Yanomami

Zuletzt bearbeitet: 22. Februar 2021

Das Indiovolk der Yanomami bildet eine Gesellschaft von Jägern und Bauern im tropischen Regenwald von Amazonien, deren Kontakt mit der nationalen Gesellschaft, im grössten Teil ihres Territoriums, erst relativ neu ist. Dieses Territorium ist annähernd 192.000 Quadratkilometer gross und liegt auf beiden Seiten der brasilianisch-venezuelanischen Grenze, im Gebiet des Zusammenflusses von Rio Orinoco und Amazonas (und den Nebeflüssen der rechten Seite des Rio Branco und der linken des Rio Negro).

Davi Yanomami mit Yanomami Kinder – Foto: Fiona Watson/Survival International

Dieses Volk besteht aus einer linguistischen und kulturellen Vereinigung von mindestens vier Untergruppen, die aus derselben Sprachfamilie, dem “Yanomae, Yanõmami, Sanima und Ninam“, stammen. Die Gesamtbevölkerung der Yanomami, in Brasilien und Venezuela, wird heute auf rund 41.500 Personen geschätzt.

Yanomami

Andere Namen: Ianomâmi, Yanomamõ, Yanomama, Yanoama, Xirianá
Sprache: 4 Sprachen der Familie Yanomami
Population: 24.825 in Brasilien (2019)
16.500 in Venezuela (2018)
Region: Amazonas, Roraima (Venezuela)
INHALTSVERZEICHNIS
Die Yanomami und ihr Land
Der Name „Yanomami“
Die antiken Yanomami
Erste Kontakte und Zeit der „Entwicklung“
Die Strasse „Perimetral Norte“
Zukünftige Bedrohungen
Das Haus und Dorf
Schamanismus
Brasilien wurde nicht von den Weissen entdeckt!
Yanomami-Treffen im Dezember 2000

„Kami Yamaki Urihipë“– Unser Erdenwald

Für die Yanomami ist “urihi“, der Erdenwald, nicht nur eine einfache Oberfläche, bestimmt zu ihrer wirtschaftlichen Nutzung (was wir als “Natur“ bezeichnen) – sondern für sie handelt es sich dabei um eine lebende Körperschaft, eingefügt in eine komplexe, kosmologische Austausch-Dynamik zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Wesen. Als solche, ist er heute bedroht durch die blinde Beutemacherei der Weissen. Aus der Sicht des Häuptlings Davi Kopenawa Yanomami:

“Der Erdenwald kann nur durch die Zerstörung der Weissen sterben. Dann werden die Bäche verschwinden, die Erde wird kalt werden, die Bäume vertrocknen und die Steine der Gebirge werden sich vor Hitze spalten. Die Geister „Xapiripë“, welche in den Bergen wohnen und im Wald spielen, werden fliehen. Ihre Väter, unsere Schamanen, können sie dann nicht mehr rufen, um uns zu beschützen. Der Erdenwald wird von Trockenheit befallen und leer sein. Unsere Schamanen können dann auch nicht mehr die Rauch-Epidemien von uns fernhalten und die bösartigen Wesen, welche uns krank machen. Alle werden sterben“.

nach obenDie Yanomami und ihr Land

In Brasilien ergab die vorletzte Zählung der Yanomami-Bevölkerung 12.795 Personen, unterteilt in 228 Kommunen (Zählung des CENSO der „Fundação Nacional de Saúde“ von 1999). Ihr Lebensraum “Terra Indígena Yanomami“, der in Brasilien allein 9.664.975 ha (96.650 km²) tropischen Regenwaldes umfasst, ist anerkannt eines der in seiner amazonensischen Biovielfalt intaktesten Gebiete und wurde gesetzlich in ein Schutzgebiet umgewandelt durch ein Dekret des Präsidenten am 25. Mai 1992.

nach obenDer Name „Yanomami“

Das Ethnonym “Yanomami“ wurde von den Anthropologen vom Wort “yanõmami“ abgeleitet, was nach dem Begriff “yanõmami thëpë“ übersetzt “menschliche Wesen“ bedeutet. Dieser Ausdruck steht im Gegensatz zu den Wortkategorien “yaro“ (jagdbare Tiere) und “yai“ (unsichtbare Wesen ohne Namen) – ausserdem auch gen den Begriff “napë“ (Feind, Fremder, Weisser). Die Yanomami leiten ihre Herkunft von der Kopulation des Halbgottes Omama mit der Tochter des Wassermonsters Tëpërësiki ab, dem Herrn der kultivierten Pflanzen. Omama schreibt man die gesellschaftlichen Verhaltensregeln zu und die gegenwärtige Kultur der Yanomami, ausserdem die Erschaffung der so genannten Hilfsgeister der Schamanen (Medizinmänner): die “Xapiripë“ (oder “Hekurapë“). Der Sohn von Omama war der erste Schamane. Der eifersüchtige und bösartige Bruder von Omama mit Namen Yoasi, ist der Todbringer und Verursacher alles Bösen in der Welt.

Die Weissen: „Napëpë“
Eine Geschichte ihrer Mythologie erzählt, dass die Fremden ihre Existenz ebenfalls den göttlichen Fähigkeiten Omamas verdanken. Man glaubt, dass sie aus dem Schaum vom Blut einer Gruppe von Yanomami-Vorfahren geschaffen wurden, mitgerissen von einer Überschwemmung zur Strafe für die Unterbrechung einer menstrualen Reklusion, schliesslich verschlungen von Krokodilen und Fischottern. Die “verwickelte Zunge“ (damit ist die unverständliche Sprache der Weissen gemeint) der Fremden haben sie durch den Zorn des “Remori“ bekommen, der mythologische Vorfahr der Hornisse, die man in der Regel an allen Flussstränden antrifft.

Um zu dieser Einbegreifung der Weissen in die Menschheit zu finden, obwohl als “Geschöpfe zweiter Hand“, mussten die antiken Yanomami eine lange Zeit der gefährlichen und spannungsreichen Begegnungen mit diesen Fremden überstehen, die sie daher “Napëpë“ (Ausländer, Feinde) nannten. In der Tat, die erste Vision, die sie von den Weissen hatten, war die einer Gruppe von Gespenstern, welche aus ihren Wohnungen “vom Rücken des Himmels“ herabstiegen, in der skandalösen Absicht, wieder in der Welt der Lebenden wohnen zu wollen (die Rückkehr der Toten ist ein mythologisches und rituelles Thema von besonderer Bedeutung unter den Yanomami).

nach obenDie antiken Yanomami

Weil sie keinerlei genetische, anthropometrische oder linguistische Affinitäten mit ihren aktuellen Nachbarn, den Yekuana (aus der Karib-Familie) haben, sind Genetiker und Linguistiker, welche die Yanomami studiert haben, der Meinung, dass sie einem Eingeborenenvolk entstammen, welches seit einer sehr weit zurückliegenden Zeit relativ isoliert gelebt hat. Die antiken Yanomami hielten sich etwa seit einem Jahrtausend am Oberlauf des Orinoco und Rio Parima auf, und dort begann auch ihr Prozess der internen Aufsplitterung (etwa seit 700 Jahren), durch den sie ihre vier aktuellen Sprachunterschiede entwickelten.

Nach traditioneller mündlicher Überlieferung der Yanomami und nach den ältesten Dokumenten, welche diese Eingeborenen-Gruppe erwähnen, lag das historische Zentrum ihres Lebensraums in der Serra Parima, der Wasserscheide zwischen dem oberen Orinoco und den Zuflüssen des rechten Ufers vom Rio Branco. Noch heute ist dieses Gebiet das am dichtesten besiedelte ihrer Territorien. Die Ausbreitung der Yanomami-Bevölkerung von der Serra Parima in Richtung auf die umliegenden niederen Gebiete begann wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – nach der kolonialen Besetzung der Regionen des oberen Orinoco und der Flüsse Negro und Branco, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die gegenwärtige Konfiguration des Yanomami-Territoriums entstand aus dieser antiken Abwanderung.

Jene geografische Expansion der Yanomami, zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert, ergab sich auch aus einem bedeutenden demografischen Wachstum. Verschiedene Anthropologen halten es für wahrscheinlich, dass dieses plötzliche Bevölkerungswachstum durch wirtschaftliche Veränderungen ausgelöst worden ist, zum Beispiel durch die Einführung neuer Kulturpflanzen und neuer Werkzeuge aus Metall mittels Tausch und Krieg gegen die Nachbarstämme (Karib im Norden und Osten, Arawak im Süden und Westen), die ihrerseits einen direkten Kontakt mit der „weissen Front“ aufrecht erhielten. Die progressive “Entleerung“ des Gebiets dieser Gruppen, dezimiert durch den Kontakt mit der regionalen weissen Gesellschaft während des 19. Jahrhunderts, war der Expansion der Yanomami ebenfalls förderlich.

nach obenErste Kontakte und Zeit der „Entwicklung“

Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Yanomami lediglich sporadische Kontakte mit benachbarten Eingeborenen. In Brasilien ergaben sich die ersten Kontakte von Yanomami-Gruppen mit Repräsentanten der lokalen weissen Front (Latex- und Nuss-Sammler, Jäger und Fischer) sowie den Soldaten der Grenzkommission und Beamten des damaligen SPI (Serviço de Proteção aos Índios – Indianerschutzorganisation, Vorläufer der heutigen FUNAI), ausserdem mit ausländischen Besuchern, zwischen 1910 und 1940. Zwischen den Jahren 1940 und 1960 wurden dann mit der Gründung einiger SPI-Posten und verschiedener katholischer und evangelischer Missionen die ersten permanenten Kontaktstellen innerhalb ihres Territoriums eingerichtet. Jene Posten stellten ein Netz von festen Polen dar, wo die Indianer fortan industriell gefertigte Objekte und eine gewisse sanitäre Hilfeleistung erwarten konnten – andererseits waren genau sie die Quellen der Ansteckung mit gefährlichen Krankheiten, die sich unter den Yanomami als Epidemien ausweiteten (wie Masern, Grippe und Keuchhusten).

In den Jahrzehnten von 1970 und 1980 zwangen die Entwicklungsprojekte des Staates die Yanomami zur Kontaktaufnahme die der regionalen wirtschaftlichen Front, die sich auf ihr Territorium zu bewegte, besonders im Westen von Roraima: Strassen, Kolonisationsprojekte, Fazendas, Sägewerke, Felder und erste Goldclaims. Diese Kontakte provozierten einen epidemiologischen Schock grossen Ausmasses, verursachten den Tod vieler Eingeborener, eine allgemeinen gesundheitlichen Missstand und, in einigen Gebieten, eine gesellschaftliche Destrukturierung und Dekadenz.

nach obenDie Strasse „Perimetral Norte“

Die ersten zwei Kontaktformen, denen die Yanomami begegnet waren – zuerst die Sammler und Jäger, dann die Missionare – koexistierten bis zum Anfang der 70er Jahre als dominante Besatzung ihres Territoriums. Dann wurden die 70er Jahre jedoch geprägt von den Projekten zur Entwicklung Amazoniens (besonders in Roraima) innerhalb des Konzepts “Plano de Integração Nacional“ der damaligen Militärdiktatur. Mittelpunkt sollte die Öffnung einer Trasse der so genannten “Perimetral Norte“ werden (1973–76) – zirka 1.000 km nördlich und parallel zum Amazonasstrom verlaufend – die Programme einer allgemeinen Kolonisation nach sich zog (1978-79), und deren Neusiedler in den Südosten des Yanomami-Gebiets eindrangen. In derselben Zeit stiess das Projekt zur Erfassung der Bodenschätze Amazoniens RADAM (1975) auf bedeutende Mineralienlager in der gleichen Region. Die Verbreitung der Nachricht von diesen Schätzen innerhalb des Yanomami-Territoriums löste eine progressive Invasion von Goldgräbern aus, die sich gegen Ende der 80er Jahre noch verstärkte und ab 1987 die Form eines wahrhaften Goldrauschs annahm.

Hunderte von geheimen Landepisten zu illegalen Goldclaims wurden am oberen Rio Branco und seinen Zuflüssen zwischen den Jahren 1987 und 1990 angelegt. Die Zahl der Goldsucher im Yanomami-Gebiet von Roraima wurde zu jener Zeit auf 30 bis 40.000 geschätzt – ungefähr fünfmal so viel wie die indianische Bevölkerung desselben Gebiets. Obwohl die Intensität dieses Goldrauschs seit Anfang der 90er Jahre wieder zurück gegangen ist, halten sich bis zum heutigen Tag einige der harten Kerne dieser Ausbeutung im Yanomami-Land und verbreiten Mord und Totschlag, und führen zu schweren gesundheitlichen und gesellschaftlichen Problemen.

nach obenZukünftige Bedrohungen

Die Front der Goldsucher-Invasion drohte gegen Ende 1980 sämtliche vorherigen Kontaktformen der Yanomami mit der weissen Gesellschaft zunichte zu machen und sogar alle Entwicklungsprojekte der 70er Jahre zu zerstören. Solch bedrohliche Entwicklung hat man allerdings von Regierungsseite her abgewendet, als man die Goldsucher mit der “Polícia Federal“ am Anfang der 90er Jahre aus ihren angemassten Stellungen vertrieb und ihre Maschinen und Werkzeuge zerstörte. Dies heisst jedoch nicht, dass eventuelle andere wirtschaftliche Interessen (kommerzielle Landwirtschaft, Sägewerksunternehmen, Viehzuchtbetriebe oder industrielle Bodenschürfung), noch unbedeutend oder nicht vorhanden, nicht in der Zukunft eine erneute Bedrohung für die Integrität des Yanomami-Lands werden können, trotz seiner Demarkation und seiner Garantien von Seiten des Gesetzgebers.

Ausser dem fortdauernden Interesse der Goldschürfer an dieser Region sollte man wissen, das fast 60% ihrer Fläche in registrierten Schürfrechten und Titeln aufgeteilt ist, die im “Departamento Nacional de Produção Mineral“ aufbewahrt werden, beantragt von privaten und staalichen nationalen und multinationalen Unternehmen.

Darüber hinaus schufen die Kolonisationsprojekte von 1970 und 1980 im Osten und Südosten des Yanomami-Gebiets eine Siedlerfront mit der Tendenz, sich weiter ins Yanomami-Territorium auszubreiten (Regionen Ajarani und Apiaú) wegen des Einwandererstroms in Richtung Roraima – eine Tendenz, die in Zukunft eher zunehmen wird, weil durch den Mega-Brand in Roraima im Jahr 1998 sämtliche Grenzmarkierungen verschwunden sind.

Schliesslich wurden seit 1985 drei Militärbasen des Projekts “Calha Norte“ innerhalb des Yanomami-Territoriums implantiert (Pelotões Especiais de Fronteira/ PEF de Maturacá, Surucucus e Auaris, eine vierte ist in der Region von Ericó geplant), welche der lokalen Bevölkerung schwere gesellschaftliche Probleme (Prostitution) beschert haben, gegen die lokale Yanomami-Führer in Roraima fortlaufend Protest einlegen.

nach obenDas Haus und Dorf

Die lokalen Yanomami-Kommunen wohnen in einem Mehrfamilien-Haus in Form eines Kegels oder eines abgeschnittenen Kegels, das sie “Yano“ oder auch “Xapono“ nennen (die orientalen und okzidentalen Yanomami) – oder sie wohnen in Dörfern, die aus rechtwinkligen Häusern bestehen (die Yanomami des Nordens und des Nordostens).

Jedes dieser Kollektiv-Häuser oder Dörfer ist eine wirtschaftlich und politisch autonome Einheit (“kami theri yamaki“ – wir, die Ko-Bewohner), und im Idealfall ziehen es ihre Mitglieder vor, sich innerhalb dieser Kommune von Verwandten zu verheiraten – mit einem Cousin oder einer Cousine, in diesem Fall Sohn oder Tochter eines Onkels mütterlicher und einer Tante väterlicherseits. Diese Art von Heirat wird solange wie möglich wiederholt innerhalb einer Generation, und von Generation zu Generation, dadurch wird das Yanomami-Kollektiv-Haus oder –dorf zu einem dichten, komfortablen und sicheren Netzwerk von Blutsverwandtschaft und Interessengemeinschaft.

Trotz dieses autarken Ideals unterhalten alle lokalen Gruppen auch ein Netz von Relationen mit verschiedenen Nachbargruppen – für ausserkommunale Heiraten, zeremonielle Anlässe oder wirtschaftlichen Bedarf – die sie als “Aliierte“ gegenüber anderen multikommunalen Gruppen bezeichnen. Solche Verbindungen bilden ein komplexes gesellschaftspolitisches Strickmuster, welches die Gesamtheit der kollektiven Yanomami-Häuser von einem Ende zum andern ihres Territoriums miteinander verbindet.

Der gesellschaftliche Raum ausserhalb des Kollektiv-Hauses oder –dorfes, wird von ihnen mit Misstrauen betrachtet, als gefährliches Terrain der “Anderen“ (yaiyo thëpë): zum Beispiel Besucher (hwamapë), die bei grossen Begräbniszeremonien oder innerkommunalen Verbindungen (reahu) Krankheiten verursachen können, indem sie sich irgendwelcher Zauberei bedienen, um sich wegen Beleidigungen, Geiz oder sexueller Eifersucht an jemandem zu rächen; oder Feinde (napë thëpë), die töten können, das Dorf als Krieger (waipë) angreifen oder als Zauberer (okapë); oder Unbekannte von weit her (tanomai thëpë), die tödliche Krankheiten hervorrufen können, indem sie ihre beutegierigen Zaubergeister herbeirufen oder das Doppeltier “Rixi“ der Menschenwesen jagen (die “Rixi“ leben in den unzugänglichen Wäldern, weit entfernt von ihrem Menschlichen Doppelgänger); schliesslich noch die Weissen (napëpë), eine paradoxe Kategorie von Fremden (potentiellen Feinden), von denen vor allem ihre Epidemien (Xawara) zu fürchten sind, zusammen mit dem Rauch ihrer Maschinen (Maschinen der Goldschürfer, Flugzeug- und Helikoptermotoren) und die Verbrennung ihrer Reste (Quecksilber und Gold, Papier, Zeltplanen und Müll).

Die Waldfläche, welche von jedem Haus-Dorf der Yanomami wirtschaftlich genutzt wird, kann man schematisch als eine Reihe von konzentrischen Kreisen beschreiben. Diese Kreise begrenzen Areale, welche in Art und Weise sowie der Intensität ihrer Nutzung verschieden sind. Der erste Kreis, mit einem Zirka-Radius von 5 Kilometern, beschreibt das von der Kommune unmittelbar genutzte Areal: Sammeln von Waldfrüchten durch die Frauen, individueller Fischfang oder, im Sommer, kollektiver Fischzug mit Timbó-Lianengift, gelegentliche Jagd von kurzer Dauer (bei Morgen- oder Abenddämmerung) sowie Aktivitäten zur Feldbestellung. Der zweite Kreis, mit einem Radius zwischen fünf und zehn Kilometern, ist das Gebiet der individuellen Jagdausflüge (rama huu) oder eines familiären Sammler-Ausflugs. Der dritte Kreis, mit einem Radius von zehn bis zwanzig Kilometern, ist den kollektiven Jagdexpeditionen (henimou) vorbehalten, die eine bis zwei Wochen dauern können und den Begräbnis-Ritualen vorausgehen (Verbrennung von Knochen, Begräbnisse oder Einnehmen von Asche anlässlich der interkommunalen Zeremonien – Reahu) – ausserdem das gebiet der langen, plurifamiliären Expeditionen zum Sammeln und Jagen (drei bis sechs Wochen) während der Reifung neu angelegter Felder (waima huu). Innerhalb dieses dritten Kreises befinden sich auch neu angelegte und antike Felder, in deren Nähe man sporadisch kampiert – um erstere zu bearbeiten und die anderen abzuernten – und in deren Bereich sich in der Regel viel Wild aufhält.

Die Yanomami pflegten zwischen einem Drittel und fast dem halben Jahr in provisorischen Unterständen (naa nahipë) zu kampieren, und zwar an verschiedenen Orten dieses von ihrem Kollektiv-Dorf weit entferntesten Kreises. Diese Zeit im Regenwald hat eine rückläufige Tendenz, seit die Indianer reguläre Kontakte mit den Weissen haben, denn inzwischen fühlen sie sich sowohl von deren Gerätschaften als auch von ihren Medikamenten abhängig.

nach obenSchamanismus

Das Yanomami-Wort “Urihi“ bezeichnet die Bäume des Waldes und ihren Boden als eine Einheit. Es bezeichnet ausserdem ein Territorium: “Ipa urihi“ – meine Erde, kann sich auf die Geburtsregion oder die Region der gegenwärtigen Wohnung des Betroffenen beziehen. “Yanomae thëpë urihipë“ – der Wald der Menschenwesen, bezeichnet den Wald, welcher den Yanomami durch Omama gegeben wurde, und in dem sie von Generation zu Generation leben – in unserem Sprachgebrauch in etwa: “Das Yanomami-Land“. “Urihi“ kann allerdings auch der Name der ganzen Welt sein: “Urihi a pree“ – der grosse Welt-Wald“, eine kosmologische Geografie.

Als Quelle ihrer Ressourcen, ist “Urihi“, der Erden-Wald für die Yanomami nicht nur eine simple, untätige Szenerie, die den Menschen und ihren Wünschen untertan ist. Nein, der Wald ist eine lebende Einheit, und als solche besitzt sie eine grundlegende Erscheinung (Urihinari), einen Atem (Wixia) und ein immaterielles Prinzip der Fruchtbarkeit (Në rope). Die Tiere (Yaropë), die der Wald beherbergt, werden als Verwandlungen der mythologischen Vorfahren (Menschen/Tiere) der ersten Menschenwesen (yaroripë) betrachtet, welche den tierischen Zustand als Folge ihres unkontrollierten Verhaltens annehmen mussten, einer Umkehrung des gegenwärtigen Sozialverhaltens. In der verschlungenen Tiefe des Dschungels, auf seinen Hügeln und in seinen Flüssen, verstecken sich unzählige bösartige Wesen (Në waripë), welche die Yanomami verletzen oder gar töten können, als ob sie jagdbares Wild wären, und sie bringen Tod und verderben. Auf den Gipfeln der Berge wohnen die Abbilder der Tier-Vorfahren (Utupë), die in Schamanen-Geister (Xapiripë) verwandelt worden sind. Die “Xapiripë“ wurden von Omama zurück gelassen, um die Menschenwesen zu beschützen. Die gesamte Fläche des “Urihi“ ist bedeckt von ihren “Spiegeln“, auf denen sie fortwährend spielen und tanzen. Auf dem Grund des Wassers liegt die versteckte Höhle des Ungeheuers “Tëpërësik“, dem Schwiegervater von Omama, dort wohnen auch die Geister “Yawarioma“, deren Schwestern junge Yanomami-Jäger verführen und verrückt machen – und ihnen damit den Weg des Schamanen eröffnen.

Die Geister „Xapiripë“
Das Einführungsritual des Schamanen geschieht in schmerzhafter Ekstase. Dazu wird der Adept dem Inhalieren eines Halluzinationen provozierenden Pulver, dem “Yãkõana“, ausgesetzt (Harz oder Teilchen der inneren Rinde des Baumes Virola sp. – getrocknet und gemahlen) – geführt von den Ältesten des Stammes lernen sie die Geister “Xapiripë“ zu “sehen und mit ihnen bekannt zu werden“, sowie ihren Rufen und Gesängen zu “antworten“.

Die “Xapiripë“ werden beschrieben als winzige Menschenwesen-Miniaturen, geschmückt mit zereminialen, farbigen Ornamenten, die strahlen und glitzern. Ihre tänzerische Präsentation wird mit dem lärmenden und fröhlichen Einzug von Besuchergruppen verglichen, die reich geschmückt zu einem inter kommunalen Fest (Reahu) einmarschieren. Es sind vor allem andern “schamanistische Bilder“ (Utupë) von Persönlichkeiten des Waldes. Unter ihnen gibt es Säugetier-Gesuter, die von Vögeln, Fischen, Lurchen, Reptilien, Raupen, Krustentieren und Insekten. Es gibt Geister der verschiedensten Bäume, der Blätter, der Lianen, des Waldhonigs, des Wassers, der Steine, der Wasserfälle. Viele sind auch “Bilder“ von kosmischen Einheiten (Mond, Sonne, Sturm, Donner, Blitz) und von mythologischen Personen. Und es gibt unter ihnen auch bescheidene Hausgeister, wie zum Beispiel den Geist des Hundes, den des Feuers oder des Tontopfes. Schliesslich gibt es die Geister der Weissen (die “Napënapëripë“ – mobilisiert durch eine symbolische Homöopathie, um die “Epidemien“ zu bekämpfen) – und die Geister ihrer Haustiere (Huhn, Rind, Pferd).

Die Arbeit der Schamanen
Nach ihrer Initiation sind die Yanomami-Schamanen in der Lage, die “Xapiripë“ zu sich zu rufen, damit sie ihnen als Hilfsgeister assistieren. Diese Macht des Wissens, der Vision und Kommunikation mit der lebenswichtigen Geisterwelt (Utupë) macht aus den Schamanen die Säulen der Yanomami-Gesellschaft. Sie sind der Schild gegen die bösen Kräfte menschlichen und nicht-menschlichen Ursprungs, welche das Leben der Mitglieder ihrer Kommunen bedrohen, sie sind auch unermüdliche Unterhändler und Kämpfer gegen das Unsichtbare, dazu verpflichtet, die den Kosmos steuernden Mächte zu kontrollieren. Sie wissen mit der Gewalt des Donners und der Winde umzugehen, mit der sich abwechselnden Regelung von Tag und Nacht, der Trockenheit und dem Regen, dem Jagdglück, der Fruchtbarkehit der Felder, sie erhalten das Himmelsgewölbe, damit es nicht einstürzt (die gegenwärtige Erde ist ein antiker Himmel, der einstürzte), die halten die übernatürlichen Beutemacher vom Wald fern, steuern den Gegenangriff auf aggressive Geister von feindlichen Schamanen und, ganz besonders, heilen sie die Kranken, Opfer menschlicher Boshaftigkeit (wie Hexereien, aggressive Zauberei, Angriffe auf das Doppel-Tier) oder nicht-menschlicher Gefahren (die von den bösen Wesen “Në waripë“ drohen).

Das Sehen der Geister „Xapiripë“
Zur Präsentation ihrer “Show“ inhalieren die Schamanen das Pulver „Yãkõana“, das sie als Nahrung der Geistwesen bezeichnen. Unter ihrer Wirkung behaupten sie zu “sterben“: sie fallen in einen Zustand von visionärer Trance, während der sie verschiedene Hilfsgeister “rufen“ und “herunter kommen lassen“ – mit diesen identifizieren sie sich alsdann, indem sie das Auftreten und den Gesang jedes einzelnen Geistes imitieren (die Schamanen selbst bezeichnen sich als „Xapiri thëpë“ – Geist-Leute; ihre schamanistische Aktivität wird als „Xapirimu“ bezeichnet – “agieren solange ich Geist bin“). Wenn die “Augen der Schamanen sterben“, erhalten sie eine Vision/Macht, die im Gegensatz zu den illusorischen Empfindungen der “gewöhnlichen Leute“ (Kua përa thëpë) ihnen den Zugang zur Essenz der Phänomene eröffnet und zur Geschichte ihrer Herkunft – und deshalb: auch zur Kapazität, ihren Kurs zu ändern.

Der Traum von unserer Herkunft
(Nach einem Bericht von „Davi Kopenawa Yanomami“)
„Die Geister xapiripë tanzen für unsere Schamanen schon seit Anbeginn der Welt und haben damit bis heute nicht aufgehört. Sie sind menschlichen Wesen ähnlich aber so winzig klein, wie zum Beispiel in der Sonne tanzende Staubpartikel. Um sie sehen zu können, muss man das Pulver yãkõanahi einmal, zweimal und immer wieder inhalieren. Das dauert in etwa solange, wie Ihr Weissen braucht, um das Zeichnen Eurer Sprache zu erlernen. Das Pulver yãkõanahi ist die Speise der Geister. Wer es nicht „trinkt“, dem bleiben die Geister verborgen – er sieht gar nichts.

Die Xapiripë tanzen zusammen auf grossen Spiegeln, die vom Himmel herunterkommen. Niemals sind sie „grau“ wie die Menschen – sondern stets brillant: den Körper bemalt mit Urucum (rote Pflanzenfarbe), durchkreuzt von schwarzen Linien, ihre Köpfe mit weissen Federn des Königsgeiers geschmückt, Armbänder aus Perlen und Papageienfedern, vom „Cujubim“ und dem roten Ara – den Gürtel besetzt mit Schwanzfedern vom Tukan.

Tausende von ihnen finden sich ein, um gemeinsam zu tanzen, sie schwenken frische Palmwedel, stossen unermüdlich Freudenschreie aus und singen ohne Pause. Ihre Spuren ähneln feinsten Spinnenfäden, die wie das Mondlicht glänzen, und ihr Federschmuck schwingt mit im Rhythmus ihrer getanzten Schritte. Es ist eine reine Freude, ihnen zuzusehen!

Diese Geister sind so zahlreich, weil sie die Abbilder der Tiere des Regenwaldes sind. Jedes Individuum im Wald hat ein geistliches Ebenbild (utupë): die, welche auf dem Boden leben, die auf den Bäumen, die mit Flügeln und auch die im Wasser zuhause sind. Diese Ebenbilder rufen die Schamanen und sie verwandeln sich in xapiripë-Geister. Diese Geister sind das wahrhaftige Zentrum, das Innere der Wesen des Waldes. Gewöhnliche Personen können sie niemals sehen, nur die Schamanen. Aber es sind keine Ebenbilder der heutigen Tiere, sondern der Vorfahren dieser Tiere – unseren Vorfahren.

Damals, als der Regenwald noch jung war, hatten unsere Vorfahren menschliche Gestalt, mit Namen von Tieren – dann verwandelten sie sich in Jagdbeute. Sie sind es, die wir heutzutage mit unseren Pfeilen jagen. Aber ihre Abbilder sind nicht verschwunden – sie sind es, die heute als xapiripë für uns tanzen. Diese Vorfahren sind sehr, sehr alt. Sie verwandelten sich in Beutetiere schon vor langer Zeit, aber ihre Geistwesen sind hier verblieben. Sie haben Tiernamen, sind aber unsichtbare Wesen, die niemals sterben. Die Epidemien der Weissen können versuchen, sie zu verbrennen oder zu verschlingen – sie werden niemals verschwinden. Ihre Spiegel wachsen immer wieder nach.

Die Weissen müssen ihre Worte zeichnen, denn ihr Gedächtnis ist voller Vergessen. Wir dagegen bewahren die Worte unserer Vorfahren seit langer Zeit in uns, und wir überliefern sie unseren Kindern. Die Kinder, welche von den Geistern gar nichts wissen, hören auf den Gesang der Schamanen und interessieren sich vielleicht, nun ihrerseits die Geister kennen zu lernen. Und auf diese Weise kehren die Worte unserer Vorfahren – obwohl schon sehr alt – immer aufs neue zu uns zurück. Es sind die xapiripë, die unsere Gedanken beflügeln. Sie sind es auch, die uns die Dinge von weit weg erkennen lassen – die Dinge der Vorfahren. Dies ist unsere Art von Studium, das uns lehrt zu träumen. Und deshalb, wer nicht den Hauch der Geister trinkt, der hat nur kurze, vernebelte Gedanken. Wer von den xapiripë nicht geführt wird, der träumt nicht, sondern schläft nur wie eine Axt im Boden“.

nach obenBrasilien wurde nicht von den Weissen entdeckt!

Davi Kopenawa Yanomami
Es ist schon lange Zeit her, dass meine Grosseltern, die in einem sehr weit abgelegenen Dorf an den Quellen des Rio Tootobi lebten, sich aufmachten, um in der Ebene andere Menschenwesen zu besuchen, die entlang des Rio Aracá wohnten. Und dort begegneten sie den ersten Weissen ihres Lebens. Diese Fremden waren damit beschäftigt, Fasern der Piaçaba-Palme am Ufer des Flusses zu sammeln. Während der folgenden Besuche erhielten meine Grosseltern ihre ersten Haumesser aus Metall. Diese Geschichte erzählten sie mir viele Male, als ich ein Kind war. In dieser Zeit bekam man Weisse nur zu Gesicht, wenn man sich sehr weit von seinem Dorf entfernte – aber man pflegte sie nicht einfach so, ohne Motiv, zu besuchen. Es waren ihre Metallwerkzeuge, die es uns Menschenwesen (Yanomami) angetan hatten – denn sie selbst besassen lediglich kleine Stücke von Metall (gemeint ist Gold), welche unser Gott Omama ihnen überlassen hatte.

Auf diesen langen Reisen gelang es ihnen dann, ihre kleinen Metallstücke gegen die begehrten Metallwerkzeuge (Axt, Hacke, Spaten etc.) einzutauschen – die Weissen zeigten sich überaus interessiert an diesem Tausch, den wiederum die Menschenwesen als sehr vorteilhaft für sich selbst einschätzten. Und sie bearbeiteten von nun an ihre Pflanzungen, indem sie die wenigen wertvollen Metallwerkzeuge untereinander ausliehen. Hatte einer seine Pflanzung angelegt, gab er seinen Spaten weiter an den Nächsten, und so fort. Sogar zwischen dem einen und dem anderen befreundeten Dorf wurden diese Geräte ausgeliehen. Wegen Streichhölzern etwa machte niemand den weiten Weg zu den Weissen – dafür hatten sie ihre eigenen Methoden – mit dem trockenen Holz des Kakaobaums verstanden sie ein Feuer fast so schnell zu entzünden wie mit Streichhölzern. Aber zum Beispiel die Töpfe aus Aluminium fanden sie wunderschön und begehrenswert, jedoch selbst für die lohnte sich der weite Weg nicht: sie hatten ihre Tontöpfe, um die Jagdbeute darin zu garen. Ja, es war tatsächlich nur wegen der Messer und Äxte, der Spaten und Hacken, weshalb man den langen Weg zu den Weissen unter die Füsse nahm.

Sehr viel später, als wir in Marakana wohnten, mehr zur Quelle des Rio Tootobi hin, besuchten die Weissen unser Dorf zum ersten Mal. Zu dieser Zeit lebten noch alle unsere Ältesten und wir waren sehr zahlreich, daran kann ich mich deutlich erinnern. Ich selbst war ein Kind, aber gerade in dem Alter, in dem man die Dinge wahrnimmt. Dort wuchs ich auf und entdeckte die Weissen. Niemals zuvor hatte ich einen von ihnen gesehen, wusste gar nichts über sie. Hatte nicht einmal daran gedacht, dass sie existierten. Als ich sie dann mit eigenen Augen sah, heulte ich vor Angst. Unsere Erwachsenen hatten sie schon einige Male zu Gesicht bekommen, aber ich – niemals! Dachte es wären Kannibalen-Geister, die uns auffressen würden. Und ich fand sie fürchterlich hässlich, ausgebleicht und behaart. Sie waren so verschieden von uns Menschenwesen, dass sie mich in Schrecken versetzten. Ausserdem verstand ich keines ihrer verschlungenen Worte. Für mich war es eine Art Geistersprache. Es waren Personen der „Indianer-Kommission“(SPI).

Unsere Ältesten sagten, dass sie Kinder raubten – sie hätten sie schon beim Transport von Kindern beobachtet, damals, als sie den Rio Mapalaú hinaufgefahren seien. Deshalb hatte ich auch ganz besondere Angst: mir war klar, dass sie mich ebenfalls mitnehmen würden. Auch meine Grosseltern hatten ähnliches erzählt: „Jawohl, diese Weissen sind Kinderräuber!“ Und bis heute frage ich mich, warum sie tatsächlich unsere Kinder verschleppten? (Anspielung auf Missionsinternate, in denen Indianerkinder, getrennt von ihren Eltern, durch die Missionare erzogen wurden).

Als diese Weissen auf unseren Dorfplatz traten, versteckte mich meine Mutter unter einem grossen Korb aus Lianen, im dunklen Hintergrund unseres Hauses. Und sagte zu mir: „Hab keine Angst! Aber sag nicht ein einziges Wort!“ Und ich kauerte mich zitternd unter den Korb und sagte nicht ein einziges Wort mehr. Ich muss tatsächlich damals sehr klein gewesen sein, sonst hätte ich wohl nicht unter diesen Korb gepasst! Meine Mutter versteckte mich, denn auch sie fürchtete, dass diese Weissen mich mitnehmen würden, so wie sie damals jene Kinder mitgenommen hatten. Und sie wollte mich damit auch beruhigen, denn ich war ausser mir vor Angst und hörte nur auf zu weinen, als ich mich unter dem Korb wieder sicher fühlte.

Auch die Ausrüstung der Weissen erschreckte mich: ich hatte Angst vor ihren Motoren, vor ihren elektrischen Lampen, vor ihren Schuhen, vor ihren Brillen und ihren Uhren. Hatte Angst vor dem Rauch ihrer Zigaretten und dem Gestank ihres Benzins. Alles erschreckte und erschütterte mich zutiefst, weil ich nie vorher etwas Ähnliches gesehen – ich war eben noch sehr klein. Und als dann ihre Flugzeuge uns überflogen, war ich nicht der einzige, der Angst hatte: auch die erwachsenen Menschenwesen wurden von Panik ergriffen – einige brachen tatsächlich in Schluchzen aus, und alle rannten, um sich im Regenwald, rund um unser Dorf, zu verstecken. Wir sind Waldbewohner, wir kannten keine Flugzeuge, und sie erschreckten uns über alle Massen. Wir dachten an übernatürliche, fliegende Wesen, die auf uns herabfallen würden, um uns alle zu verbrennen. Alle hatten wir Todesangst!

Ich erinnere mich auch, dass ich Angst vor den Stimmen hatte, welche aus ihren Radios tönten und vor der Explosion ihrer Gewehre, die die Jagdbeute töteten. Ich fragte mich, was das alles für übernatürliche Dinge waren, die ich da zu sehen bekam. Und ich fragte mich auch, warum diese fremden Personen überhaupt in unser Dorf gekommen waren.

Später dann wuchs ich heran und begann richtig zu denken. Aber ich fuhr fort mich zu fragen: „Was wollen diese Weissen hier? Warum schlagen sie Wege in unseren Wald?“ Und unsere Dorfältesten antworteten mir: „Sie kommen bestimmt, um sich unser Land anzusehen und später hier mit uns zu wohnen!“ Sie verstanden jedoch nichts von der Sprache der Weissen, und deshalb liessen sie die Fremden in ihr Land eindringen – so wie Freunde. Wenn sie damals schon ihre Worte verstanden hätten, würden sie sie sicher aus dem Land geworfen haben. Denn diese Weissen hintergingen sie mit ihren Geschenken. Sie gaben ihnen Äxte, Haumesser, kleine Messer und Stoffe. Und sagten ihnen, um ihre Aufmerksamkeit einzuschläfern: „Wir, die Weissen, werden Euch niemals unversorgt lassen, wir werden Euch viele unserer Waren geben, und Ihr werdet unsere Freunde werden!“ Nur wenig später starben unsere Verwandten fast alle durch eine Epidemie – danach folgte die nächste. Später starben noch einmal viele andere Yanomami, als die Strasse in ihre Wälder vordrang (Perimetral Norte) – und viele, sehr viele andere Menschenwesen mussten sterben, als die Goldsucher mit ihrer Malaria in unser Gebiet einfielen. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich bereits erwachsen und hatte gelernt richtig zu denken – und ich hatte verstanden, was die Weissen mit ihrer Invasion unseres Gebiets bezweckten.

Die Weissen sind geschickt und intelligent, sie haben viele Maschinen und Waren, aber sie entbehren der Weisheit! Sie interessieren sich nicht mehr für das, was ihre Vorfahren waren, als sie geschaffen wurden. In der ersten Zeit ihrer Existenz waren sie wie wir – aber dann haben sie alle ihre alten Worte vergessen. Später durchquerten sie das grosse Wasser und zogen in unsere Richtung. Und dann sagten sie, dass sie dieses Land entdeckt hätten! Und das habe ich erst verstanden, als ich gelernt hatte, ihre Sprache zu sprechen. Wir, die Bewohner des Regenwaldes, leben hier seit undenkbaren Zeiten – schon seit unserer Schaffung durch Omama. Am Anfang aller Dinge gab es hier nur Waldbewohner, die Menschenwesen. Die Weissen nehmen heute für sich in Anspruch: „Wir haben das Land Brasilien entdeckt!“ Und das ist eine offensichtliche Lüge! Das Land existierte schon seit eh und je, und Omama hat uns mit ihm geschaffen. Schon unsere Urväter kannten diese Erde. Sie wurde nicht durch die Weissen entdeckt! Viele andere Völker, wie die Makuxi, die Wapixana, die Waiwai, die Waimiri-Atroari, die Xavante, die Kayapó und die Guarani leben ebenfalls auf ihr. Trotz alledem lügen sich die Weissen selbst in die Tasche und lehren ihre Kinder, dass sie dieses Land entdeckt hätten. So als ob diese Erde leer gewesen wäre! So als ob wir Menschenwesen sie nicht schon seit Anbeginn der Zeit bewohnt hätten! Was die Weissen tatsächlich entdeckt hatten war, dass dieses Land schon von uns entdeckt worden war!

Auch die Weissen sind dermaleinst in unseren Wäldern geschaffen worden, von Omama selbst. Aber als er ihre fehlende Weisheit entdeckte, hat er sie ausgewiesen, weil sie für uns eine grosse Gefahr bedeuteten. Er gab ihnen ein Land, sehr weit von hier, denn er wollte uns vor ihren Epidemien und ihren Waffen beschützen. Deshalb hat er sie weggebracht. Aber die Vorfahren dieser Weissen erzählten ihren Kindern von unserem Wald, und ihre Worte hafteten in ihren Köpfen während langer Zeit. Und schliesslich erinnerten sie sich: „Es ist wahr! Vor langer, langer Zeit lebten unsere Vorfahren in einem schönen Land!“ Und sie entdeckten es neu.

Am Ufer des Gebietes, an dem sie anlegten, lebten schon andere Indianer. Die Weissen waren damals noch nicht sehr zahlreich, also begannen sie sich zu verstellen: „Wir, die Weissen, sind gut und grossherzig! Wir geben Euch Geschenke und Nahrungsmittel! Lasst uns an Eurer Seite wohnen auf diesem Land! Wir möchten Eure Freunde sein!“ Und mit eben denselben Lügen versuchten sie auch das Volk der Yanomami zu täuschen. Nachdem sie ihre Lügen unter den Indianern verstreut hatten, zogen sie sich zurück – und dann kamen sie wieder in so grosser Zahl, wie Mücken in einem Schwarm. Anfangs, noch ohne eigene Häuser auf unserem Land, gaben sie sich freundlich gegenüber den Indianervölkern. Dann entdeckten sie die Schönheiten unserer Wälder und beschlossen, sich hier niederzulassen. Jedoch, seit sie sich bei uns installiert haben, seit sie ihre Häuser gebaut und ihre Pflanzungen angelegt, seit sie mit ihrer Viehzucht begonnen und den Boden nach Gold durchwühlen – haben sie ihre Freundschaft zu uns vergessen. Sie haben angefangen, die Waldbewohner zu töten, die in ihrer Nachbarschaft wohnten.

Damals, in der ersten aller Zeiten, waren die Menschenwesen sehr zahlreich auf dieser Erde. So sagen wenigstens unsere Ältesten. Es gab keine gefährlichen Krankheiten, Mumps, Grippe, Malaria, Pocken. Wir waren unter uns – und es gab weder Goldgräber, die das Gold verbrannten, noch Fabriken für Eisen und Benzin, Autos und Flugzeuge. Der Regenwald und alle, die in ihm lebten, waren nicht dauernd krank! Das begann, als die Weissen sehr zahlreich wurden und ihr Epidemie-Rauch Xawara zunahm und sich übers ganze Land verbreitete. Dieses böse Etwas wurde mächtig, und so geschah es, dass die Bewohner des Waldes anfingen zu sterben. Als sie noch ohne die Weissen lebten, hatten unsere Vorfahren keine Fabriken, jagten und arbeiteten in ihren Pflanzungen, um ihre Nahrungsmittel reifen zu lassen. Und sie verschmutzten auch nicht die Flüsse, wie jene Weissen, die jetzt Gold in unserem Gebiet suchen.

„Wir haben dieses Land entdeckt! Wir besitzen die Bücher, und deshalb sind wir bedeutend!“ sagen die Weissen. Aber das sind nur Lügen – die sie sogar aufgeschrieben haben! Sie haben nicht mehr geleistet, als den Waldbewohnern ihren Lebensraum gestohlen, um ihn zu verwüsten. Die gesamte Erde wurde einstmals als ein Ganzes von Omama geschaffen – die Erde der Weissen und unsere – zusammen mit dem Himmel. Und all das existiert schon seit allererster Zeit, als Omama uns schuf. Und deshalb glaube ich auch nicht an die Worte von der Entdeckung Brasiliens durch die Weissen! Dieses Land war nicht leer! Ich habe beobachtet, dass die Weissen nur daran interessiert sind, sich unser Land anzueignen – deshalb wiederholen sie stets diese Worte von der „Entdeckung“. Es sind dieselben Worte der Goldsucher, wenn sie von unserem Wald reden: „Die Yanomami haben hier nicht gelebt, sie kommen aus einer anderen Gegend! Diese Erde war leer – wir wollen in ihr arbeiten!“

Ich bin der Sohn der uralten Yanomami, ich bewohne den Wald, in dem meine Familie schon seit meiner Geburt gelebt hat. Aber ich gehe deshalb nicht herum und sage zu den Weissen, dass ich den Wald entdeckt habe. Er war schon immer da, schon lange vor mir. Ich sage nicht: „Ich habe dieses Land entdeckt, weil meine Augen darauf gefallen sind – und deshalb gehört es mir!“ Ich sage auch nicht: „Ich habe den Himmel entdeckt!“ Und ich sage nicht: „Ich habe die Fische entdeckt und die Jagd!“ Alle diese Dinge waren schon immer vorhanden – seit Anbeginn der Zeit. Also kann ich höchstens sagen, dass ich mich ebenfalls an ihnen freue und mich durch sie ernähre – das ist alles!

Ich habe inzwischen einige Reisen gemacht – auch Reisen ins Ausland. Ich habe verschiedene Länder der Weissen bereist, dort wo ihre Vorfahren einst gelebt haben. Ich habe auch den Kontinent besucht, den sie Erópa nennen. Dort stand einst ihr Wald – aber sie haben ihn im Lauf der Zeit abgeholzt, um daraus ihre Häuser und vor allem ihre Schiffe zu konstruieren (die Rede ist von Spanien und Portugal). Dann haben sie viele Kinder gezeugt, sind immer zahlreicher geworden und es gab plötzlich keinen Wald mehr. Also haben sie aufgehört zu jagen, denn auch die jagdbaren Tiere waren verschwunden mit dem Wald. Dann haben ihre Söhne Fabriken zur Herstellung von Waren gebaut, und ihr Geist fing an, sich zu verdunkeln wegen all dieser Güter, an die sie alle ihre Gedanken hängten. Sie bauten sich Häuser aus Stein, damit sie nicht verdarben. Und dann sagten sie: „Wir werden uns zum Volk der Waren entwickeln! Lasst uns viel mehr Waren produzieren und dazu noch Geld! Denn dann, wenn wir noch zahlreicher geworden sind, werden wir niemals arm sein!“ Und mit diesen Gedanken zerstörten sie ihre letzten Wälder und verschmutzten ihre letzten Flüsse. Heute können sie nur noch „eingepacktes Wasser“ trinken, das sie kaufen müssen. Das natürliche Wasser, welches in den Flüssen fliesst, ist dort schon nicht mehr trinkbar.

In der uralten Zeit lebten die Weissen so wie wir im Wald, und ihre Vorfahren waren weniger zahlreich. Omama übermittelte ihnen ebenfalls seine Worte, aber sie wollten nicht zuhören. Dachten, dass er sie über die wahren Werte der Erde täuschen wollte und fingen an, nach Mineralien und Petroleum überall zu suchen – nach all diesen gefährlichen Sachen, die Omama unter der Erde und im Wasser verborgen hatte, weil ihre Energie gefährlich ist. Doch die Weissen fanden sie und machten aus ihnen Werkzeuge, Maschinen, Autos und Flugzeuge. Und sie wurden ganz aufgeregt und schrieen: „Wir sind die einzigen, die so genial sind – nur wir wissen, wie man diese Maschinen und ihre Produkte herstellt!“ Und dies war der Moment, wo sie alle ihre Weisheit verloren! Erst verwüsteten sie ihr eigenes Land, und dann wechselten sie in das Land der Menschenwesen über, um weiterhin ihre Waren zu fabrizieren, ohne aufzuhören. Niemals haben sie sich gefragt: „Wenn wir die Erde zerstören – ob wir wohl bis dahin in der Lage sind, eine andere zu schaffen?“

Als ich die Städte der Weissen in unserem eigenen Land kennen lernte, konnte ich einige Zeit lang nicht mehr ruhig schlafen. Einige dieser Städte sind schön, aber ihr Lärm legt sich niemals. Die Menschen durchfahren sie mit Wagen – sowohl auf den Strassen als auch unterhalb derselben, in so genannten Zügen. Es ist einfach überall Lärm, und die Leute rennen überall herum. Der Geist wird benebelt von dieser Unruhe – man vermag nicht mehr richtig zu denken. Deshalb ist der Geist der Weissen voller Ablagerungen, und sie verstehen weder unsere Sprache noch unsere Art zu denken. Sie machen nichts weiter, als sich selbst immer wieder zu versichern: „Wir sind sehr glücklich, dass wir fahren und fliegen können! Lasst uns so weitermachen! Wir suchen Petroleum, Gold, Eisen! Die Yanomami lügen!“ Die Gedanken dieser Weissen sind versperrt, und deshalb malträtieren sie die Erde, graben sie Löcher sogar unter ihren eigenen Häusern. Sie denken nicht daran, dass die Erde einstürzen könnte – haben keine Angst, in die Unterwelt hinab zu fallen. Jedoch – so ist es. Wenn die „Weissbesessenen-Riesen-Gürteltiere“ (Bulldozer) überall in die Erdkruste eindringen, um Mineralien herauszuholen, werden sie sich verlieren und in die dunkle Welt ihrer kannibalischen Vorfahren hinabstürzen.

Wir Menschenwesen möchten, dass der Regenwald so bleibt, wie er immer war – und für immer. Wir möchten in ihm leben, in guter Gesundheit, und mit uns die Geister Xapiripë, die jagdbaren Tiere und alle Fische. Wir kultivieren nur die Pflanzen, welche uns ernähren – wir brauchen keine Fabriken, keine Löcher in der Erde und keine verschmutzten Flüsse. Wir möchten, dass der Wald ein ruhiger Ort bleibt, dass der Himmel klar über uns steht, dass sich die Dunkelheit der Nacht weiterhin und mit aller Regelmässigkeit über Mensch und Tier senkt, und dass man die Sterne sehen kann. Die Erde der Weissen ist verdorben, sie ist bedeckt von einem epidemischen Rauch Xawara, der sich bis zum Gewölbe ihres Himmels erhebt. Dieser Rauch fliesst auch in unsere Richtung, aber noch hat er uns nicht erreicht, denn der himmlische Geist Hutukarari vertreibt ihn unermüdlich. Über unserem Wald ist der Himmel immer noch klar, weil es noch nicht lange her ist, dass sich die Weissen in unser Gebiet eingeschlichen haben. Aber eines Tages, vielleicht wenn ich schon tot bin, wird auch dieser Rauch sich so weit ausgebreitet haben, dass er die Erde verdunkelt und die Sonne zum Erlöschen bringt. Die Weissen denken nie an diese Dinge, welche die Schamanen schon seit langem befürchten, und deshalb haben sie keine Angst vor den Konsequenzen. Ihre Gedanken sind voll von Vergessenheit. Denn sie fahren fort, ihre Gedanken nur an ihre Waren zu verschwenden – so als ob diese ihre Geliebten seien“.
(Nach einem Bericht von Davi Kopenawa Yanomami)

Davi Kopenawa Yanomami wurde 1956 geboren und lebt im Yanomami-Dorf von Watorik, am Fuss der Serra do Demini, die von den Eingeborenen Amazoniens auch „Serra do Vento“ (Gebirge des Windes) genannt wird. Seine Dorfgemeinschaft, am oberen Rio Tootobi (nahe der venezuelanischen Grenze), wurde fast ganz durch zwei aufeinander folgende Epidemien dahingerafft – nach Kontakten mit dem Indianer-Schutz (SPI) und der evangelischen Mission Novas Tribos do Brasil (NTB) – die erste eine Grippe-Epidemie, die zweite eine Masern-Epidemie. Noch als Kind, verlor Davi Kopenawa auf diese Weise den grössten Teil seiner Familienangehörigen. Danach lehnte er die Missionstätigkeit der NTB ab und verliess schon in jugendlichem Alter seine angestammte Heimat, um sich der Fundação Nacional do Índio (FUNAI) anzuschliessen – als Dolmetscher zwischen seinem Volk und den Weissen. Anfang der 80er Jahre kam er nach Watorik, wo er die Tochter des Häuptlings der Dorfgemeinschaft ehelichte. Jener heute betagte Häuptling, sein Schwiegervater, Oberhäuptling des Indianer-Postens Demini, ist ein überzeugter Traditionalist und noch heute Davis Mentor.

Zwischen 1987 und 1990 kostete die Invasion ihres Gebietes durch 30.000 bis 40.000 Goldsucher, mehr als 1.200 Yanomami das Leben. Schockiert von dieser Tragödie, die in ihm wieder die Erinnerung an jene Epidemien wachriefen, welche seine Familie in den 50er und 60er Jahren getötet hatten, engagierte sich Davi Kopenawa fortan in einem unermüdlichen Kampf gegen die Zerstörung seines Volkes und des Regenwaldes seines Landes. Dank seiner Erfahrungen unter den Weissen und seinem überragenden Intellekt, der ihm auch schamanistisches Wissen einbrachte, hat er sich zu einem der wichtigsten Sprecher in Indianerangelegenheiten Brasiliens und der ganzen Welt entwickelt. Er hat, in den 80er und 90er Jahren, verschiedene Länder Europas und der USA bereist. Nach dem Latex-Sammler und engagierten Umweltschützer Chico Mendes bekam er den „Globe 500“ Preis aus dem Programm der UNO für Umwelt überreicht und, erst kürzlich, den „Ritterorden des Bundeslandes Rio Branco“.

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WORTE DES 2. ÖFFENTLICHEN YANOMAMI-TREFFENS IM DEZEMBER 2000
Wir präsentieren hier einen offenen Brief, der von zirka 40 Yanomami unterzeichnet worden ist, Mitgliedern des „Distrikt-Gesundheitsrates der Yanomami“, verfasst während der „Zweiten Yanomami-Versammlung“, organisiert von der Demini-Kommune unter Leitung von Davi Kopenawa. Die „Erste Yanomami-Versammlung“ wurde 1986 abgehalten und zählte zu ihren illustren Gästen auch den damaligen Senator Severo Gomes. Damals mobilisierte Davi Kopenawa seine Stammesgenossen für die Kampagne zur Demarkation des Yanomami-Gebietes – und hatte damit Erfolg: 1991 – 92 wurde das Gebiet endgültig von der Regierung markiert und registriert.

Das Treffen 2000 wurde besonders durch die Gesundheits-Problematik motiviert, die zur Hauptsorge der Yanomami geworden ist. Aus diesem Grund begann das Treffen in der Hauptstadt Boa Vista – mit der Distrikts-Versammlung des Gesundheitsrates der Yanomami und wurde dann am Demini fortgesetzt – unter der Teilnahme sämtlicher Delegierter aus allen Yanomami-Regionen, der Repräsentanten von FUNAI, der Diezöse von Roraima, der ONG Urihi, der Saúde Yanomami und, vor allem, der Kommission Pró-YANOMAMI (CCPY). Das Treffen begann mit einem Zeremoniell, welches vom wichtigsten inter-kommunitären Ritual der Yanomami (reahu) inspiriert war, und dies gab dem Treffen einen echt indianischen Hintergrund. Danach sprachen verschiedene Gastredner aus den unterschiedlichsten Kommunen – aus den Regionen des Catrimani und des Tootobi – die historischen Alliierten der Bewohner vom Demini. (CCPY)

WATORIK, den 11. und 12. Dezember des Jahres 2000

  • „Wir, alle Yanomami, haben uns hier alle versammelt. Unter uns sind Leute der Region von Watorik, von Hawarihi Xapopë ebenfalls, vom Oberen Catrimani, vom Homoxi, dem Xitei, dem Parafuri, dem Uraricuera, dem Waikais, dem Auaris, dem Ericó, dem Mauxi u, dem Pia u, dem Apiahik, dem Balawaú, dem Novo Demini, dem Aracá, dem Ajuricaba, dem Surucucu, dem Apiaí, dem Toototobi und dem Unteren Mucajaí.
  • Wir, die Yanomami dieser Versammlung, möchten vor allem anderen unser Land gemeinsam verteidigen.
  • Wir, die Yanomami, wollen nicht, dass andere Personen es zerstören, seien sie Goldschürfer, Fazendeiros, Siedler, Militärs, Fischer, Holzfäller oder Unternehmen zur Mineralien-Förderung. Wir möchten nicht, dass sie unser Gebiet invadieren und unseren Wald zerstören.

Punkte, die dringender Beachtung und Lösung bedürfen:
1.)
In der Region des Rio Ajarani existieren verschiedene Fazendas, und wir, die Yanomami, wünschen nicht, dass auf unserem Gebiet Fazendeiros wohnen. Deshalb wünschen wir, dass sich das Gericht erneut dieser Frage annimmt.

2.)
Mit dem Einsatz der Staats-Polizei gegen die Goldschürfer, haben sich diese im Wald versteckt, deshalb konnten sie nicht vertrieben werden. Also bitten wir die Staats-Polizei, sich ein bisschen mehr anzustrengen, um die Goldsucher zu finden und endgültig auszuweisen.

3.)
Wir, die Yanomami, möchten keine weiteren Polizei-Kasernen auf unserem Land – die drei schon existierenden sind genug. Obwohl wir unsererseits die Militärs respektieren, respektieren sie uns aber nicht, sondern missbrauchen unsere Frauen. Wenn sie sich nur auf die Verteidigung der brasilianischen Grenze und unseres Gebiets konzentrieren würden, sind wir zufrieden.

4.)
Wir sind ebenfalls sehr besorgt um die Gesundheitseinrichtungen für die Yanomami. Früher konnten die Leute von der Gesundheitsbehörde in allen Yanomami-Regionen arbeiten. Heute fehlt Geld für die Gesundheit, wie sie sagen, und wenn dies sich nicht bald ändert, wie können diese Leute uns dann behandeln, uns heilen? Mit zu wenig Geld für die Gesundheit werden wir Yanomami wieder an Malaria, Grippe, Durchfall, Tuberkulose, Lungenentzündung und Verminose sterben. Denn viele von uns sind in der Vergangenheit so gestorben – an diesen Krankheiten. Heutzutage möchten wir so nicht mehr sterben. Das sind unsere gemeinsamen Worte. Ihr, die Autorität in Brasília, müsst nun richtig denken. Ihr geht falsch in der Annahme, dass die Yanomami jetzt glücklich und in guter Gesundheit leben.

Anmerkung
Der Original-Brief der Yanomami steht jedem zur Verfügung, der sich für das Dokument interessiert – im Büro der „Comissão Pró-Yanomami“ in Brasília.

© Textmaterial von Bruce Albert, Wissenschaftler des IRD (Paris) angeschlossen an das Instituto Socioambiental
(São Paulo), Juni 1999.
Deutsche Übersetzung/Bearbeitung, Klaus D. Günther
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