Agenor Miranda de Araújo Neto, oder einfach “CAZUZA”, erblickte das Licht der Welt am 4. April 1958, innerhalb einer Familie der brasilianischen Mittelklasse, als Sohn der Näherin Lucinha Araújo und des Produzenten der Plattenfirma Odeon, João Araújo – letzterer schuf das Markenzeichen “Som Livre”.
Die Tatsache, dass sein Vater ein bekannter Musikproduzent war, trug viel dazu bei, dass Cazuza vor allem umgeben von brasilianischer Musik aufwuchs. In den 70er Jahren jedoch, entdeckte er den Rock´n Roll während eines Englandaufenthalts und entwickelte sich zum Fan grosser Idole der Bewegung, wie Janis Joplin und Led Zeppelin.
Trotzdem dauerte es einige Zeit, bis er herausfand, dass die Musik sein Weg sein würde. Bevor er sich dessen bewusst wurde, arbeitete er bei der “Som Livre”, lernte Fotografie und spielte in Theaterstücken mit – und dort entdeckte er dann seine wahre Berufung in dem Schauspiel “Pára-quedas do coração” (Fallschirm des Herzens). Cazuza hat auch einige Zeit in den USA verbracht.
Seine Jugend gehörte der Bohemie und dem wilden Nachtleben von Rio. Der junge Agenor bestand die Reifeprüfung (Vestibular) zur Universität, aber er schmiss das Kommunikations-Studium schon einen Monat nachdem er es angefangen hatte. Als er 1980 in die USA zurück ging, stellte sein Freund Léo Jaime ihn einigen Personen vor, die später zu seinen besten Partnern während seiner Karriere wurden: Roberto Frejat (Gitarre), Dé (Bass), Maurício Barros (Syntesizer) und Gutti Goffi (Schlagzeug) – alle Mitglieder der Band “Barão Vermelho” (Roter Baron), bei der Cazuza dann als Lead-Sänger einstieg.
Zu jener Zeit, als er noch keine eigene Arbeit hatte, suchte die Band einen guten Lead-Sänger. Cazuzas Beitritt gab der Gruppe Profil und Identität – sie wurde schnell zum grössten Erfolg der ersten Hälfte der 80er Jahre – und verdankte ihn den von ihrem Vokalisten komponierten Texten. Bis zum Höhepunkt ihrer Karriere allerdings, durchlief die Band denselben schwierigen weg aller Musikgruppen: Sie spielte in Theatern, die Verbreitung war schwierig und die Steine auf ihrem weg enorm. Eines Tages hörte der Produzent Ezequiel Neves sich ein Demo-Band der Gruppe an und gab es weiter an den künstlerischen Direktor der “Som Livre”, Guto Graça Mello. Beide, Ezequiel und Mello, mussten dann João Araújo überzeugen, die Band seines eigenen Sohnes zu produzieren.
Es wurde eine bescheidene und billige Produktion daraus – die Platte wurde in Eile zusammengestellt – aber trotz alledem kam sie bei der gesamten Künstlerwelt gut an. Der Song, welcher als Titel dieser Arbeit propagiert wurde – “Tudo que houver nessa vida” (Alles was in diesem Leben passieren sollte) wurde sogar von Caetano Veloso später neu aufgenommen.
Der Komponist Cazuza begann, sein wahres Talent zu zeigen. Die poetische Seite des Künstlers vereinte sich mit dem talentierten Sänger, mit dem jungen Rebellen und seiner öffentlichen Bekennung zur Bisexualität. Seine Texte beschäftigten sich mit Schmerz, Leid, Ängsten und Leidenschaften, und die Melodien mischten Balladen, Blues und Rock. Diese gelungene Kombination stiess auf ein starkes Echo und die Band explodierte wenige Jahre darauf in den Hit-Paraden.
“Barão Vermelho 2”, wie der Titel schon besagt, war die zweite Platte der Band, sie kam 1983 auf den Markt, mit der gleichen Qualität des Repertoires wie die erste Platte – und sie lenkte erneut aller Aufmerksamkeit auf die Gruppe. Diese gemeinsame Anstrengung festigte auch die Partnerschaft zwischen Cazuza und dem Gitarristen Frejat definitiv. Ney Matogrosso war der erste Künstler, der einen Song der beiden “Pro dia nascer feliz” (Damit der Tag glücklich anfängt) in sein eigenes Repertoire aufnahm.
“Bete Balanço”, eine in Auftrag gegebene Komposition als Eröffnungsthema zum Film “Homônimo”, von Lael Rodrigues, wurde zum ersten grossen Erfolg der Gruppe. Kurioserweise nahm man das Stück zuerst als Compact-Disk auf und reihte es erst später in die dritte LP der Barão Vermelho, unter dem Titel “Maior Abandonado” (Verlassener Erwachsener) ein, die mehr als 60.000 Kopien verkaufte.
Dem Jahr 1985 kam in Cazuzas Leben eine besondere Bedeutung zu: Er entschied sich, die Gruppe zu verlassen und sich in einer Solokarriere zu versuchen. Im November desselben Jahres brachte er das Album “Cazuza” heraus.
Die erfolgreiche Solokarriere produzierte 5 Platten in vier Jahren, gut gemachte Shows und ein riesiges Fan-Publikum. Cazuza wusste zu jener Zeit bereits, dass er krank war. Eine neue Untersuchung bestätigte den AIDS-Virus. Cazuza war der erste brasilianische Künstler, und bis heute einer der wenigen, die öffentlich ihren Gesundheitszustand zugaben, damit trug er zur Kampagne der allgemeinen Aufklärung über die Krankheit und ihrer Nebenwirkungen bei. Eine grosse brasilianische Monatszeitschrift bediente sich seines Zustandes, indem sie sein Foto als Titelbild brachte, sowie die katastrophalen Konsequenzen, mit denen die Krankheit das Aussehen der von ihr befallenen Personen verändert. Dieses Titelbild und der Inhalt der Reportage provozierten eine grosse Polemik über Ethik innerhalb der nationalen Presse.
Die Art und Weise wie Cazuza sich mit AIDS auseinandersetzte, machte aus ihm eine Symbolfigur des Kampfes und der Liebe zum Leben. Shows, Platten und Internierungen zur Behandlung wurden ein Teil seines Lebens und seines Werkes. Die Platte “Ideologia” (Ideologie), von 1987, erzählt von seinen Erfahrungen mit der Perspektive eines frühen Todes, ausserdem setzt sie sich mit sozialen Themen der Gesellschaft seines Landes auseinander – etwas, dem er stets einen Platz in seinen Texten eingeräumt hat.
Es regnete Prämien und, obwohl seine Krankheit Fortschritte machte, nahmen seine Kreativität und sein Arbeitseifer eher zu. Die Show “Ideologia”, unter der Regie von Ney Matogrosso, reiste durch das ganze Land, wurde dann in ein Programm der TV-Globo verwandelt und ergab die Platte “Cazuza live – die Zeit steht nicht still”, die eine Bestmarke von mehr als 560.000 Stück verkaufter Kopien erreichte – der grösste Verkaufserfolg seiner Karriere. Das Doppel-Album “Burguesia” (Bürgerschaft), seine letzte Platte, kam 1989 heraus.
Die bekanntesten Songs aus dem Werk des Künstlers waren: “Codinome Beija Flor” (Code-Name Kolibri) – “O tempo não pára” (die Zeit steht nicht still) – “Brasil” (Brasilien) – “Exagerado” (Übertrieben) – “Burguesia” – “Pro dia nascer feliz” (damit der Tag glücklich anfängt) und “Faz parte do meu show” (das gehört zu meiner Show).
Nach seinem Tod, am 07. Juli 1990 in Rio de Janeiro, im Alter von 32 Jahren, gründet Lucinha Araújo, seine Mutter, die Gesellschaft “Viva Cazuza” (Cazuza soll leben), welche mit AIDS infizierte Kinder aufnimmt und versorgt.
1991 produziert Ezequiel Neves eine Platte als Nachruf mit Aufnahmen von Cazuza, die bis dato unveröffentlicht waren – das Album trägt den Titel “Cazuza por aí” (Cazuza irgendwo).
Bis in die Gegenwart legen viele Künstler der brasilianischen Volksmusik (MPB) Cazuzas Songs neu auf – er hinterliess ausserdem noch einige unveröffentlichte Titel. Der inzwischen beliebteste unter ihnen ist “Poema” (Gedicht) und wurde als Loblied auf Dona Alice, die Grossmutter mütterlicherseits, geschrieben. Man fand den Song und Ney Matogrosso nahm ihn ein paar Jahre später erstmals auf. Im Jahr 2004 erschien der Film “Cazuza”, welcher die Geschichte und künstlerische Laufbahn des polemischen Komponisten erzählt.
Diskographie Cazuza
- PRECISO DIZER QUE TE AMO – TODA A PAIXÃO DO POETA (2001)
- O POETA NÃO MORREU (2000)
- CODINOME CAZUZA (1998)
- CAZUZA (1997)
- CAZUZA POR AÍ (1991)
- O TEMPO NÃO PÁRA (1989)
- BURGUESIA (1989)
- IDEOLOGIA (1988)
- SÓ SE FOR A DOIS (1987)
- CAZUZA (1985)