In Brasilien gibt es zahlreiche tropische und subtropische Früchte. Eigentlich sind es so viele, dass man sie sich kaum alle behalten kann. Zumal viele Mitglieder im Obstgarten Brasiliens für einen Europäer nicht unbedingt leicht auszusprechen sind. Nachfolgend wollen wir Ihnen einige vitaminreiche Leckereien etwas näher vorstellen.
FRÜCHTE AUS AMAZONIEN
Der gezielte Anbau von Früchten in der weiten Landschaft Amazoniens wurde von den lokalen Eingeborenen in die Wege geleitet: in der Nähe ihrer “Malocas“ (Hütten) legten sie die ersten Obstgärten an, in die sie verschiedene Fruchtbäume des Regenwaldes umpflanzten. In vielen Fällen hatten diese Pflanzungen auch einen spirituellen Hintergrund, denn nach den Vorstellungen der Waldbewohner war eine schöne und vor allem wohlschmeckende Frucht eine besondere Gabe ihrer Götter, und als solche gehörte es sich, sie zu pflegen und mit der Gemeinschaft zu teilen.
Im Lauf der Kolonisation wurden zahlreiche andere Frucht-Spezies aus anderen Regionen Brasiliens und sogar anderen Kontinenten in Amazonien eingeführt, welche die schon bemerkenswerte Artenvielfalt im „amazonensischen Obstgarten“ noch erweiterten. Viele von ihnen fanden dort ein dermassen günstiges Ambiente, dass es zumindest dem Laien heute schwer fällt, die Originale von den eingeführten Arten zu unterscheiden. Dies ist auch der Fall der so genannten „Abricó“ – die man in Brasilien als „Abricó-do-Pará“ kennt, weil sie in diesem Bundesstaat Amazoniens besonders häufig ist. Oder die „Ameixa-de-Madagascar“, eine Pflaumenart, die man in Amazonien „Cereja-de-Cametá“ genannt hat, nach der Stadt, in deren Umkreis sie sich besonders gut entwickelt hat – und damit eigentlich eine „Kirsche“ (Cereja) bezeichnet. Oder die gemeine Mangofrucht (Manga), welche der Stadt Belém ihre Bezeichnung „Stadt der Mangobäume“ verliehen hat.
Der amazonensische Schriftsteller Leandro Tocantins hat auf geradezu brillante Art und Weise die aussergewöhnliche Vielfalt von Früchten seiner Heimat in seinem Buch „Der Fluss bestimmt unser Leben“ festgehalten – er schreibt: „In diesem Garten Eden entdeckt auch der exzentrischste Gärtner eine Frucht, welche sich mit seinem Geschmack in perfekter Harmonie verbindet“.
Die Zahl der verschiedenen Arten aus Amazonien, welche essbare Früchte hervorbringen, ist immer noch eine besondere Herausforderung für Botaniker und andere Wissenschaftler. Einige sprechen von annähernd 200 Spezies mit dem Potential zur systematischen Kultivierung. Andere meinen, dass es mindestens doppelt so viele seien. Aber niemand wagt es, genaue Angaben zu machen – das ist das Geheimnis der Götter des Waldes. Alle sind sich jedoch einig in der Meinung, dass die Amazonas-Region die letzte und auch bedeutendste „Schatztruhe“ tropischer Früchte-Arten darstellt. Viele von ihnen den Botanikern noch unbekannt, unbekannt auch den Landwirtschafts-Experten oder dem Publikum im Allgemeinen, denn sie werden und vergehen an Stellen, die schwierig zu erreichen sind, inmitten des tiefsten Dschungels. Allerdings sind sie in der Regel den Eingeborenen geläufig und werden von deren Kommunen in ihren Speiseplan einbezogen. Aber auch von diesen Arten verbergen sich einige so gut, dass ihr Mysterium bisher lediglich von bestimmten Tieren gelüftet wurde, die sich ihrer zur Nahrung bedienen.
Nicht allein die vielen unterschiedlichen Arten von Früchten Amazoniens sind bemerkenswert, sondern auch die Vielfalt innerhalb der einzelnen Spezies, die in manchen Fällen so unterschiedliche Formen und Farben hervorbringt, dass sie ein Laie kaum einer einzigen gemeinsamen Familie zuordnen würde, zumal das Wunder ihrer Mutationen und der vielfältigen genetischen Verbindungen sie optisch und auch geschmacklich weit von ihren Stammpflanzen entfernt haben. Der „Abieiro“ ist so ein Fall: das Gewicht seiner Frucht beträgt bei einigen Bäumen lediglich 30 Gramm – bei anderen erreicht sie mehr als 1 Kilogramm! Oder die „Pupunheira“, eine Palme, deren Früchte in manchen Fällen mit Stacheln versehen sind, in anderen ohne, und sie können gross oder klein sein, öliges oder mehliges Fruchtfleisch enthalten.
Diese unerschöpfliche Quelle von Geschmack, Aroma und Vitaminen birgt in sich alle Geheimnisse des Waldes. In der fast totalen Fremdheit ihrer Namen präsentieren sich uns jedoch bedeutende Eigenschaften, welche von den einfachen Waldbewohnern in einem einzigen, repräsentativen Begriff festgehalten wurden: „Bacuri“ heisst eine Frucht, weil sie schnell abfällt, wenn sie reif ist – „Abiu“ ist die Frucht mit der weichen Schale – „Açaí“ die Frucht, welche zu weinen versteht, in ihr sammelt sich Wasser – „Cupuaçu“ gleicht einer grossen Kakaofrucht.
Und ihre Bedeutung für die Ernährung der Menschen in ihrem Bereich? Nehmen wir doch nur mal die „Açaí“: Eine kleine Frucht, welche als Saft gepresst, zur täglichen Ernährung eines Grossteils der Amazonas-Bevölkerung gehört – ob reich oder arm, ob Flussbewohner, LKW-Fahrer oder Landarbeiter – eine wahrhaftige gastronomische Ökumene. Und die schon erwähnte „Cupuaçu“?
Die ist im Gegensatz zur „Açaí“ eine grosse Frucht, deren dicke Schale ihr wunderbares Aroma und den unvergleichlichen Geschmack nicht zu verbergen sucht – man kann sie riechen. Ihr Baum, der „Cupuacuzeiro“ ist, langsam aber sicher, auf dem Weg, sich in die Obstgärten der Bevölkerung einzuschmeicheln. Schon gibt es 10.000 Hektar mit diesen kultivierten Bäumen in Amazonien. Das ist schon einiges für einen Baum, der sich noch vor kurzem im Schatten der Urwaldriesen verbarg. Und er wird bereits für seine wirtschaftliche Nutzung veredelt: schon hat man ihn auf eine handlichere Grösse reduziert – seine Produktivität erhöht – und er braucht inzwischen nicht mehr so viel Schatten wie im Regenwald, um gut zu gedeihen.
Die „Castanheira“ (Paranuss-Baum) ist ein anderes Beispiel des Überflusses aus dem Regenwald: eine überzeugende Hypothese stellt die ausgedehnten nativen „Castanhais“ (Gruppierungen von Paranuss-Bäumen) im Regenwald des Amazonas als prekolumbianische Gärten von Eingeborenen dar, die verlassen, vom Regenwald wieder vereinnahmt wurden. Seit dem 19. Jahrhundert werden sie systematisch abgeerntet, aber erst in den letzten Jahren wird der Baum – ein wahres pflanzliches Monument – genauer unter die Lupe der Wissenschaftler genommen, und die Erkenntnisse haben bereits ihre Wirkung gezeigt: die ersten Pflanzungen der Paranuss wurden angelegt.
Sie ist eine Spezies von schwieriger natürlicher Regeneration, und obwohl gesetzlich geschützt, widerfährt der „Castanheira“ doch grosser Schaden durch die kontinuierliche Verschlechterung der ambientalen Bedingungen in und um ihre Bestände herum: zum Beispiel die Zerstörung eines Gebiets durch Feuer, dabei werden ganze Baumgruppen vernichtet oder unfruchtbar gemacht. Und der stille Protest der Pflanze: ohne Insekten zu ihrer Verbreitung stellt sie ihre Fruchtproduktion ein.
Die wundervollen Tropen-Spezies, wie „Araticum, Bacaba, Buriti, Murici, Bacuri, Sapota-do-Solimões, Sapucaia, Araça-Boi, Araça-Pera, Biribà, Sorva, Pequiá, Mucajá und so viele, viele andere Arten werden inzwischen für eine Ära neuer Kulturpflanzen vorbereitet. Dann werden sie nicht länger zu den Kuriositäten in botanischen Gärten gehören, sondern unter den bedeutenden Komponenten tropischer Obstgärten der ganzen Welt den ihnen gebührenden Platz innehaben. Und, während Sie auf diese neue Ära der kultivierten Früchte aus Amazonien warten, möchten wir Ihnen mit unseren Beschreibungen im BrasilienPortal schon ein bisschen die Geschmacksknospen kitzeln.
FRÜCHTE AUS DEM CERRADO
Die Region, welche vom Ökosystem des „Cerrado“ vereinnahmt wird, erstreckt sich besonders über die brasilianischen Bundesstaaten Minas Gerais, Goiás, Mato Grosso, Mato Grosso do Sul, Tocantins, Bahia, Maranhão, Piauí und den Regierungsdistrikt von Brasília, und entspricht damit rund 25% des nationalen Territoriums. Diese Region empfängt uns mit grossen Unterschieden bezüglich ihres Klimas, ihres Bodens, ihrer Fauna und Flora.
Der klimatische Ablauf beinhaltet, in der Regel, eine Regenperiode (im Frühling und Sommer) und eine Trockenperiode (Herbst und Winter) – beide deutlich definiert. Die Böden sind, in den meisten Fällen, alt, sehr tief, gut durchlässig, mit einer ebenen Oberfläche oder leicht gewellt – sie präsentieren eine hohen Säuregehalt, geringe natürliche Fruchtbarkeit und eine ebenso geringe Kapazität zur Speicherung von Wasser.
Trotz dieser aufgeführten Nachteile für eine Entwicklung und das Wachstum von Pflanzen, überrascht uns der Cerrado mit einer enormen Vielfalt von Arten. Und hinter seiner bisher immer noch viel zu wenig studierten Vegetationsvielfalt, verbirgt sich ein grosses Nahrungs-, Holz-, Energie-, Landwirtschafts-, Futtermittel- und Heilkräuter-Potential. Auch eine Unendlichkeit von typischen Fruchtbäumen existiert hier, die Mensch und Tier in diesen Gebieten schon seit Urzeiten zur Nahrung dienen, und die eine Erhaltung ihres Biotops rechtfertigen. Indem sie besondere Ernte- und Sammeltechniken entwickelt haben, verstehen die Einheimischen aus den Früchten des Cerrado – in der Regel viel kleiner und unscheinbarer als die aus Amazonien, aber durchaus vergleichbar in ihrem Vitamingehalt – wahrhaftige regionale Köstlichkeiten zu bereiten: wie zum Beispiel Liköre, Süssspeisen, Gelees und Kompotte, Breie und Kuchen, Säfte und Speiseeis. Und das Interesse an diesen Früchtchen hat inzwischen die Gesellschaft in allen möglichen Segmenten erreicht: Bauern, Händler und Angestellte, Hausfrauen und Geschäftsleute, Wissenschaftler und Techniker, Kooperativen und Universitäten, Gesundheitsministerien und Nahrungsmittelindustrien.
Das besondere Interesse der Industrie an den Früchten aus dem Cerrado nahm erst in den 40er Jahren zu. Nehmen wir den Baum der „Mangaba“ zum Beispiel, er wurde während des Zweiten Weltkriegs zur Gewinnung von Latex benutzt. „Babaçu“ und „Macaúba“ untersuchte man während der 70er Jahre zum ersten Mal näher – das war während der Ölkrise – die beiden Früchte bewiesen ihre Tauglichkeit, das Dieselöl ersetzen zu können! Die Frucht des „Pequi“ wird bereits industriell verarbeitet – ihr Öl wird in Büchsen gefüllt und exportiert. Das Fruchtfleisch und das Öl der „Macaúba“ benutzt man heute noch als Rohstoff zur Fabrikation von Kokos-Seife. Das “Palmito“ (Palmenmark) vom „Guariroba“ wird seit kurzer Zeit als Konserve gehandelt – wie der bekannte „süsse Palmito“. Die Kerne des „Baru“ werden seit kurzer Zeit ebenfalls exportiert. Die Speiseeis-Sorten von „Araticum, Pequi, Cagaita und Mangaba“ sind grosse Renner in den Eisläden des Regierungsdistrikts von Brasília und in Belo Horizonte.
Vom gesundheitlichen Standpunkt aus präsentieren die Früchte des Cerrado bedeutende Mengen von Fruchtzuckern, Proteinen, Vitaminen und Mineralien. Und ein besonderer Aspekt sind ihr unvergleichlich köstliches Aroma und ihr extravaganter Geschmack, die demjenigen, der sie zum ersten Mal probiert, in der Regel, nicht mehr aus dem Kopf gehen. Bleibt zu hoffen, dass die von uns vorgestellten wild wachsenden Spezies dermaleinst auch in den Obstgärten der brasilianischen Bevölkerung Einzug halten mögen – nicht nur, um sie vor dem Aussterben zu bewahren, sondern auch, um mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen zur allgemeinen Volksgesundheit beizutragen.