Die Geschichte des Bundesstaates Mato Grosso ist die Geschichte der grössten Goldfunde in Südamerika seit Menschengedenken. Gleichzeitig ist sie auch die Geschichte menschlicher Schamlosigkeit, Gier und Rücksichtslosigkeit, um an das Gold zu gelangen – und menschlichen Lugs, Betrugs und gegenseitigen Totschlags, um es zu besitzen. Ganze Königreiche sind an ihrer Goldgier zugrunde gegangen – unzählige Eingeborenenvölker der Goldgier der Bandeirantes geopfert worden. Die Geschichte des Goldes ist eine unvergleichlich schamvolle, und das Gold trieft vom Blut Unschuldiger. Wenn ich mir die Altäre und Heiligenbilder in den Kirchen ansehe, die Erker und Balustraden, die Statuetten und Insignien – alles dick vergoldet, dann drängen sich mir Bilder auf, die anklagen und Fragen, die nie beantwortet wurden.
Seit 1632, aus früheren Expeditionen und aus Kämpfen mit Indianern, kannten die „Bandeirantes“ die Orte, wo die Jesuiten ihre Dörfer mit befriedeten Indianern angelegt hatten – die so genannten „Reducciones“, in denen die Spanier ein und ausgingen, so als sei es ihr Land.
„Antônio Pires de Campos“ war 1672, fast noch ein Kind, mit der väterlichen Truppe zu den später berühmten „Minas dos Martírios“ (Minen der Märtyrer) mitgenommen worden, wo er mit Gold-Pepitas (Nuggets) spielte, die sein Vater am Fuss der Felsen gefunden hatte – jenen Felsen, die Regen und Wind zu furchterregenden Figuren verformt hatten.
Als er ein Mann geworden, nahm er den Weg zurück zu jenem mysteriösen Gebirge und befuhr von dort aus den Rio Paraguai und anschliessend den Rio São Lourenço, wobei er etwas oberhalb vom heutigen „Cuiabá“ herauskam – bei „São Gonçalo Velho“. Sofort griffen ihn die in diesem Gebiet ansässigen „Coxiponé-Indianer an und wurden von seinen Söldnern in die Flucht geschlagen – sie machten viele der Indianer zu Gefangenen. Auch gut, dachte er, schliesslich wurden Sklaven immer gebraucht und waren gut zu verkaufen.
Die Nachricht von den leicht zu besiegenden Indianern verbreitete sich bald, und ein gewisser „Pascoal Moreira Cabral“, der an den Ufern des Rio Cuiabá herumlungerte, erfuhr von „Pires de Campos“ persönlich die Einzelheiten seines Zusammentreffens mit den Indianern. Im Jahr darauf stiess er bis zu dem von „Cabral“ zerstörten Dorf der Coxiponé vor und richtete hier seine Operationsbasis ein, während sich die Indianer zu dieser Zeit an den Oberlauf des Rio Coxipó zurückgezogen hatten, um sich mit anderen Stämmen zu verbünden. Von da aus wagten sie dann noch einmal, mit allem was sie aufbringen konnten, den Zusammenstoss mit den überlegen gerüsteten und bewaffneten Weissen, denen sie aber eine dreifache Übermacht entgegenzustellen hatten – und schlugen sie vernichtend.
Der Fund
In den folgenden Tagen des Rückzugs, schlecht gelaunt und viele von ihnen mit schweren Verwundungen, schleppten sie sich entlang des Rio Coxipó, bis sie schliesslich zurück zu ihrer Basis im zerstörten Indianerdorf kamen. Und dann änderte sich plötzlich alles: entweder durch ein paar Pepitas, die im Sand des Flussufers blinkten, oder durch einen aufgeweckten Mann aus der Truppe, der vielleicht neugierig den Kies des Flussbetts untersuchte – genaues weiss man nicht, denn die Emotionen über den Fund werden wahrscheinlich den nötigen Ernst für die Eintragung des Geschehens überrollt haben. Ufer oder Flussbett, sicher ist, das das bisherige freibeuterische Nomadentum des Bandeirante-Fähnleins an dieser Stelle sein Ende hatte – und Goldgräber geboren wurden, im wahrsten Sinn des Wortes: In Ermangelung von geeigneten Gerätschaften, um das Gold aus der Erde zu befördern, stocherten sie mit ihren Säbeln im Sand des Flussufers und im Flussbett herum und zweckentfremdeten ihre Helme für das Auswaschen des Sandes. Der Chronist „Barbosa de Sá“ erzählt, dass sie an einem einzigen Tag soviel Gold zusammentrugen, dass es für den Sold eines ganzen Lebens gereicht hätte.
Die neuen Minenbesitzer schicken „Antônio Antunes Maciel“ nach São Paulo, mit der Neuigkeit und entsprechenden Mustern im Gepäck. Sofort setzt sich der Paulistaner „Fernando Dias Falcão“ mit einer gut gerüsteten Truppe in Marsch, die auch reichlich Verpflegung und vor allem Munition mitführt, denn die neuen Minenbesitzer fürchten, sich die Indianer nicht länger vom Leib halten zu können, weil ihre Munition am Ende ist. Dieser „Dias Falcão“ ist ein mutiger Mann – noch bevor er den Goldgräbern zu Hilfe kommen kann, wird er von den herumstreunenden Indianern angegriffen und schlägt sie sogleich in die Flucht. Dann begrüsst er „Cabral“ und seine Leute, lädt seine mitgebrachten Lebensmittel und Pulverfässer ab und schüttelt nur den Kopf, weil er nicht versteht, dass sich diese Leute von ein paar Indianern so ins Bockshorn jagen lassen. Am nächsten Morgen stellt er seine Truppe zusammen – ein paar bleiben zum Schutz der Goldgräber zurück – und dann marschiert er den Rio Coxipó aufwärts, um die Indianer zur Raison zu bringen. Diesen zweiten Schock mit den Portugiesen überleben nur noch so wenige von den Eingeborenen, dass sie für die Minen keine Gefahr mehr bedeuten.
Die Fortsetzung dieser Geschichte ist die des Goldes selbst: es scheint aus dem Boden zu wachsen, als ob es jemand gesät hätte. Jetzt wird es höchste Zeit, ausser der üblichen Benachrichtigung der Autoritäten in São Paulo und Lissabon, auch die lokale Administration zu organisieren – was man am 8. April 1719 dann auch tut.
Das „Volk“ wählt offen, durch Zuruf, seinen Leutnant, „Moreira Cabral“, zum „Guarda-mor“ (Oberaufseher) über die „Verwahrung des gefundenen Goldes, die Schürfarbeit, die Kontrolle der Funde, Verteilung der Schürfplätze und Aufstellung der Wachen – sowohl für das Gold als auch gegen den „barbarischen Feind“.
Die Meldung an die Behörden übernimmt der tatkräftige „Dias Falcão“. Er kehrt nach São Paulo zurück und stellt dort ein riesiges Sortiment an Werkzeugen zusammen, heuert Maurer, Schmiede, ja sogar Schneider für die Minen-Siedlung an, und vergisst auch nicht, sechs grosse Pulverfässer der Ausrüstung seiner Karawane anzufügen. Als er nach Monaten die Kameraden am Rio Coxipó erreicht, empfangen sie ihn euphorisch und ernennen ihn dankbar zu ihrem „Cabo-mor“ (Oberkommandanten) der Goldschürfer, dem nun sogar „Moreira Cabral“ selbst als „Guarda-mor“ unterstellt war. Zwölf „Libras“ und vierundachtzig „Oitavas“ an Gold zahlten sie an die „Fazenda Real“ als Steuerabgaben (Quintos) in diesem Jahr 1723.
Das Goldfieber
Der Ruf der unerschöpflichen Mine verbreitet sich rasch und überall im Land. Von den neuen Funden in Mato Grosso geht bald die gleiche verlockende Kraft aus, wie von den Minen in Minas Gerais, zu denen „jedes Jahr grosse Mengen an Portugiesen und Ausländern sich einschiffen“, wie der Chronist „Antonil“ in seinem Werk „Peregrino da América“ bemerkt und fortfährt: „Die Nachrichten vom Gold bewirken, dass in Minas Gerais, Rio de Janeiro und der gesamten „Capitania von São Paulo“ Soldaten desertieren, Väter ihre Frauen und Kinder verlassen, Arbeiter ihren Wirkungskreis, Gutsbesitzer ihre gesamte Wirtschaft – so als ob diese „Sertões“ das gelobte Land seien, oder ein neu entdecktes Paradies, in das Gott unsere ersten Eltern hineingesetzt hat“.
Aber so war es tatsächlich. Denn mit der willkommenen Ausrüstung und den Vorräten, die der gute „Dias Falcão“ aus São Paulo herangeschafft hatte, konnte man das gesamte Camp nach einem Ort verlegen, der „Forquilha“ (Gabelung) genannt wurde, wo der Rio Coxipó zwei seiner Zuflüsse aufnimmt – den Rio do Peixe und den Rio Mutuca. Und das Gold „spriesste aus dem Boden“ – überall fand man es hier, ohne zu graben – im Flussbett und im Quarzsand der Ufer – nur bücken musste man sich. An der Küste erzählte man sich die tollsten Geschichten von den Minenschürfern, zum Beispiel auch die, dass sie für ihre Jagden, anstelle der Bleikugeln, solche aus Gold verschossen – und selbst die Steine, mit denen man dort eine Feuerstelle einzufassen pflegte, seien voller Goldadern, die man aber nicht herauszuschmelzen brauche, weil das Gold in der Umgegend in Klumpen herumliege! Solcher Reichtum verlangte nach mächtigem Schutz – also errichtete man im Minen-Camp die erste Kirche und berief die „Nossa Senhora da Penha de França“ zur Schutzheiligen über all das viele Gold.
Der Paulistaner „Miguel Sutil“, aus der Gruppe der Minenarbeiter um „Moreira Cabral“, befindet sich mit ein paar indianischen Sklaven bei der Feldarbeit, als er plötzlich Lust auf etwas Süsses bekommt. Also weist er zwei der Indianer an, ihm ein paar Waben wilden Honigs aufzutreiben. Erst spät in der Nacht kehren die beiden zurück – ohne Honig. Also regte Miguel sich auf, und der eine Sklave antwortete geknickt: „Sind Ihro Gnaden hierher gekommen um Gold zu finden oder Honig“? Sprachs und griff in seine Weste, aus der er ein mit Blättern umwickeltes Päckchen zutage förderte und seinem Herrn übergab. Es entpuppte sich als 23 Gold-Pepitas, jede zwischen 20 und 30 Gramm schwer. Miguel und sein Untergebener „João Francisco Barbado“ bekamen kein Auge mehr zu in dieser Nacht, und als der Morgen dämmerte, machten sie sich mit den beiden Indianern auf den Weg zum Fundort. Ihren ungläubigen Blicken bot sich ein märchenhaftes Bild: „Wohin sie sich auch wendeten, lag das Gold offen im Ufersand herum, so dass sie es aufheben konnten, ohne zu graben“. Am Nachmittag hatte Miguel, mit Hilfe seiner Indianer, eine halbe „Arroba“ (Arroba = 14,68 kg) zusammengetragen. Damit kehrten sie am folgenden Tag ins Lager zurück, machten ihren Fund publik und lösten damit einen erneuten Umzug aller aus – jetzt zum Fuss der „Serra do Rosário“, wo das Flüsschen „Córrego da Prainha“ entlangplätschert. Eine neue Kirche, mit Wänden aus Adobe und einem Dach aus Palmstroh, bekam zum Schutzheiligen den „Senhor Bom Jesus de Cuiabá“. Gegen Ende des Monats hatten die Minenschürfer 400 „Arrobas“ (5.872,00 kg) Gold-Pepitas zusammengetragen.
Die lange Reise
Dem „Capitão-General“ in São Paulo genügt es nicht, von dieser guten Nachricht nur zu hören – er stellt ein Komitee zusammen, setzt sich selbst an dessen Spitze und macht sich auf die lange, beschwerliche Reise ins Goldland. Um sich einmal einen Begriff zu machen, was diese „500 Léguas“ für die damalige Zeit bedeuteten, hier ein paar Einzelheiten: mit günstigem Wind schifften sie sich ein in „Araritaguaba“, am Ufer des Rio Tietê, dem heutigen „Anhembi“, fuhren den Fluss hinunter, in dem sie zirka fünfzig Wasserfälle zu umgehen hatten – mit den Booten auf den Schultern ihrer Sklaven – bevor sie den Rio Paraná erreichten, der an dieser Stelle mehr als einen Kilometer breit war, und dessen vom Wind aufgepeitschte Wellen sogar den Booten gefährlich werden konnten. Anschliessend fuhren sie den Rio Pardo stromauf – wieder hatten sie viele Wasserfälle zu umgehen, und die Paddelei gegen den Strom war schwer und kostete viel Zeit. Als sie schliesslich die Wasserscheide erreichten – zwischen dem Rio Pardo und dem Rio Coxim – verluden sie die Boote auf Ochsenkarren der Einwohner in diesem Gebiet.
Den Rio Coxim flussab erwarteten sie ebenfalls eine Menge Wasserfälle und Stromschnellen, die es zu umgehen galt – endlich, im Rio Taquari, gestaltete sich die Reise etwas bequemer – quer durch die riesige überflutete Ebene des Pantanal, wie die Fahrt auf einem ruhigen Süsswasser-Meer – bis man schliesslich in den grossen Rio Paraguai einmündete. Von hier aus wieder gegen die Strömung, die aber in dieser Ebene, durch ihr geringes Gefälle, sich nicht weiter anstrengend gestaltete.
Das änderte sich dann im Mittellauf des Rio São Lourenço und anschliessend im Rio Cuiabá – letzterer brachte die illustren Reisenden im November 1726 an ihr Ziel, der Goldmine mit dem Namen „Lavras de Sutil“, nach ihrem Entdecker – die Delegation war seit Juli desselben Jahres unterwegs gewesen.
Schwierigkeiten
In der Siedlung stellte man der Autorität aus São Paulo sofort das beste Haus zur Verfügung und seinen Ordonanzen die anderen acht oder neun. Häuser, die schon mit Ziegeln gedeckt waren – der Rest waren primitive Unterstände. Ein Hundeleben begann von jetzt an für die Minenarbeiter, getrieben von der Gewinnsucht des tyrannischen „Dom Rodrigo César de Menezes“, ausgequetscht durch die von ihm erhobenen Steuerabgaben.
Der Chronist notierte: „Man durfte nur noch wehklagen, zittern oder sterben, ohne dafür Steuern zu bezahlen“! Und fährt fort, dass mit der Rückkehr des Gouverneurs nach São Paulo „sogar die Todkranken aus ihren Hängematten sprangen“ – wir nehmen an, vor Freude!
Tatsache ist, dass sich inzwischen Schwierigkeiten angehäuft hatten, deren Ursachen kaum oder gar nicht auf die vorübergehende Präsenz des Gouverneurs aus São Paulo zurückzuführen waren. Absurde Preise für Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs entstanden aus dem Mangel an Arbeitskräften, an Arbeitsgerät und fehlender Möglichkeiten zur Bearbeitung der Pflanzungen und Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produktion. Schädlingsbefall, Krankheiten der Bewohner und die Schwierigkeiten einer Reise nach São Paulo, deren Flusswege von wilden Indianern nur so wimmelten, vertieften die Problematik, der sich plötzlich das Völkchen der Minenschürfer ausgeliefert sah. Textilien, die sie zum Verkauf nach São Paulo schickten, waren verschimmelt und fielen auseinander, wenn sie schliesslich ankamen – Menschen starben am Hunger während der Reise, und es gab welche, die einen Schwarzen gegen einen Sack Mais eintauschten.
Im darauf folgenden Jahr (1725) sind die Register voll von bösartigen Krankheiten, wie Hydropsie und Malaria, Darmvergiftung und Ancilostomiasis. Damit nicht genug, wurde das gemeinsame Maisfeld total von Schädlingen befallen und die Preise der täglichen Bedarfsartikel spiegeln das Leiden des Völkchens am Rio Cuiabá wieder: eine halbe „Libra“ Gold für ein Fläschchen mit Salz – da gab es Kinder, die deshalb nicht getauft werden konnten! Ratten, Heuschrecken und Vögel befielen das Maisfeld. Ein Katzenpaar kostete eine „Libra“ Gold, und die Katzenjungen wurden ebenfalls nur gegen Gold verkauft. Diese natürlichen Schwierigkeiten, plus die Daumenschrauben der Steuereintreiber, überspannten den Bogen. Die Siedler vom Rio Cuiabá verliessen den nunmehr so ungastlichen Ort, um ihr Glück anderswo zu versuchen.
Sie zogen hinauf in die Region des Rio Guaporé, dessen Distrikt „Mato Grosso“ später dem Bundesstaat seinen Namen gegeben hat. Sie entdeckten Gold im Gebirge um den Rio Arinos, und die Geschichte, wie sie es durch die Strafe des Himmels wieder verloren, ist es wert, erzählt zu werden:
Dort, im neu gegründeten „Santa Isabel“, entstand plötzlich ein Streit zwischen den beiden Vikaren, die sich gegenseitig exkommunizierten. „Sie brachten an der Pforte der von den Siedlern errichteten kleinen Kapelle ihre Schmähschriften gegen ihren Gegner an, die, jede für sich, auch die unterzeichnete Exkommunizierung des Gegners enthielt.
Kam ein magerer Gaul daher, der dem Aufseher „Antônio de Almeida Falcão“ gehörte, umfasste eins der Papiere an einem abstehenden Ende und frass es auf – niemand weiss welches – aber im gleichen Moment verschwand sämtliches Gold aus der Mine, und niemand fand dort je wieder eine einzige Pepita“.
Die Grenzen
Zwanzig Jahre später – die vielen Schwierigkeiten auf den über die Region des heutigen Mato Grosso verteilten Goldgräber-Siedlungen sind überwunden – die Politik der portugiesischen Krone betreibt jetzt die Pflege ihrer Landesgrenzen und , wo möglich, ihre Erweiterung, hinein in die von den Spaniern besetzte Gebiete. „Rolim de Moura“ übernimmt die Führung der inzwischen selbstständigen „Capitania de Mato Grosso“ – abgenabelt von São Paulo im Jahr 1748. Er gründet die neue Hauptstadt in „Vila Bela“ und kümmert sich um die Erfüllung seiner aus Lissabon mitgebrachten Instruktionen, „nicht zuzulassen, dass die Spanier die Navigation auf dem Rio Guaporé beherrschen“ (dem Grenzfluss zwischen Brasilien und Bolivien) – und sich die Bewohner der Capitania „militärisch trainiert und diszipliniert“ erhalten, für den Fall eines Falles.
1750 handelt Portugal mit Spanien ein Abkommen aus, in dem die damaligen Grenzen anerkannt wurden – zirka 10 Jahre später wird dieses Abkommen von den Spaniern wieder für nichtig erklärt – und etwas später, im „Traktat von S. Ildefonso“, 1777, wieder rückgängig gemacht – jetzt schon unter der Regierung von „Luís de Albuquerque Pereira e Cáceres“, dem fähigsten aller „Capitães-Generais“, die je die Capitania von Mato Grosso regiert haben.
Die Serie von Befestigungen, welche im Lauf dieser Regierungen geschaffen wurden, ist bezeichnend für die Entschlossenheit Portugals, auf jeden Fall die Grenzen Mato Grossos gegen den von Spanien okkupierten Teil des südamerikanischen Kontinents zu halten. Die Forts „Fecho-dos-Morros“, „Vila Maria“, „Albuquerque“ (heute „Coimbra) – „Corumbá“ und „Cáceres“ entstanden zur Zeit dieser allgemeinen Besorgnis. Am Rio Guaporé errichtete man das Fort „Principe da Beira“ und das Fort „Miranda“, auf dem Ufer von Mato Grosso, gegen das von den Spaniern erbaute „Forte de San José“ auf der bolivianischen Seite – so wie die Spanier ihrerseits das „Forte Olimpo“, in Paraguay, später dem portugiesischen „Forte Coimbra“ gegenübersetzten.
Kampf mit den „Castelhanos“
Und diese Befestigungen waren gewiss nicht zur Dekoration aufgestellt worden. Relativ ruhig verhielten sich die Nachbarn auf der bolivianischen Seite. Es war die Seite von Paraguay, die „vor allen andern, grösste Aufmerksamkeit verdient“. Und dann erreicht, mit einer neuen Auseinandersetzung zwischen den beiden Metropolen in Europa, die Kriegserklärung den Gouverneur von Paraguay, „Lázaro de Ribera“, und dieser – noch bevor der „Capitão-General“ von Mato-Grosso das Fort Coimbra erreichen kann – greift die überraschten portugiesischen Soldaten dort mit drei Kanonen und Artillerie an.
Die gewaltige Mauer des Forts hält der Kanonade stand. Daraufhin schickt der „Castelhano“ dem Kommandanten des Forts, „Ricardo Franco de Almeida Serra“ ein Ultimatum: „Portanto, yo requiero a V.S. se rienda prontamente a las armas de El-Rey mi amo, pues de lo contrario el cañón y la espada decidirán la suerte de Coimbra, sufriendo su desgraciada guarnición todas las extremidades de la guerra“ – und gibt ihm eine Stunde Bedenkzeit.
Der portugiesische Kommandant beweist die von den Chronisten aufgestellte These, dass „das Ungleichgewicht der militärischen Kräfte die Portugiesen stets stimuliert hat, sich besonders tapfer zu verhalten und ihre Posten bis zum letzten Mann zu verteidigen“ – neun Tage lang trotzen sie dem Bombardement und allen Angriffen – und „Dom Lázaro de Ribeira“ zog sich zurück und begnügte sich lediglich damit, seine Grenztruppen zu verstärken.
Diese Grenzklüngeleien mit den Spaniern zogen sich über fast 100 Jahre lang hin. Zwischendurch erklärte man sich mehrere Male den Krieg, aber jedes Mal war es mit ein paar mehr oder weniger groben Rempeleien abgegangen. In Mato Grosso wechselten sich während dieser Zeit „Capitães-Generais“ in der Regierung ab, deren unbeugsame und tapfere Haltung viel dazu beigetragen hat, dass die Herrschaft der Portugiesen in Mato Grosso niemals infrage gestellt werden konnte. Das Gold jedoch, welches einmal dem neuen Bundesstaat soviel Ansehen und Anziehungskraft verliehen hatte, lag schon nirgends mehr einfach so im Sand herum. Die Bewohner hatten angefangen, sich mit der Landwirtschaft und der Viehzucht zu beschäftigen. Die „Capitania von Mato Grosso“ war jetzt bekannt unter dem Spitznamen „das Armenhaus Brasiliens“, und seine Regierenden beklagten sich, dass sie ein solch dekadentes Land zu regieren hatten.
Die Unabhängigkeit
Sie kam auch für die Menschen in Mato Grosso. Ein einsamer Wanderer brachte die Nachricht von der Abreise des portugiesischen Königs Dom João VI. in die Hauptstadt Vila Bela – jetzt Hauptstadt der „Provinz Mato Grosso“. Mit der Ankunft des ersten Gouverneurs, „José Saturnino da Costa Pereira“ (1823) richtete man die Hauptstadt definitiv in Cuiabá ein und machte Schluss mit der bisherigen Dualität – ein Teil der Regierung in Vila Bela und der andere in Cuiabá. 1834 droht eine Revolte gegen alle Portugiesen im Land, die so genannte „Rusga“, die sich in einer furchtbar blutigen Nacht, dem 30. Mai, ein Ventil verschaffte – Soldaten und Zivilisten hatten sich gegen die grosschnäuzige Vormundschaft der portugiesischen Elite erhoben, beraubten ihre Geschäfte und brachten um, wer sich ihnen in den Weg stellte – durch die Intervention des Bischofs „Dom José“ konnte der Aufstand beigelegt werden.
Der Paraguay-Krieg
Die Ruhe und Beschaulichkeit im Land dauerten schon zu lange – bis ins Jahr 1864 – das Land hatte sich entwickelt, eine lange Pause des Friedens vor dem grössten Krieg, in den Brasilien je direkt verwickelt war. Von den möglichen Reiserouten nach Cuiabá hatten sich drei im Laufe der Zeit bewährt: der Wasserweg, derselbe, den wir an der Seite von „Rodrigo César de Menezes“ damals kennen gelernt haben, der Landweg, der über den Bundesstaat Goiás führte und der meistbenutzte, dessen Anfahrt übers Meer führte – bis zur Mündung des Rio do Prata – und von dort flussaufwärts den Rio Paraguai und seine Nebenflüsse, bis zum abgelegenen Sitz der Provinzhauptstadt. Diesen letzten Anfahrtsweg wählte auch „Carneiro de Campos“, der neu ernannte Präsident von Mato Grosso, als sein Boot, die „Marquês de Olinda“, von paraguayischen Milizen angegriffen und alle Insassen gefangen genommen wurden. Dies war der erste feindliche Akt ihres machtgierigen Diktators „Solano Lopez“ und wurde von den Brasilianern als Kriegserklärung aufgefasst. Seine „Castelhanos“ dringen mit einer Kavallerie-Division in den Süden der Provinz Mato Grosso ein, während sie mit einer andern den Rio Paraguay aufwärts fahren, um das Fort Coimbra anzugreifen. Diesmal müssen sich dessen Verteidiger – aus Munitionsmangel – in Richtung Cuiabá zurückziehen.
Auch die Garnison im Süden, in Corumbá, zieht sich ohne Feuerprobe, still und heimlich zurück und flüchtet nach Cuiabá. Die „Castelhanos“ besetzen die beiden Forts und begnügen sich vorerst damit, diese Stellungen zu halten.
Viel mehr ist ihnen auch später nicht gelungen. Aus ganz Brasilien strömten in Cuiabá Freiwillige zusammen, die ihr Vaterland gegen die Castelhanos verteidigen wollten. Zwei Jahre nach der Invasion, die kaum über ihre Stellungen im Süden von Mato Grosso hinausgekommen ist, hat „Couto de Mahalhães“, der in Cuiabá isolierte Gouverneur, so viele begeisterte Kämpfer beisammen, dass er den Angriff auf das Fort in Corumbá wagen kann – und wirft die Castelhanos aus dem Land. Aber zu welchem Preis: als seine siegreichen und siegestrunkenen Männer in Cuiabá eintreffen, schleppen sie einen fürchterlichen Pocken-Virus mit sich – der in kurzer Zeit die Hälfte der Bevölkerung dahinrafft. In aller Eile musste ein Extra-Friedhof für die Epidemie-Opfer angelegt werden.
Der Frieden
Mit ihm kehrten erneut Ruhe und wirtschaftliches Wachstum in Mato Grosso ein – und die neuen Präsidenten, „Hermes da Fonseca, Floriano Peixoto“ und „Cunha Matos“ machten brasilianische Geschichte. Der letzte in der Reihe war auch letzter Präsident der imperialen Periode. Eine Periode, die in Mato Grosso länger währte als in der allgemeinen brasilianischen Geschichte – die Nachricht vom 15. November erreichte Cuiabá nämlich erst am 9. Dezember – und zwar mittels des Dampfers „Coxipó“, der mitten in der Nacht anlegte und mit seiner Dampfpfeife die ahnungslosen Bürger aus den Betten holte.
Die Republik
Wie in anderen Bundesstaaten auch, hatte die Geschichte der Republik in Mato Grosso ihre politischen Agitationen, Zusammenstösse der Parteien, ab und an auch mit Waffengewalt – all das musste sich erst schleifen, angleichen, evaluieren. Aber es ist keine Frage, dass der Bundesstaat sich seit der Republik schneller entwickelt hat, endlich ein funktionsfähiges Kommunikationssystem besitzt, mit São Paulo seit 1914 durch die Eisenbahn verbunden ist – die in den letzten Jahren nach Paraguay und Bolivien verlängert wurde. Landstrassen und die ersten Flugverbindungen kommen in den folgenden Jahrzehnten und machen endlich Schluss mit der Isolation von über zwei Jahrhunderten. Schon seit dem Ende des Imperiums (1888) wandern Neusiedler aus Minas Gerais und Rio Grande do Sul in den südlichen Teil von Mato Grosso ein, in einem kontinuierlichen Strom.
Mit dem Bau der Landeshauptstadt Brasília (1960) gewinnt schliesslich die gesamte geografische Lage des ehemals so abseitigen Bundesstaates Mato Grosso eine völlig neue und vorteilhafte Konstellation. Der so lange ersehnte Aufbruch nach Westen ist endlich in vollem Gange, und die über so lange Zeit fast unzugänglichen „Sertões“ sind nur noch wenige Flugstunden von den Metropolen an der Küste entfernt. Und das Gold? Es ist nicht mehr vorhanden – aber es wird wohl nie so ganz aus der Erinnerung getilgt werden können.
Anmerkung
Im Jahr 1977 wurde Mato Grosso in zwei Bundesstaaten aufgeteilt: „Mato Grosso do Sul“ und „Mato Grosso do Norte“ (später nur noch „Mato Grosso“. Der vorliegende „Auszug aus der Geschichte“ betrifft also beide Bundesstaaten als ein damals noch Ganzes.