Aus dem Reich der Insekten: Die “Gottesanbeterin“

Zuletzt bearbeitet: 8. November 2021

Die Gottesanbeterin hat ihren Namen von den hervorstehenden Vorderbeinen, die sich in einer scheinbaren Geste der Hingabe zusammenfalten, eine Geste, die gelassen und gefühlvoll wirkt. Sie ist jedoch nicht so sanftmütig, wie sie erscheint. Tatsächlich sind alle Gottesanbeterinnen Raubtiere, die aus dem Hinterhalt angreifen und sich dazu blitzschnell bewegen können.

Gottesanbeterin – Foto: Valery Pavlov auf Pixabay

Das in verschiedenen Kontinenten mit gemäßigten Temperaturen vorkommende Insekt gehört zur Familie der “Fangschrecken“ (Mantidae) – die sich mit circa 2000 Unterarten über die ganze Welt verbreitet haben. In Mitteleuropa ist die Art “Mantis religiosa“ beheimatet, eine Fangschrecke, die auch in den gemäßigten Zonen Asiens und Nordafrikas vorkommt. Außerhalb Europas ist sie als “Europäische Fangschrecke“ bekannt, und in Deutschland nennt sie der Volksmund “Gottesanbeterin“, weil sie beim Lauern auf Beute ihre Vorderbeine aufrecht hält, als ob sie zum Gebet gefaltet wären.

Lassen Sie sich jedoch nicht von ihrer engelsgleichen Pose täuschen, wenn eine Biene oder Fliege in ihrer Reichweite landet, streckt sie blitzschnell ihre Arme aus und packt das unglückliche Insekt. Die Vorderbeine der Gottesanbeterin sind mit scharfen Stacheln versehen, die es ihr ermöglichen, die Beute beim Fressen fest zu packen. Einige größere Exemplare fangen und fressen Eidechsen, Frösche und sogar Vögel. Die Gottesanbeterin sollte also treffender als “Fangschrecke“ bezeichnet werden. In Brasilien hat die scheinbare “Gebetspose“ des Insekts ihm ebenfalls einen ähnlich irreführenden Namen eingetragen – hier nennt man sie u.a. “Louva-a-Deus“ (Lobe-Gott).

Die “Europäische Gottesanbeterin“ (Mantis religiosa) ist 5-7,5 cm lang, meist grün mit brauner Färbung, in der Regel ihrer Umgebung perfekt angepasst und aufgrund ihrer meist unbeweglichen Haltung auch schwer zu entdecken. Obwohl ein Fleischfresser und beeindruckendes Raubtier, ist die Gottesanbeterin für den Menschen völlig harmlos und sogar eine nützliche Art, da sie viele schädliche Insekten frisst, darunter die Raupe der Zigeunermotte, viele Blattläuse, Fliegen, Milben und Heuschrecken, und wenn ein Individuum auf ein anderes seiner Art trifft, zeigt es kannibalisches Verhalten.

Die Europäische Gottesanbeterin ist also ein Einzelgänger, der sich nur einmal im Jahr zur Paarung trifft – und es ist allgemein bekannt, dass die Weibchen die Männchen nach der Paarung auffressen.

Lebenszyklus

Die Fangschrecken – wie ich sie im Verlauf meiner Betrachtungen nennen will – durchlaufen eine einfache Metamorphose mit drei Lebenszyklusstadien: Als Ei, als Nymphe und als erwachsenes Insekt. Die Weibchen legen 200 oder mehr Eier in eine schaumige Masse, die als “Oothek“ bezeichnet wird und die Eier während ihrer Entwicklung härtet und schützt. Die Nymphe schlüpft aus der Eimasse als winzige Version der erwachsenen Fangschrecke. Im Laufe ihres Wachstums häutet sich die Nymphe mehrmals, bis sie funktionierende Flügel entwickelt und die Erwachsenengröße erreicht. In gemäßigten Klimazonen leben die erwachsenen Tiere vom Frühjahr bis zum Herbst, wenn sie sich paaren und Eier legen, die dann überwintern.

Europäische Fangschrecken legen ihre Eier in der Regel im Spätsommer oder Herbst ab, und die Jungtiere entwickeln sich über die Wintermonate in der Oothek. Die schaumige Hülle isoliert den Nachwuchs gegen die Kälte und bietet ihm einen gewissen Schutz vor Fressfeinden. Je nach Umweltvariablen und Art kann es 3-6 Monate dauern, bis die Nymphen aus der Oothek schlüpfen – in der Regel im Frühjahr oder Frühsommer – hungrig und bereit, andere kleine Wirbellose zu jagen. Sie beginnen sofort, sich auf der Suche nach Beute zu verteilen.

Gottesanbeterin – Foto: Josch13 auf Pixabay

Ernährung

Sie fressen Schmetterlinge, Motten, Fliegen, kleine Wespen und Bienen, Wanzen und Raupen. Obwohl sie wegen ihres unersättlichen Appetits als Nützlinge gelten, fressen diese Fangschrecken fast alles, was sie fangen können, und unterscheiden daher nicht, ob ihre Mahlzeit für den Menschen nützlich ist oder nicht!

Kannibalismus

Die weibliche Gottesanbeterin wird im Volksglauben oft als böse Verführerin dargestellt, als kannibalische Geliebte, die Männchen anlockt, um sie nach der Paarung zu verspeisen. Die Gerüchte über die kannibalischen Tendenzen der “Gottesanbeterin“ entstanden, als Wissenschaftler ihr Paarungsverhalten in einer Laborumgebung beobachteten. Entomologen boten einem in Gefangenschaft lebenden Weibchen einen potenziellen Partner an und mussten oft mit Entsetzen beobachten, wie das Weibchen dem kleineren Männchen den Kopf oder die Beine abbiss – manchmal sogar vor der Paarung. Nachdem das Männchen seinen Begattungszweck erfüllt hatte, war es nichts weiter als eine gute Mahlzeit für das Weibchen und ihren Nachwuchs.

Nachdem Wissenschaftler begannen, den Sex der Gottesanbeterinnen in natürlicher Umgebung zu beobachten, nahm die Geschichte ein anderes Ende, was gut für die Männchen ist. Wenn sie nicht in einem Laborterrarium eingesperrt sind (und nicht hungern müssen), endet die Mehrzahl der Paarungen der Gottesanbeterinnen damit, dass das Männchen unversehrt davonfliegt. Nach den meisten Schätzungen kommt sexueller Kannibalismus durch Fangschrecken-Weibchen außerhalb des Labors in weniger als 30 Prozent der Fälle vor.

Das sind bessere Chancen für die Artgenossen als die, die im Labor beobachtet wurden. Wie sich herausstellte, ist der Sex mit Fangschrecken in Wirklichkeit eine ziemlich romantische Abfolge von Balzritualen und Tänzen, die in der Regel für beide Seiten zufriedenstellend und sicher endet.

Fortpflanzung

Wenn die männlichen Fangschrecken die Wahl zwischen verschiedenen Weibchen haben, wenden sie sich den Weibchen zu, die als weniger aggressiv angesehen werden – also die sie nicht gerade dabei beobachtet haben, wie sie ein anderes Männchen gefressen haben. Die Männchen neigen auch dazu, sich lieber mit Weibchen zu paaren, die dicker und wohlgenährter erscheinen als andere, da die dünneren und hungrigeren Gottesanbeterinnen eher dazu neigen, ihre Partner während oder nach dem Sex zu fressen. Dies könnte allerdings auch darauf hindeuten, dass sich die Männchen eher zu gesünderen Weibchen hingezogen fühlen, um ihre Nachkommen zu schützen.

Gottesanbeterin – Foto: 777mind auf Pixabay

Besondere Eigenschaften

Fangschrecken haben zwei große, zusammengesetzte Augen, die ihnen helfen, visuelle Signale zu entschlüsseln. Seltsamerweise haben sie aber nur ein einziges Ohr, das sich an der Unterseite ihres Bauches, direkt vor den Hinterbeinen, befindet. Das bedeutet, dass die Fangschrecke weder die Richtung noch die Frequenz eines Geräuschs unterscheiden kann. Sie kann jedoch Ultraschall oder Geräusche wahrnehmen, die von echolokalisierenden Fledermäusen erzeugt werden. Studien haben gezeigt, dass Fangschrecken den Fledermäusen recht gut ausweichen können.

Eine fliegende Fangschrecke hält an, lässt sich fallen und rollt sich in der Luft ab, um im Sturzflug vor dem hungrigen Raubtier zu fliehen. Nicht alle Fangschrecken haben ein Ohr, und die, die keins haben, sind in der Regel flugunfähig, so dass sie nicht vor fliegenden Räubern wie Fledermäusen fliehen können.

Eine Amerikanische Fangschrecke

Die “Carolina Mantis“ (Stagmomantis carolina), ist eine mittelgroße Fangschrecke, die in Nord- und Mittelamerika heimisch ist. Diese Art hat einen langen Thorax, und der Kopf und der Thorax sind zusammen fast so lang wie der Hinterleib. Die Flügel sind relativ kurz, insbesondere bei den Weibchen, und reichen nicht bis zur Spitze des Hinterleibs. Die Farbe reicht von grau-braun gesprenkelt bis grünlich-gelb mit leuchtend grünen Flügeldecken und Beinen.

Wie andere Fangschrecken ist auch diese Art ein Generalist, der sich von Gliederfüßern ernährt, aber es wurde auch berichtet, dass sie kleine Frösche und Eidechsen angreift. Sie ergreift ihre Beute mit ihren vergrößerten, raptorialen Vorderbeinen. Sowohl der Oberschenkel als auch das Schienbein sind mit kräftigen Stacheln versehen, um die Beute sicher festhalten zu können.

Eine Chinesische Fangschrecke

Die (Tenodera sinensis) ist eine Art, die in China und anderen Teilen Asiens sowie auf den Inseln vor dem asiatischen Festland heimisch ist. Sie ernährt sich in erster Linie von anderen Insekten, obwohl insbesondere erwachsene Weibchen manchmal kleine Wirbeltiere fangen. So wurde beispielsweise dokumentiert, dass sie sich von kleinen Reptilien, Amphibien und sogar von kleinen Kolibriarten ernähren. Wie die meisten Fangschrecken meiden sie im Allgemeinen giftige Beutetiere, allerdings wurden sie dabei beobachtet, wie sie die Larven von Monarchfaltern fraßen, die Eingeweide jedoch verschmähten.

Die Chinesische Fangschrecke hat einen langen, schlanken, braun-grünen Körper. Sie ist in der Regel länger als die meisten anderen Fangschrecken und erreicht eine Länge von knapp über 11 Zentimetern. Ihre Färbung kann von grün bis braun variieren, mit einem grünen Seitenstreifen an den Rändern der Vorderflügel mit brauner Färbung. Bei schwachem Licht erscheinen die Augen der Fangschrecke schwarz, bei Tageslicht sind sie jedoch klar und passen zur Farbe des Kopfes.

Gottesanbeterin – Foto: ElinaElena auf Pixabay

Kurzfassung faszinierender Fakten über die bemerkenswerten Fangschrecken

  • Sie können in Stereo sehen, und dank der Anordnung ihrer Augen haben sie auch ein weites Sichtfeld. Jedes ihrer Augen hat eine “Fovea“ – einen konzentrierten Bereich von Fotorezeptorzellen, der es ihnen ermöglicht, scharf zu sehen und zu verfolgen. Und die Fangschrecken können nicht nur dreidimensional sehen, sondern die Forschung hat auch herausgefunden, dass ihr dreidimensionales Sehen anders funktioniert als bei allen bisher bekannten Formen der Natur.
  • Fangschrecken sind die einzigen Insekten, die ihren Kopf von einer Seite zur anderen drehen können. Die Fähigkeit, den Kopf zu drehen, ohne den Rest des Körpers zu bewegen, ist ein entscheidender Vorteil für die Fangschrecke bei der Jagd, da sie sich so mit minimaler Bewegung an ihre Beute heranschleichen kann.
  • Fangschrecken sind äußerst talentiert in Sachen Tarnung. Sie nehmen die Form von Blättern, Stöcken und Ästen an, wie viele andere Insekten auch, aber sie gehen noch einen Schritt weiter. Einige Fangschrecken häuten sich am Ende der Trockenzeit und werden dann schwarz, wobei der Zeitpunkt ihrer Verwandlung genau auf die von Buschfeuern geschwärzte Landschaft abgestimmt ist. Ihre Mimikry ist perfekt – einige sind wild verziert – andere sehen so überzeugend aus, dass ahnungslose Insekten sich ihnen nähern, um Nektar von ihnen zu sammeln … und dann als willkommene Mahlzeit enden.
  • Fangschrecken sind Fleischfresser mit einer Vorliebe für Lebendfutter. Sie können Gärtnern bei der Schädlingsbekämpfung helfen, da sie potenziell schädliche Insekten wie Käfer, Grillen und Heuschrecken fressen. Allerdings sind sie keine wählerischen Fresser – es ist bekannt, dass sie auch nützliche Insekten wie einheimische Bienen und Schmetterlinge fressen, so dass ihr Gesamteffekt auf die Schädlingsbekämpfung schwer vorherzusagen ist.
  • Und sie ernähren sich nicht nur von Insekten. Sie haben es auch auf andere Gliederfüßer wie Spinnen und manchmal sogar auf kleine Wirbeltiere abgesehen. Einige Fangschrecken sind dafür bekannt, dass sie neben Fröschen und Eidechsen auch Kolibris, Grasmücken, Sonnenvögel, Honigfresser, Fliegenschnäpper und Rotkehlchen fressen.
  • Auch wenn sie sich an Kolibris heranpirschen können und selbst meisterhafte Jäger sind, werden Fangschrecken auch selbst gejagt. Zu ihren Fressfeinden gehören die größeren Frösche, Eidechsen und Vögel sowie bestimmte Spinnenarten.
  • Männliche Fangschrecken überleben die Paarungszeit nicht immer. Zwischen 13 und 28 Prozent der Paarungsbegegnungen enden mit sexuellem Kannibalismus, bei dem die weibliche Gottesanbeterin den Kopf des Männchens abbeißt und es frisst. In einer Studie aus dem Jahr 2016 fanden Forscher heraus, dass Weibchen, die ihren männlichen Partner kannibalisierten, deutlich mehr Eier produzierten als solche, die dies nicht taten, was darauf hindeutet, dass ihr kannibalistisches Verhalten die Chance auf eine erfolgreiche Fortpflanzung erhöhen könnte.
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AutorIn: Klaus D. Günther

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