Jene afrikanischen Völker, welche man mit Gewalt auf den südamerikanischen Kontinent verschleppt hatte, wo sie im Joch der Sklaverei unmenschlichen Bedingungen unterworfen waren, klammerten sich an ihre Wurzeln und hinterliessen ihren Nachkommen lediglich ihr kulturelles Erbe, das sie in ihrer Erinnerung an die Heimat mit herüber gebracht hatten: den Rhythmus ihrer Trommeln, ihre exotische Küche, ihre religiöse Mystik – ein Kulturgut, welches im Lauf der Geschichte in die von den Portugiesen herüber gebrachte aufging.
Die brasilianische Kultur ist heute eine Mischung aus europäischen, afrikanischen und – nicht zu vergessen – indianischen Elementen (der Einfluss der indigenen Völker wird besonders im brasilianischen Sprachgut deutlich).
Die afrikanische Küche wurde in Brasilien praktisch neu erfunden – indem jene Sklaven auf Zutaten verzichten mussten, an die sie aus ihrer Heimat gewöhnt waren, um sich stattdessen an typische Ingredienzien ihrer neuen Heimat zu halten. Beim Klang ihrer afrikanischen Musik gelang es ihnen, die schlechte Behandlung der Plantagenbesitzer vergessen und sich ihrer verlorenen Heimat zu erinnern. Apropós: Es ist eine historisch verbürgte Tatsache, dass jene afrikanischen Sklaven durch ihre harte Arbeit in den Zuckerrohr-Plantagen die Basis für die brasilianische Wirtschaft geschaffen haben!
Mit ihrer Religion, die sie unter christlichen Symbolen versteckten, kurierten sie ihre Kranken und blieben in Kontakt mit ihren Heiligen. Mittels ihrer unterschiedlichen afrikanischen Dialekte hielten sie die Kommunikation untereinander auch auf dem neuen Kontinent aufrecht – Jahrhunderte später nahm die brasilianische Sprachkultur ebenfalls viele Worte aus dem Sprachgebrauch jener Sklaven in ihr Repertoire auf.
Afrikanische Musik und Tanz konnte man in den ersten brasilianischen Städten schon während der Kolonialzeit erleben: zum Beispiel die Krönung des “Rei do Congo”, ein Fest, welches symbolhaft die Sitte jener afrikanischen Bantu-Potentaten darstellte, ihre Exkursionen und diplomatischen Besuche von Tanz und Gesang begleiten zu lassen. Die Musik aus dem Kongo bildete einst die Basis für den heute so bekannten und beliebten “Samba”. Die Choreographie des “Lundu” war einstmals die “Umbigada” – wörtlich: der Nabeltanz. In den wachsenden Städten begannen sich “Lundu” und “Batuque” (afrikanische Percussion) mit europäischen Rhythmen – wie zum Beispiel der Polka – zu mischen, ausserdem tauchten dort Musikstile aus dem landwirtschaftlich orientierten Interior Brasiliens auf, wie zum Beispiel der “Bauern-Samba” – mit der Hand auf einem Pandurin geschlagen, mit einem Messer auf einem Tellerrand synkopiert und mit einer Art Steppschritt getanzt – auch der Samba von heute kennt eine Vielzahl von Variationen.
Die Zivilisationen der „Yoruba, Fon und Angolana“ repräsentieren eine religiöse afro-brasilianische Musikstruktur. Darin ist die Trommel – in unterschiedlichen Grössen – das bedeutendste Zeremonien-Instrument: mit ihm werden die Mitglieder – zum Beispiel eines Candomblé– oder Umbanda-Zirkels – aufgefordert, sich zu manifestieren und zu tanzen. Kulte zu Ehren der Vorfahren werden mit unterschiedlichen Rhythmusinstrumenten, wie “Agogô”, “Adjá” und “Xere” untermalt. Durch die Afrikaner wurden auch viele weitere ihrer typischen Musikinstrumente in Brasilien eingeführt – wie “Reco-Reco”, “Cuíca” oder “Berimbau” zum Beispiel, die allerdings keine religiöse Bedeutung haben, sondern dazu eingesetzt werden, jenen mitreissenden Klangrhythmus zu produzieren, durch den besonders der brasilianische Karneval inzwischen weltberühmt geworden ist.
Leider existieren auch in Brasilien, selbst heute noch, viele Vorurteile gegenüber den Afro-Brasilianern, die in der Regel verneint werden, aber sie existieren – trotzdem man allgemein weiss, wie massgebend die brasilianische Kultur von der afrikanischen beeinflusst worden ist. Prandi (2000) schreibt in seinem Buch: “Die kulturelle Pluralität der afrikanischen Ethnien hat zur Bildung des nationalen (brasilianischen) Kulturgutes mit Elementen beigetragen, die Sprache, Küche, Musik und Kunst in verschiedenen Variationen umfasst – bis zu gesellschaftlichen Werten, mythologischen Darstellungen und religiösen Konzeptionen”.