Die Ilha de Boipeba liegt im Bundesstaat Bahia, 320 Kilometer südlich der Hauptstadt Salvador – und hat sich seit Jahren kaum verändert – eine Insel zum Verlieben und Bleiben. Stimmt nicht ganz – aber auch das inzwischen eröffnete extravagante Shopping-Center kann dieser herrlichen Insel den Titel des Schönsten Strandparadieses Brasiliens nicht nehmen, den ich ihr verliehen habe – mehr als 20 Kilometer märchenhafter Strände!
Eine wichtige Information vorweg: Ich bin voreingenommen, um eine Meinung über Boipeba abzugeben. Die Insel ist für mich eins der schönsten Strandziele Brasiliens – wenn nicht das allerschönste überhaupt! Hab es erst recht spät kennengelernt, im Jahr 2003, und bin dann zweimal zurückgekommen, zum letzten Mal im vergangenen Jahr 2011. In acht Jahren hat sich diese bahianische Insel kaum verändert, obwohl sie sich zwischen der stark besuchten Insel “Morro de São Paulo“ und der bekannten Halbinsel “Barra Grande befindet.
Ab der Mündung des Rio do Inferno (Höllenfluss – die Jesuiten haben ihn so genannt, weil sie mit ihren Booten auf Grund liefen und von Indios angegriffen wurden), wo sich der einzige Inselort und der Flussstrand “Boca da Barra“ befinden, reihen sich Strände aneinander, die kaum oder überhaupt nicht belegt sind: “Tassimirim“ und “Cueira“, mit Hunderten von Kokospalmen, “Moreré“, berühmt wegen seiner Natur-Pools, die absolut einsamen “Bainema“ und “Castelhanos“, an denen eine winzige Fischerkommune existiert. Auf der Westseite der Insel sind es Kilometer und abermals Kilometer mit Mangrovedschungel – und noch weniger Menschen.Nicht so wie in “Morro de São Paulo“ – nach Boipeba fahren keine Autos – es gibt hier keine. Die meisten Besucher kommen über “Morro“ per Boot. Aber der Charakter dieser beiden benachbarten Inseln (Morro de São Paulo und Boipeba, die beide zum Archipel Tinharé gehören) ist grundverschieden – die erste ist oft überlaufen und laut, während die zweite ihr wie eine jungfräuliche Schwester gleicht, die sich vor dem Trubel versteckt hält. Wem er gefällt, der sollte “Morro“ tagsüber besuchen – wer jedoch nachts seine Ruhe haben will, der übernachtet in Boipeba.
Die relativ schwierige Anfahrt und die Tatsache, dass die Insel ein Naturschutzgebiet ist (APA) haben bisher die Erhaltung begünstigt. Hier gibt’s keine Resorts, Luxus-Pools, Beach-Clubs oder Sterne-Hotels. Es ist einer dieser wunderbaren Orte, an denen man an jedem Fluss- oder Strandabschnitt ins Wasser gehen kann, ohne nachzudenken (dass der Atlantik an dieser Stelle besonders ruhig ist, wegen vorgelagerter Riffe, hilft dabei) – man kann nackt baden, wenn einem der Sinn danach steht, man entdeckt auf jedem Meter neue Überraschungen der paradiesischen Natur und fragt sich, was zum Teufel einen daran hindert, einfach hierher zu ziehen. Viele Besucher von ausserhalb haben sich diese Frage gestellt – und sind spontan hergezogen. Einige der besten Restaurants und Pousadas im Ort Boipeba werden von Catarinenses (aus Santa Catarina), Brasilienses (aus Brasília), Franzosen und Amerikanern geführt. Wie das charmante “Santa Clara“, eröffnet von dem Mathematiker Charles Levitan und seinem Bruder Mark – sie sind New-Yorker aus Queens.
Auch der Grossgrundbesitzer von Boipeba ist ein Ausländer. Der Italiener Fabio Perrini hat einen Haufen Geld mit der Entwicklung von Maschinen für die Papierindustrie gemacht – er leitet eine Werft in Italien und ist Besitzer einer Fabrik in Joinville (Bundesstaat Santa Catarina) – unter anderen Geschäften. Ihm gehören 3,5 Quadratkilometer der Insel (und 7 km2 in Morro de São Paulo). Der Strand von “Cueira“ gehört ihm, und er erhält ihn bisher in seiner natürlichen Verfassung wie zu Zeiten der portugiesischen Entdecker. Aber Perrini wird sowohl geliebt wie gehasst, seit er am kleinen Kai von “Boca da Barra“ eine Konstruktion in Auftrag gegeben hat, die an ein Sportstadion erinnert.
Es ist nicht leicht, die Idee dieses Projekts zu verstehen – eine Art “Maracanã“ im Vergleich zu den bescheidenen Bauten von Boipeba. Dort soll ab Februar eine Art Markt stattfinden, mit Käse von den Ziegen, die Perrini in Morro de São Paulo hält, mit Kunsthandwerk, Drogerieartikeln und anderen Handelsgütern). Im Obergeschoss werden 14 Appartements für Touristen angeboten. Während des Baus bewegten viele Traktoren noch mehr Ede – und der Regen riss daraufhin die ungestützten Mauern des benachbarten Friedhofs ein. Und seit kurzer Zeit hat Perrini eine von Mauern gerahmte Piste zum Cueira-Strand anlegen lassen, auf dem er sein Projekt eines Hotel-Resorts verwirklichen will – wie er kürzlich einem TV-Sender erstmals erklärte. Das Projekt besitzt noch keine offizielle ambientale Genehmigung und wurde auch den Bewohnern von Boipeba noch nicht präsentiert, was zu allen möglichen Spekulationen auf der Insel geführt hat. Nach Auskunft von Marcelo Hack, dem Direktor der “Empresas Perrini“ in Brasilien, ist dieses Resort für maximal 30 Zimmer geplant und wird lediglich 1% des Cueira-Strandes besetzen.
Obgleich nun jene Bauvorhaben des Italieners für jahrelangen Unterhaltungsstoff im Örtchen gesorgt haben, und noch sorgen werden, wird die Insel Boipeba noch lange auf ihrem paradiesischen Niveau verbleiben können. Ich kann mich irren, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass der Fischer Guido, berühmt wegen seiner frischen Langusten, die er ausgerechnet am Cueira-Strand vom Grill serviert, plötzlich eine Neonreklame an seinem winzigen Kiosk anbringen wird – bis vor kurzem hatte er nicht mal ein Kiosk sondern nur ein paar Plastiktische, die er nach dem Mittagessen mit Seilen in die Bäume hochzog, damit sie von der Flut nicht weggespült wurden. Ausserdem deutet nichts darauf hin, das sich die Dinge in “Moreré ändern werden, wo ein paar simple Pousadas stehen, ein paar Besucher kampieren und Eingeborene vorzügliche Calamares (Tintenfisch) mit einer “Farofa“ aus Bananen zubereiten, wie zum Beispiel Dona Angélica im Kiosk “Paraíso“. Für Charles, von der “Santa Clara“, der sich selbst als “ewigen Optimisten“ bezeichnet, liegt Boipeba auf der Gewinnseite. “Obgleich es einige Waldzerstörung gibt, könnte die Situation viel schlimmer sein. Viele andere Orte in Brasilien werden degradiert”.
Unter den Inselbewohnern kursiert die Meinung, dass die Gewinne aus einer übereilten Entwicklung “verlockend glänzen, aber kein Gold sind“. Und mein Führer durch die Mangrove-Wildnis des Rio do Inferno, ein netter Mitt-Vierziger mit Namen Iran, meint: “Wir wollen uns nicht zu einem “Morro de São Paulo“ entwickeln“ – während unzählige Krebse über die Luftwurzeln balancierten, erzählt er mir von dem Tag, an dem er sich hier in den Mangroven von seinem Vater entfernte und sich dann verirrte, sodass er die Nacht im Dschungel verbringen musste. Damit nicht genug, bekam er noch einen Rüffel von seinem Vater und eine Superdosis Pfeffer in sein Essen, von seiner Mutter.
Die Insel Boipeba lädt ein zum Faulenzen. Wer die Insel ganz kennenlernen will, der hat lange Fusswege vor sich – oder er mietet sich ein Boot mit ortskundigem Führer. Die Pousadas sind vom Luxus weit entfernt, aber sie genügen in ihrer Einfachheit – den Luxus bietet die Natur ringsum. Von der “Mangabeiras“-Höhe, auf einem Hügel, hat man einen fantastischen Blick auf die Strände – und den Mangaba-Saft gibt es hier umsonst. Die Pousada “Santa Clara“ hat ein vorzügliches Restaurant und einen Massage-Bungalow – ausserdem haben die Gäste eine kleine Bibliothek und eine Sammlung von “Paparbooks“ von Charles zur Verfügung. “Moreré“ hat herrliche Natur-Pools, die von Ausflugsbooten aus Morro de São Paulo besucht werden. Manchmal macht ein bewegtes Meer die Anfahrt schwierig, auch für die Besucher aus Boipeba. Aber Sie verlieren nichts, wenn Sie stattdessen zu den Natur-Pools von Castelhanos schippern, eine Spazierfahrt, die einen Halt an einer Sandbank beinhaltet – unfassbar schön gelegen, die “Coroa Grande“. Die Fahrt ist ganz ruhig, auf dem Fluss, mit einem weiteren Halt zu einem Austern-Aperitif an einer schwimmenden Bar und noch einen Halt zum Mittagessen: Tintenfisch, unvergesslich superb, n der Fischerkommune “Cova da Onca“.
Wie an allen Stränden in Brasilien, ist der Tourismus eine Aktivität, die nur wenig zur Erhaltung des natürlichen Ambientes beiträgt, aber seine begrenzte Entwicklung in Boipeba hat noch keine grösseren Probleme für die Umwelt und auch kaum Unannehmlichkeiten für die Reisenden gebracht – manchmal fehlen Wasser und Licht. Grössere Sorgen macht der Müll der Inselbevölkerung, und niemand weiss genau, ob er bereits das Flusswasser kontaminiert. Die erträumte Brücke zwischen “Itaparica“ und Salvador, lauthals angekündigt von der letzten PT-Regierung von Bahia, wird vielleicht eines Tages die Anfahrt erleichtern und die Dinge im Paradies in Wallung bringen. Dagegen sind die Konstruktionen des Italieners Perini nicht mehr als eine leidige ästhetische Interferenz. Sie werden die Boipebas Reputation kaum beeinträchtigen, als eine Insel, die der Grosse Architekt an einem besonders glücklichen Tag schuf – und dann die Form wegwarf.
Die einzig bedeutende Frage, die mir jetzt noch bleibt, dreht sich um mich, wenn Sie erlauben: “Was mach’ ich eigentlich noch hier – so weit weg von Boipeba“?
Unterkunft in Boipeba
Die besten Pousadas von Boipeba befinden sich entlang des Strandes von “Boca da Barra” und in “Moreré“. Die luxuriöseste und best ausgestattete ist die “Mangabeiras“ (Tel.: 3653-6153 – Tagessatz ab R$ 350 (150 Euro; inklusive: Vollpension) – gelegen auf einem Hügel, den man auf einem steilen Fussweg vom Ort aus erreicht. Sie hat Air-Kondition und LCD-TV, was in brasilianischen Hotels sonst die Regel ist, ausgenommen in Boipeba.
Angepasst an den “local spirit“ ist die Pousada “Santa Clara“ (Tel.: 3653-6085; Tagessatz ab R$ 150; inklusive: Halbpension), wenige Meter bis zum Meer und mit dem besten Restaurant der Insel. Das Frühstück mit Natursäften, Tapioca Maniok-Pfannkuchen) oder Omelett und vielen Früchten, sowie vielem mehr, was das Herz begehrt.
Die kleine “Vila Sereia (Tel.: 3653-6045; Tagessatz ab R$ 278; inklusive: Halbpension) hat nur vier Chalets. Ihr Markenzeichen ist ein kapriziöses Frühstück, das auf der Veranda der Zimmer serviert wird.
Die Pousada Alizées Moreré (3653-8917; Tagessatz ab R$ 380; inklusive: Halbpension) ist eine romantische Option in “moreré“ – mit spektakulärer Sicht aufs Meer und hängenden Decks – weil dies für Kleinkinder gefährlich sein kann, sind Kinder unter sechs Jahren nicht erlaubt.
Essen
Die besten Restaurants von Boipeba sind die Pousada “Santa Clara”, deren Menüs täglich wechseln (Montags geschlossen), und die Kiosks entlang der Insel. Das von Guido, am Strand von Cueira, funktioniert nur zum Mittagessen. Seine Langusten kommen morgens aus dem Meer direkt auf seinen Grill über Palmstroh. Seine “Languste mit Ananas“ gehört zu den besten “Fuss-im-Sand-Mahlzeiten“, die Sie in Brasilien finden werden… Der “Quiosque Paraíso“, so heisst Guidos Place in “Moreré“. Und Sie können einen fantastischen Kraken in der Kommune “Cova da Onça“ oder im Restaurant “Toca da Onça“ bekommen.
Ausflüge
Schön ist es, auf der Insel zu wandern. Aber die Sonnenhitze und die Entfernungen “Moreré“ liegt zum Beispiel 1 Stunde zu Fuss von “Boca da Barra“) können den weniger konditionierten Besuchern ziemlich zu schaffen machen. Es ist einfach, entsprechende Ausflüge per Boot oder zu Pferd am Ortsstrand abzuschliessen. Konsultieren Sie die Guias der “Asconturb“ (Tel.: 3653-6357), die ein Outdoor in “Boca da Barra“ aufgestellt haben – oder Sie konsultieren Freelancer, wie den nativen Iran (Tel.: 3653-6123). Und versäumen Sie auf keinen Fall eine Tour zu den Natur-Pools von Castelhanos – mit Halt in “Coroa Grande“, Mittagessen in “Cova Grande“ und, auf dem Rückweg, ein Bier mit Austern, um den Sonnenuntergang von der schwimmenden Bar aus zu bewundern.
So kommt man hin
Die schnellste Art und Weise ist per Flugzeug von Salvador aus – in einer halben Stunde schafft das die Fluggesellschaft “Addey” (Tel.: (55-71) 3204-1393). Das ist teuer, R$ 374 (zirka 162 Euro) one way. Vom maritimen Terminal in Salvador aus kann man auch per Katamaran bis “Morro de São Paulo“ schippern, um von dort ein Boot bis Boipeba zu chartern. Diese Reise kommt auf R$ 145 (zirka 63 Euro). Eine weitere Option ist vom Hafen in Valença aus per Boot – eine komfortable Alternative für R$ 35 (zirka 15 Euro). Wer per Auto da ist, sollte den Wagen auf einem improvisierten Parkplatz im Ort “Torrinhas“ (Distrikt “Cairu“) zurücklassen – von dort fahren Linienfähren um 7:00, 12:00 und 14:00 Uhr ab (1 Stunde Fahrt – R$ 8 (zirka 3,5 Euro).