Die Meister der Tarnung im Tierreich

Zuletzt bearbeitet: 17. Dezember 2021

Die Gespenstschrecken (Bicho-pau)
Die Gespenstschrecken sind ein klassisches Beispiel für perfekte Tarnung. Sogar die Amputation von Gliedmaßen gehören zu den Abwehrmechanismen des “Bicho-pau“ (Phibalosoma phyllinum) – eines Mitglieds der Familie (Phasmatodea) – eines nachtaktiven Insekts, das trockenen Zweigen und Blättern ähnelt. Es lebt auf dem Laub und kann sich stundenlang völlig bewegungslos verhalten.

Gespenstschrecken – Foto: Josch13 auf Pixabay

Die Tarnung ist eine der häufigsten Formen der Verteidigung dieses Insekts, das sich mit seiner eigenen Farbe in die Umgebung einfügt oder einen ähnlichen Farbton wie der Ort annimmt, an dem es sich aufhält. Es kann auch eine milchige Flüssigkeit ausstoßen, um Fressfeinde abzuschrecken, insbesondere Vögel, die von der Flüssigkeit abgeschreckt werden.

Ein weiterer Mechanismus, den das Insekt anwendet, ist die Mimikry, bei der es mit Zweigen verwechselt wird, weil seine physische Form von einem Zweig kaum zu unterscheiden ist.
Seine Anpassung geht jedoch über seine körperlichen Eigenschaften hinaus: Bei Bedrohung imitiert das Insekt sogar das Verhalten von Ästen und Blättern, indem es seinen Körper im Rhythmus des Windes wiegt.

In Situationen extremer Gefahr, in denen seine Tarnungstechniken nicht ausreichen, kann das Insekt sogar Teile seines Körpers amputieren, um den Beutegreifer abzulenken, während es flieht. Sich tot zu stellen, um den Gegner zu entmutigen, ist ebenfalls eine seiner Strategien.

Gespenstschrecken sind auch in Brasilien heimisch und kommen im gesamten Amazonasgebiet vor – auch in den Bundesstaaten Rio de Janeiro, Bahia und Espírito Santo. Die meisten Vertreter derselben Ordnung sind in fast allen Ökosystemen zu finden, sowohl in gemäßigten als auch in tropischen.

Wie alle Arten ihrer Ordnung ernähren sie sich ausschließlich von Blättern und Trieben, Insekten stehen nicht auf ihrem Speiseplan. Normalerweise trinken sie Regenwasser, das sich auf den Blättern oder auf ihrem Körper ansammelt. Sie sind die Meister der “Somatolyse“.

Die Pfeilgiftfrösche (Rãs-ponta-de-flecha)
Die bunten Frösche der Gattung Dendrobatidae, klein im Wuchs, in vollkommener Schönheit und mit tödlichem Gift, verdanken ihren ungewöhnlichen Namen der Tatsache, dass sie von einigen indigenen Stämmen Amazoniens zur Vergiftung ihrer Blasrohrpfeile verwendet werden.

Es sind besonders kleine Frösche (die meisten Arten werden im Erwachsenenalter nur 1,5 bis 3 cm groß), die sehr farbenfroh gemustert sind und in den Regenwäldern der Neotropis, einschließlich des Amazonas, vorkommen. Diese Tiere sind tagaktiv und bewegen sich auf dem Waldboden, wo sie sich hauptsächlich von Ameisen und in geringerem Maße auch von Termiten, Milben und anderen kleineren Arthropoden ernähren.

Pfeilgiftfrösche – Foto: Marcel Langthim auf Pixabay

Das starke Gift beziehen diese Frösche aus ihrer Nahrung, und deshalb geht die Bedeutung der Nahrung für diese Tiere über die Nährstoffversorgung hinaus, denn die Dendrobatiden (wie die Frösche der Familie Dendrobatidae genannt werden) erhalten über ihre Nahrung, insbesondere über Ameisen, Alkaloide – starke chemische Substanzen, die der Frosch zur Verteidigung gegen unerfahrene Fressfeinde einsetzt. In Laboratorien experimentell aufgezogene Frösche dieser Art, die eine alkaloidarme Ernährung erhalten, haben keine Alkaloide in ihrer Haut und sind daher nicht giftig.

Die kleinen Frösche haben auch komplexe, interessante Lebensgewohnheiten, darunter eine territoriale und die elterliche Fürsorge – Mutter und Vater kümmern sich um ihre geschlüpften Kaulquappen, und zwar ausgiebig! Dafür haben sie verschiedene Strategien entwickelt…

Ein weiteres Beispiel für giftige Arten sind die leuchtend goldfarbenen Frösche der Gattung Phyllobates terribilis, deren Hautgifte so stark sind, dass sie mehrere Menschen töten könnten, wenn sie mit deren Blutkreislauf in Kontakt kämen. Das von ihnen produzierte Gift “Homobatracotoxin“ gilt als das stärkste überhaupt – eine tödliche chemische Komposition, die eine sofortige Lähmung aller menschlichen Organe bewirkt.

Diese Meister der “aposematischen Tarnung“ müssen sich nicht verstecken – im Gegenteil, sie wollen geradezu deutlich gesehen werden, um eventuelle Beutegreifer mit ihren grellen Farben zu warnen – paradoxerweise ziehen sie aber menschliche Tierfänger an, die sich die Schönheit dieser Tiere und ihr Gift zunutze machen. Denn eine der größten Bedrohungen für den Erhalt dieser Tiere ist der Handel mit diesen kleinen Fröschen als Haustiere.

Nach Angaben des “Chico-Mendes-Instituts“ gehören die bunten Fröschlein zu den am häufigsten verkauften Arten im illegalen Tierhandel Brasiliens. Abgesehen von ihrer auffälligen Färbung, die diese Tiere für illegale Züchter besonders charismatisch macht, haben die im Gift dieser Tiere enthaltenen Alkaloide ein großes pharmakologisches Potenzial, und es wurden bereits mehr als 200 Arten von Alkaloiden aus Dendrobatidenarten untersucht und beschrieben. Die Pfeilgiftfrösche gehören zu den Meistern des „Aposematismus“.

Die Gottesanbeterin (Louva-a-deus)
Eine Gottesanbeterin kann sich perfekt in einer Umgebung aus Zweigen, Rinde, Blättern und Blumen tarnen. Die europäische Art (Mantis religiosa) ist fast 5cm lang, hat Vorderflügel, die an dem langen Körper gefaltet und eng anliegen, einen dreieckigen Kopf, der sich um 360 Grad drehen lässt, und große Augen mit Rundumsicht. Sie kann fliegen, zieht es aber vor, sich auf der Suche nach Beute langsam durch das Laub zu bewegen. Die Gottesanbeterin ergreift ihr Opfer blitzartig mit ihren krallenbesetzten Vorderbeinen, hält es fest und verschlingt es.

Sie ahmt Pflanzen nach, um sich vor Fressfeinden und Beutegreifern zu verstecken. Sie versteht es, sich perfekt in eine Umgebung aus Blättern, Zweigen oder Blumen einzufügen. Gottesanbeterinnen können grün, braun oder eine Kombination aus verschiedenen Farben annehmen, um sich ihrer Umgebung anzupassen. Sie häutet sich alle paar Wochen und kann dann die Farben ihrer natürlichen Umgebung annehmen.

Eine Gottesanbeterin kann sogar die verkohlten Überreste von Zweigen, Unkraut und Gras nach einem Brand imitieren. Ein häufiges Tarnverhalten der Gottesanbeterin ist auch ihr wiederholtes Hin- und Herschwanken. Damit kann sie sogar die Bewegung der Vegetation im Wind vortäuschen.

Gottesanbeterin – Foto: Brett Hondow auf Pixabay

Gottesanbeterinnen sind erstaunlich aussehende Kreaturen mit schlanken Beinen und furchteinflößenden Facettenaugen. Es versteht sich von selbst, dass Gottesanbeterinnen gefräßige Raubinsekten sind, doch sie verfügen auch über einige der wirksamsten Methoden zur Abwehr von Fressfeinden, mit denen sie diese ausbremsen können. Ihre Tarnung ist eine davon – Gottesanbeterinnen schützen sich selbst weitgehend durch Tarnung.

Die meisten, wenn nicht sogar alle Gottesanbeterinnen, haben einen grünen Körper und der ist so kryptisch gefärbt, dass man sie auch dann nicht entdeckt, wenn sie direkt vor einem sitzt. Sie lauert normalerweise in grünem Gras oder Laub regungslos auf Beute, was ihr eine perfekte Tarnung bietet.

Dennoch sind nicht alle Gottesanbeterinnen grün gefärbt. Einige unter ihnen weisen eine Kombination aus braunen Farben mit einigen Grautönen auf. Diese Arten halten sich normalerweise auf dem nackten Boden auf, aber sie achten darauf, dass ihr Körper keinen Schatten auf den Boden wirft, damit sie von Raubtieren nicht entdeckt werden können.

Bestimmte Gottesanbeterinnen verbringen ihre Zeit auf Blüten und Blumen, um heranfliegende Insekten zu fangen. Das ist zum Beispiel der Fall bei der besonders cleveren “Orchideenmantis“ (Hymenopus coronatus) – auch Kronenfangschrecke genannt – die sich durch eine so perfekte aposematische Tarnung der Blüte anpasst – sie gleicht einem Teil der Blüte, auf der sie lauert – dass sie an dieser Stelle reichlich Beute macht.

Und was tut eine Gottesanbeterin, wenn ihr Gefahr von einem Beutegreifer droht? Sie spreizt höchstwahrscheinlich alle ihre Beine und Flügel und bläst manchmal ihren Hinterleib auf. Sie tut dies, um den Raubtieren gegenüber größer zu erscheinen. Die Rückseite der Flügel der Gottesanbeterin wird von hellen Farben oder Mustern dominiert.

Diese Muster verleihen ihr ein ganz anderes Aussehen, wenn sie ihre Flügel ausbreitet. Wenn jedoch keine ihrer Verteidigungsmaßnahmen funktioniert, greift die Gottesanbeterin mit ihren Vorderbeinen an. Manche Exemplare können sogar gefährlich zischende Geräusche von sich geben.

Das Tarnungsrepertoir der Gottesanbeterin umfasst alle vier beschriebenen Techniken: Mimikry, Somatolyse, Mimese, und Aposematismus. (Unter “Gottesanbeterin“ finden Sie weitere Details über diese interessante Insektengruppe).

Der Eulenfalter – (Olho-de-coruja)
Das Eulenauge oder auch Eulenfalter (Caligo eurilochus brasiliensis) ist der größte Schmetterling Brasiliens, da er eine Flügelspannweite von 18 cm erreichen kann. Er ist dämmerungs- und morgenaktiv. Die meiste Zeit des Tages, vor allem während der heißen Stunden, sitzt er im Wald auf Baumstämmen oder am Stamm einer Bananenstaude.

Die erwachsenen Tiere ernähren sich von verrottendem Obst, Tierkot, Blütennektar und Salzen aus menschlichem Schweiß. Es gibt jedoch auch einige Arten dieser Gattung, die sich im ausgewachsenen Stadium nicht mehr ernähren und nur von den Reserven leben, die sie als Raupen angelegt haben. Ihr Hauptfeind ist der Mensch, der in den Bananenplantagen Insektizide versprüht.

Eulenauge – Foto: sabiá brasilinfo

Eulenfalter nennt man ihn, weil er auf der Außenseite seiner Flügel eine Zeichnung hat, die dem Gesicht einer Eule ähnelt und deren riesiges, offenes Auge hervorhebt, wenn er sie zusammenklappt. Man nimmt an, dass dieses Muster als effizientes Mittel zur Abschreckung von Fressfeinden dient, denn diese Augen sehen aus wie die eines größeren, gefährlichen Raubtiers, und schützen so den harmlosen Schmetterling, dessen Flügel außen in einem herrlichen Blau erstrahlen – wir kennen ihn unter dem Namen “Blauer Morpho“ aus Schmetterlingshäusern – für mich ist er einer der schönsten Schmetterlinge überhaupt und gehört mit seiner ungewöhnlichen Abwehrmethodik zur Mimikry.

Die Zikaden – (Cigarras)
Vielleicht haben Sie ja schon mal eine – oder auch mehrere – dieser interessanten Insekten „singen“ gehört und sich sogar die Ohren zugehalten, weil diese schrillen Töne Ihrem Trommelfell wehtaten – besonders wenn sich das Insekt in Ihrer unmittelbaren Nähe befand? Gesehen haben Sie es wahrscheinlich nicht, denn Zikaden gehören ebenfalls zu den Meistern der Tarnung.

Jener für die Art so charakteristische “Gesang“ kommt von den vibrierenden Membranen, die die Männchen am Bauch haben. Der Gesang der Zikade hat unendlich viele Variationen, und bei einigen Arten klingt er viel musikalischer als bei anderen. Obwohl dieser Ton für menschliche Ohren immer gleich zu sein scheint, verwenden sie in der Realität ganz unterschiedliche Töne, um Alarm zu geben oder Weibchen anzulocken.

Zikaden sind auch dafür bekannt, dass sie mehrere Jahre lang völlig verschwinden, um dann in regelmäßigen Abständen mit neuem Elan wieder aufzutauchen. Andere werden als einjährige Zikaden bezeichnet, da die Lebenszyklen der Individuen zwar mehrere Jahre betragen, einige erwachsene Tiere jedoch jährlich auftreten.

Wenn die Zikadenlarven aus den Eiern schlüpfen, graben sie sich unter die Erde, um den Saft der Wurzeln aufzunehmen, und verbringen die ersten Wachstumsstadien in ihren unterirdischen Verstecken, bis sie als Erwachsene schlüpfen. Die Dauer dieses Prozesses ist unterschiedlich, beträgt aber in der Regel mehrere Jahre.

Zikaden gehören zur Ordnung der Schmetterlinge (Homoptera) und zeichnen sich durch ihren robusten Körper, ihren breiten Kopf, ihre durchsichtigen Membranflügel und ihre großen Facettenaugen aus. Die faszinierenden Lebensgewohnheiten dieser Insekten sind seit dem Altertum eine Quelle der Verwunderung. In vielen Kulturen, zum Beispiel in der chinesischen, galten sie als kraftvolles Symbol der Wiedergeburt.

Zikaden nutzen eine Vielzahl von Strategien, um Fressfeinden zu entkommen. Große Zikaden können schnell fliegen und nutzen diese Fähigkeit, wenn sie gestört werden. Viele sind extrem gut getarnt, um Raubtieren zu entkommen, zum Beispiel Vögeln, die nach Sicht jagen. Da die Zikaden wie die Rinde eines Baumes gefärbt sind und sogar ein störendes Muster aufweisen, das ihre Konturen aufbricht, sind sie sehr schwer zu erkennen.

Ihre teilweise transparenten Flügel werden dann über den Körper gehalten und dicht an den Untergrund gedrückt. Die tagaktive Zikade Huechys sanguinea warnt und erschreckt Raubtiere durch ihre aposematische rot-schwarze Färbung. Andere täuschen bei Bedrohung sogar den Tod vor.

Zikaden – Foto: Philip Wels auf Pixabay

Zikaden, wie zum Beispiel Hemisciera maculipennis, präsentieren bei Bedrohung eine leuchtende, erschreckende Blitzfärbung auf ihren Hinterflügeln – der plötzliche Kontrast trägt dazu bei, Fressfeinde abzuschrecken, so dass die Zikaden Zeit haben, zu entkommen. Die meisten Zikaden sind tagaktiv und verlassen sich in der Ruhephase auf ihre mimesische Tarnung, aber einige Arten nutzen die aposematische Abwehr, das heißt, sie haben leuchtende Farben, die vor ihrer Giftigkeit warnen. Die malaysische Huechys sanguinea hat eine auffällige rot-schwarze Warnfärbung, ist tagaktiv und fliegt beim Anblick potenzieller Fressfeinde mutig davon.

Räuber wie die Sarkophagfliege (Emblemasoma) werden durch den Gesang der Zikaden angelockt. Singende Zikadenmännchen dämpfen deshalb ihren Gesang, so dass die Aufmerksamkeit des Zuhörers von lauteren Sängern in der Nähe abgelenkt wird, oder sie hören auf zu singen, wenn sich ein Räuber nähert.

Versuchen Sie mal, der Gesangsrichtung einer Zikade zu folgen – sowie Sie in ihrer Nähe sind, bricht ihr Gesang ab, um ihr Versteck nicht zu verraten – und sind Sie zu nahe, fliegt sie plötzlich davon. Zweifellos gehören die Zikaden zu den Meistern der Tarnung – die einen zur “Mimese“, die andern zum “Aposematismus“- und unter den 45.000 Zkadenarten unseres Planeten gibt es auch solche, die beide Arten der Tarnung beherrschen

Die Echte Korallenschlange und die Falsche (Coral verdadeira e a Falsa Coral)
Ein weiteres Tier, das sich des “Aposematismus“ bedient, ist die auch für Menschen tödliche Korallenschlange – auch „“Echte Korallenschlange“ (Micrurus altirostris) genannt – deren leuchtende Farbringe eventuelle Fressfeinde auf ihr starkes Gift aufmerksam machen und abschrecken.

Diese Warnfärbung der Echten Korallenschlange ist im Tierreich so bekannt, dass andere, nicht bedrohliche Schlangenarten sie nachahmen, um ihre eigene Identität zu verschleiern.

Korallenschlange – Foto: Screenshot Video

Zum Beispiel die harmlose “Scharlachrote Königsnatter“ (Erythrolamprus aesculapii) – sie hat das gleiche schwarz-gelb-rote Streifenmuster wie die Korallenschlange und hat im Volksmund den Namen “Falsa Coral“ – eine Spezies mit einem geringen toxischen Gift, viele Arten ihrer weit verbreiteten Familie sind sogar ungiftig.

Die Scharlachrote Königsnatter ist also als hoch giftige Korallenschlange getarnt und profitiert von deren Image (Mimikry), welches sie vor Beutegreifern, wie zum Beispiel Raubvögeln, schützt. Das funktioniert allerdings nur in Regionen, in denen auch Echte Korallenschlangen vorkommen – wo diese fehlen, werden ihre Nachahmer auch weiterhin gefressen – das haben Wissenschaftler in Feldversuchen festgestellt.

In diesem letzten Beispiel haben wir also gleich zwei Meister der Tarnung, zwei Reptilien, die das gleichen Ziel verfolgen: Sich vor Feinden zu schützen, indem sie diese vom Zupacken abhalten – mit Aposematismus der eine, mit Mimikry der andere.

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AutorIn: Klaus D. Günther

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