei Toren Vorsprung geführt hatte. Eine Premiere, die niemand gebraucht hätte.
Fragen über Fragen
Die brasilianische Abwehr, bislang ein Garant für Stabilität, wirkte ungeordnet und nervös. Besonders nach dem Auswechseln von Bruno Guimarães fehlte im Mittelfeld die Balance, das Team wirkte zerrissen. Ancelotti probierte viel, rotierte kräftig, wollte Spielern eine Chance geben – doch am Ende standen mehr Unsicherheit und Unordnung als Erkenntnisse.
Das Spiel offenbarte, dass Brasilien ohne seine etablierten Führungsspieler anfällig bleibt, wenn das Kollektiv ins Wanken gerät. Besonders auffällig: die fehlende Reaktion nach dem Anschlusstreffer. Wo früher Leidenschaft und Kontrolle herrschten, sah man Ratlosigkeit.
Blick nach vorn
Carlo Ancelotti hat noch Zeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Im November stehen zwei weitere Testspiele an – voraussichtlich gegen Senegal und Tunesien, beide in Europa. Dort wird die Seleção zeigen müssen, dass sie aus dem Tokio-Debakel gelernt hat.
Denn eines ist klar: Freundschaftsspiele mögen keine Titel entscheiden, aber sie zeigen, wer wirklich als Team funktioniert – und wer noch auf der Suche nach sich selbst ist. Brasilien hat in Tokio diese Lektion schmerzhaft gelernt.
