Die Schlangeninsel im Bundesstaat São Paulo

Zuletzt bearbeitet: 13. Juni 2022

“Queimada Grande“ und die winzige Nachbarinsel “Queimada Pequena“, etwa zwölf Kilometer näher an der Küste des Festlandes, gehören zur Gemeinde Itanhaém im Bundesstaat São Paulo, südwestlich der Großstadt Santos. Beide sind unbewohnt und schwer zugänglich.

Die Schlangeninsel Queimada Grande – Foto: Screenshot

Die Inseln bestehen aus Granit. Sie wurden erst zum Ende der letzten Eiszeit, am Ende des Pleistozäns, vor 15.000 Jahren, vom brasilianischen Festland getrennt. Queimada Grande ist ein Hügelkamm, dessen größte Höhe 200 m beträgt. Die Küsten bestehen aus schroffen Felsen, die steil ins Meer abfallen. Die Wassertiefe um die Insel beträgt 45 m. Sandstrände gibt es keine, und eine Landung ist sehr schwierig.

Es handelt sich um eine Insel mit felsigem Boden, ohne Sandstrände und ohne Süßwasserquellen. Die Insel, die zum “Umweltschutzgebiet Cananéia-Iguape-Peruíbe“ gehört, weist jedoch eine Besonderheit auf: Sie gilt als die Insel mit der zweithöchsten Schlangenpopulationsdichte der Welt, gleich nach der “Insel Shedao“. in China, welche die höchste Konzentration von Schlangen pro Quadratmeter weltweit aufweist.

Spuren indigener Besiedlung sind nicht gefunden worden. Der Name der Insel, das portugiesische Wort “Queimada“, bezeichnet einen Brand oder eine Brandrodung.

Aus der Geschichte

Man schrieb das Jahr 1532, und der portugiesische Entdecker Martim Afonso de Souza befand sich auf einer Kolonisierungsexpedition entlang der brasilianischen Küste. An der Küste des späteren Bundesstaates São Paulo landeten er und sein Team auf einer kleinen Insel und machten dort Jagd auf Fregattvögel und Haubentaucher. Kurz darauf zündeten sie die Insel an, bevor sie sich auf den Weg machten, um eventuelles Unglück abzuwenden.

Nachdem Brasilien von den Portugiesen kolonisiert worden war, gab es in historischer Zeit Brandrodungen und den Versuch, eine Bananenpflanzung anzulegen, der aber scheiterte. Auf dem nördlichsten Teil des Inselhauptkamms steht ein von der brasilianischen Marine betriebener Leuchtturm mit einem Hubschrauberlandeplatz. Nachdem in wenigen Jahren, und in kurzem Abstand drei Leuchtturmwärter durch Schlangenbisse zu Tode gekommen sein sollen, wird das für Schiffe im Großraum von São Paulo wichtige Leuchtfeuer automatisch betrieben.

Schlangen und andere Tiere

Queimada Grande trägt noch teilweise Primärvegetation, den Atlantischen Wald, besonders an den westlichen Hängen und auf den Bergspitzen. Der Wald an den östlichen Hängen ist viel niedriger gewachsen, weil er ständig starken Winden ausgesetzt ist, die zudem den Boden mit Salz anreichern. Auf etwa einem Fünftel der Fläche, die früher von Wald bedeckt, aber dann gerodet worden war, wachsen nun eingeschleppte Gräser. Seit der Rodung wurde die Vegetation der Insel nicht mehr anthropogen (menschengemacht) verändert.

Der Name „Queimada Grande“ kommt nicht von ungefähr, denn die Marine selbst hat die Insel mehrmals aus Angst vor den Schlangen in Brand gesetzt. Diese Praxis wurde einige Jahrhunderte lang gepflegt, um der übermäßigen Schlangenpopulation Einhalt zu gebieten. Es handelte sich um große Brände, die mehrmals vom Festland aus zu sehen waren.

Außer den Schlangen, die die Insel bekannt gemacht haben, gibt es an Land wenig andere Tiere. Eidechsen und Leguane sind selten, ebenso eine weitere endemische Art der Insel, der Knickzehenlaubfrosch (Scinax peixotoi) An der Uferlinie leben einige Amphibienarten. Zugvögel, die auf der Insel rasten, sind die Hauptnahrungsquelle für die Schlangen der Insel.

Die Insel-Lanzenotter

Im Jahr 1911 schickte der Leuchtturmwärter Antônio Esperidião da Silva Exemplare der “Jararaca-ilhoa“ (Insel-Jararaca) nach “Butantan“ (Schlangeninstitut in São Paulo), womit alle Forschungen diese Art betreffend begannen.

Die Insel Queimada Grande war einst weltweit der Platz mit der höchsten Giftschlangendichte überhaupt. Allerdings ist die verschiedentlich kolportierte Behauptung, es lebten auf der Insel vier bis fünf Giftschlangen pro Quadratmeter, ein Mythos.

Auf der etwa 430.000 m² großen Insel gab es Anfang des 20. Jahrhunderts ungefähr 15.000 endemische Insel-Lanzenottern (Bothrops insularis), die zur Familie der Grubenottern (Crotalidae) gehören. Erst 1921 wurde die Insel-Lanzenotter vom brasilianischen Schlangenforscher Afrânio Pompílio Bastos do Amaral (1894–1982), entdeckt, der im selben Jahr Direktor des “Instituto Butantan“ wurde.

Cascavel – Foto: sabiá brasilinfo

Amaral untersuchte die Giftwirkung und meinte, dass das Gift der Insel-Lanzenotter wahrscheinlich das am schnellsten wirkende Gift aller Lanzenottern sei. Das hing damit zusammen, dass die bevorzugten Beutetiere kleine Vögel seien, welche die Schlange mit ihrem Biss flugunfähig machen müssten, damit sie nicht davonflögen und für sie unerreichbar werden.

Nach dem Ersten Weltkrieg schätzte man die Population noch auf 3000–4000 Ottern, doch schon 1930 ergab eine Reihenuntersuchung, dass 50 Prozent der Tiere Männchen, nur 10 Prozent Weibchen und 40 Prozent intersexuell, also weibliche Tiere mit männlichen Begattungsorganen (Hemipenis) sind – Ergebnis: Die Population ging kontinuierlich zurück.

Die Forscher des “Instituto Butantan“ nehmen an, dass wegen der Isolation der Insel-Lanzenotter seit der letzten Eiszeit der Genpool sehr kleingeworden ist und inzuchtbedingte erbliche Störungen der Grund für ihr Schwinden sind. Man vermutet, dass die Insel-Lanzenotter in naher Zukunft aussterben wird.

Inzwischen steht die Insel unter Naturschutz. Am 31. Januar 1984 erklärte der Bundesstaat São Paulo (mit dem Dekret 89.336) die Insel zum “Gebiet von besonderem ökologischem Interesse“. Das Betreten der Insel sowie das Fischen in einem Umkreis von einem Kilometer ist verboten. Zugang gibt es nur für die Wissenschaftler des “Instituto Butantan“ und die Ambienteforscher des “Instituto Chico Mendes“ zur Erhaltung der Biodiversität – eines Bundesorgans, das die Naturschutzgebiete Brasiliens verwaltet.

Die Überwachung von “Queimada Grande“ obliegt der brasilianischen Marine. Es scheint aber, als könne sie den illegalen Fang von Insel-Lanzenottern nicht unterbinden – die inzwischen seltenen Schlangen erreichen bei Liebhabern in den USA bis zu 30.000 USD pro Exemplar, so wird berichtet.

Grasschlange – Foto: Pfeilgiftfeder auf Pixabay

In der US-amerikanischen Regenbogenpresse habe ich in einer ihrer Rubrik “Reisen“, unter dem Titel “Top 10 Places You Don’t Want To Visit” (Zehn Orte, die Sie nicht besuchen möchten), folgende Kurzbeschreibung der “Insel Queimada Grande“ entdeckt – ich zitiere:

“Vor der Küste Brasiliens, fast genau südlich des Zentrums von São Paulo, liegt die “Ilha da Queimada Grande“. Die Insel ist von menschlichen Siedlern unberührt, und das aus gutem Grund. Forscher schätzen, dass auf der Insel zwischen einer und fünf Schlangen pro Quadratmeter leben. Diese Zahl wäre vielleicht nicht so schlimm, wenn die Schlangen, sagen wir mal, 2 Zoll lang und nicht giftig wären.

Bei den Schlangen auf Queimada Grande handelt es sich jedoch um eine einzigartige Grubenotterart, die “Goldene Lanzenkopfotter“. Lanzenkopfschlangen sind für 90 % der Todesfälle durch Schlangenbisse in Brasilien verantwortlich. Die goldenen Lanzenköpfe, die auf der Schlangeninsel leben, werden weit über einen halben Meter lang und besitzen ein starkes, schnell wirkendes Gift, das das Fleisch um die Bissstelle herum zum Schmelzen bringt. Dieser Ort ist so gefährlich, dass für den Besuch eine spezielle Genehmigung erforderlich ist“!

Nun, ich könnte mir vorstellen, dass diese aufgepeppte Schauergeschichte gerade das Gegenteil von dem erreichen wird, was ihr Titel suggeriert – vor allem aber eine Zunahme der Leserzahlen – und das ist ja wohl auch die Absicht des Verfassers.

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AutorIn: Klaus D. Günther

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