Warum der Hahn kräht

Zuletzt bearbeitet: 22. Februar 2013

Ihre Majestät, der Löwe, beschloss eines schönen Tages, alle seine Untertanen zu einem grossen Fest einzuladen. Am festgesetzten Tag wollte kein einziges Tier diese Einladung versäumen – schon am frühen Morgen fing der Palast des Königs der Tiere an, sich zu füllen. Und gegen Mittag hatte sich eine fast unübersehbare Menge eingefunden.

Aber der Löwe bemerkte, dass einer fehlte: der Hahn, wollte der ihn wohl brüskieren? Ihre Majestät schäumte vor Wut. Sofort schickte er einen Trupp Opossums los, um ihn zu holen. Die Opossums betraten den Hühnerstall und machten einen Riesenlärm, um den Hahn zu wecken. Einer von ihnen sagte:

Hahn kräht“Wir kommen Dich holen auf Anordnung des Königs“! Der Hahn kratzte sich den Kopf.
“Ah! Tatsächlich – ich hab’ doch glatt den Termin vergessen und die Stunde verpasst“!
“Und genau deshalb wirst du deine Strafe bekommen“!
“Pardon! Zwingt mich bitte nicht, dort hinzugehen! Was wird der Löwe mit mir machen”?
“Das fragst du noch? Er wird dich fressen“!

Die Opossums bedrohten den Hahn so sehr, dass er mit ihnen ging, um sich dem König zu stellen. Dieser empfing den vor Angst Zitternden mit donnerndem Gebrüll: “Du Mist kratzender Taugenichts, warum bleibst du meinem Fest fern? Dafür wirst du teuer bezahlen“!

“Das hab’ ich nicht getan, weil ich nicht kommen wollte, sondern ich hab’s einfach vergessen – Majestät, bitte verzeiht mir“!

“Ich will von einer Todesstrafe absehen“, sprach da der Löwe,“ weil du dein Vergehen einsiehst – aber von jetzt an, zur Strafe für deine Vergesslichkeit, wirst du nach Mitternacht nicht mehr schlafen – nur nach Sonnenuntergang und gleich danach wieder aufwachen. Um Mitternacht wirst du krähen und auch im Morgengrauen, um zu beweisen, dass du wach bist. Solltest du eine dieser festgesetzten Zeiten verschlafen, laufen du und deine Familie Gefahr, von anderen Raubtieren aufgefressen zu werden“.

Und der Hahn, um nicht zu vergessen, dass er um Mitternacht zu krähen hatte, krähte fortan auch um die Mittagszeit. Und entsprach dem Befehl des Königs, indem er ab dieser Nacht im Morgengrauen seine Stimme erhob. Beim Krähen schliesst er seine Äuglein, und konzentriert sich, um bloss nicht zu vergessen, dass er bald wieder krähen muss – und er kräht auch tagsüber, um nicht zu vergessen, dass er auch im Morgengrauen zu krähen hat.

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