Mehinako

Zuletzt bearbeitet: 3. Dezember 2020

Als Bewohner der kulturellen Region, die bekannt ist als Oberer Xingu (innerhalb des “Parque Indígena do Xingu“), sind die Mehinaku Bestandteil eines grossen Komplexes von Völkern von nur geringen Verschiedenheiten. Ein spezialisiertes kommerzielles Tauschsystem, intergesellschaftliche Rituale und festgelegte Zeiten für Heiraten untereinander, vernetzen die Mehinaku mit und unterscheiden sie andererseits auch von anderen Ethnien, von denen sie umgeben sind.

Mehinako

Andere Namen: Meinaco, Meinacu, Meinaku
Sprache: Der Familie Aruak
Population: 254 (2011)
Region: Mato Grosso (Parque Indígena do Xingu)
INHALTSVERZEICHNIS
Geschichte der Besetzung des Oberen Xingu
Das Dorf
Relation mit den anderen Dörfern des Oberen Xingu
Sprache
Das kommerzielle Tauschsystem
Rituale
Einheiraten

Mehinako
Mehinako
Mehinako
Mehinako
Mehinako
Mehinako
Mehinako
Masque Atuxua
Mehinako - Alto Xingu
Cestaria
Zo'é
Dia do Indio - Bertioga 2009
Dia do Indio - Bertioga 2009
Dia do Indio - Bertioga 2009
Dia do Indio - Bertioga 2009
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nach obenGeschichte der Besetzung des Oberen Xingu

Wenn sie ihre Vergangenheit wiedererzählen, beschreiben die Mehinaku lediglich ein paar Generationen von Vorfahren bevor sie die “Zeiten der Mythologie“ (ekyimyatipa) erreichen, als ihre Kulturhelden und Geister menschliche Wesen schufen, gesellschaftliche Institutionen und die Geografie des Xingu-Gebiets.

So weit sie denken können, haben die Mehinaku immer im Becken des Xingu gelebt, im Gebiet der Flüsse Tatuari und Kurisevu. Das erste Dorf, von dem man weiss, war Yulutakitsi, welches vor 150 Jahren oder mehr an einem Ort stand, an den sich niemand mehr erinnert. Was aber das Dorf Yulutakitsi so interessant macht ist die Tatsache, dass die Dorfbewohner jener Zeit ihr Dorf in zwei Gruppen bewohnten, das in zwei Hälften unterteilt war, jede mit einer dreifachen Reihe von Häusern – auf gegenüberliegenden Seiten des zentralen Platzes. Nach Auskunft der einen wurde die gesellschaftliche Grenze durch einen kleinen Zaun markiert, der das Zentrum des Dorfplatzes in zwei gleiche Teile trennte – aber andere behaupten, dass es die Bank vor dem Männerhaus in der Mitte des Platzes war, welche als imaginäre Trennungslinie diente. Und Aiyuruwa, ein Mehinaku-Häuptling, ergänzt: “Wir heirateten keine Frau von unserer Seite, nur von der anderen. Und wenn einer auf der anderen Seite starb, weinten wir nicht, nahmen auch nicht unsere Gürtel ab noch wuschen wir unsere Farben vom Körper. Nur die drüben trauerten“. Das einzige eventuelle Überbleibsel jener Organisation eines Mehinaku-Dorfes in zwei getrennten Teilen, mag bei den kontemporären Mehinaku das Muster sein, nach dem die Häuser von Häuptlingen oder Stammesführern einander gegenüber aufgestellt werden – und nach jedem Umzug einer Gruppe wird wieder so verfahren.

Die historischen Mehinaku-Dörfer befanden sich nördlich des gegenwärtigen Aweti-Dorfs, am Rio Tatuari. Die Mehinaku kehren jedes Jahr in dieses Gebiet zurück, um dort Pequi-Früchte zu ernten und Salz zu gewinnen (Potassium-Chlorit) aus einer Wasserpflanzen-Art, die “Jacinto“ heisst, und die man auf den Seen dieser Region reichlich findet. Für die Mehinaku ist dieses Gebiet ihre traditionelle Heimat. Sie haben sie einst aus unterschiedlichen Gründen verlassen, wie zum Beispiel wegen dem Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, der Nähe zu Kolonien von gefährlichen Wanderameisen, einer plötzlichen hohen Sterblichkeit und wegen ihres Glaubens, dass die Konstruktionen und Wege der Kommune zu gross geworden und das Gebiet beeinträchtigt hätten, sodass eine Rekonstruktion problematisch wäre. Alle antiken Dörfer werden von den Mehinaku voller Nostalgie als grösser und schöner beschrieben, denn ihre gegenwärtige Kommune. Und sie sagen, dass der zentrale Platz in der Vergangenheit von mehreren Häuserreihen umgeben gewesen sei, als lediglich von einer. Die Bewohner waren sicher vor Epidemien und Krankheiten des weissen Mannes (sogar die Grippe war damals unbekannt), der Fisch war zahlreicher in den Gewässern und der Tratsch weniger intensiv.

Zur Zeit des Erstbesuchs des Forschers Karl von den Steinen (1884) lebten die Mehinaku in drei getrennten Dörfern, obwohl eins davon wohl eher eine Art Provisorium für die Trockenperiode (Uleinejepu) gewesen ist. Es ist wahrscheinlich, dass die gegenwärtigen 199 Einwohner nur etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung aus der Zeit des von Steinen ausmachen. Auf jeden Fall pflegten die Dörfer der Mehinaku viel mehr Familien zu beherbergen als in der Gegenwart.

Die Verlegung der Mehinaku-Dörfer aus ihren traditionellen Territorien wurde auch durch die Ankunft der Ikpeng provoziert, eine Karib-Gruppe, die in der Mitte der 50er Jahre die Bewohner des Mehinaku-Dorfes mit einer Wolke von Pfeilen angriffen. Als dann der Mehinaku-Häuptling von einem Pfeil der Ikpeng in den Rücken getroffen wurde, überredeten die Brüder Villas-Bôas die Bewohner des Dorfes, ihr Gebiet zu verlassen und sich in der Nähe des Indianerschutz-Postens niederzulassen. Die Yawalapiti waren diesem Rat ebenfalls bereits nachgekommen – zur selben Zeit – um den Ikpeng zu entkommen. Einen Kilometer vom Posten entfernt übergaben die Yawalapiti den Mehinaku ihr erstes Haus Jalapapuh – der „Platz der Blattschneider-Ameisen“. Beide Gruppen kamen später überein, dass die Mehinaku lediglich im Gebiet des Rio Tatuari fischen durften, der sich in der Nähe ihrer Unterkunft befand. Auf dem Weg nach Jalapapuh verweilten die Mehinaku im Dorf der Aweti, wo sie ein Gebiet mit einer Anzahl Bananenstauden, das auf halbem Weg zwischen ihren beiden Dörfern lag, in zwei Hälften aufteilten. Die Mehinaku stimmten ihrerseits zu, dass sie in diesem Gebiet kein Schilfrohr für Pfeile abschneiden würden, ohne die ausdrückliche Erlaubnis der Aweti. So kam es, dass grosse Areale von Wald und Sumpf zu dieser Zeit von drei verschiedenen Völkern genutzt wurden: den Mehinaku, den Aweti und den Yawalapiti.

Die definitive Niederlassung der Kommune im Dorf Jalapapuh wurde schliesslich von einer Yawalapiti-Frau entschieden, die mit einem Mehinaku verheiratet war. Das neue Dorf war wenige Meter entfernt vom Rio Tatuari gelegen, ganz in der Nähe der ersten Felder und Pequi-Pflanzungen der Yawalapiti. Nach dem Umzug nach Jalapapuh errichteten die Mehinaku ein paar neue Dörfer in der Nähe ihres Stammgebiets. In den 60er Jahren, nachdem eine Serie von Grippe- und Masern-Epidemien mehr als 15 Personen umgebracht hatten, zogen die Mehinaku wieder um – nur etwa 200 Meter weit weg vom alten Dorf. Und 1981 konstruierten sie noch einmal eine neue Kommune in derselben Gegend, denn die vorhergehende war ihrer Meinung nach “ziemlich herunter gekommen“ und deshalb nicht mehr attraktiv. Die Nähe zum Posten Leonardo erleichterte die medizinische Behandlung und den Erhalt von Konsumgütern, die von den Brüdern Villas-Bôas mitgebracht wurden, dadurch kamen sie von der Idee ab, zu ihren traditionellen Ländereien zurückzukehren, obwohl eine Bedrohung durch die Ikpeng inzwischen nicht mehr gegeben war.

Trotz der vielen Umzüge bewahrten und pflegten die Mehinaku sorgfältig alles, was ihnen wichtig war an Lebensart innerhalb ihres Dorfes und in Bezug auf die Relationen mit anderen Gruppen. Wie schon in der Vergangenheit wurde das Dorf in Richtung des Flusses Tatuari ausgerichtet. Die Sonne geht über dem Rio Kurisevu auf, wandert über das Männerhaus hinweg ins Zentrum der Kommune und versinkt am Nachmittag im Rio Tatuari. Und der Weg, der von Ost nach West, vom Bootshafen am Kurisevu zum Tatuari führt, wird deshalb auch “Weg der Sonne“ genannt.

Man kann auch sagen, dass sich mit dem Umzug nach Jalapapuh die Verbindungen mit anderen Gruppen intensivierten. Die nächsten Nachbarn, die Yawalapiti fingen an, immer mehr Heiraten zwischen ihrem und dem Volk der Mehinaku auszurichten als in der Vergangenheit, und sie veranstalteten auch viele gemeinsame Rituale. Der Posten Leonardo Villas-Bôas, mit seinem konstanten Besucherstrom aus Xinguanern, befand sich nur drei Stunden Fussmarsch weit vom Dorf. Das gegenwärtige Dorf der Mehinaku heisst Uyapiyuku und befindet sich etwas weiter weg vom gleichen Posten, dieser wird aber immer noch regelmässig von den jüngeren Leuten besucht.

Und man hat inzwischen einen so genannten Wachposten (Posto de Vigilância – PIV) am Rio Kurisevu gegründet, dessen Chef ein Mehinaku ist, der dort auch mit seiner Familie wohnt. Dieser Posten befindet sich etwa 40 Minuten mit dem Jeep von dem Ort “Gaúcha Norte“ entfernt, einem Distrikt, der von den Mehinaku in der Regel gut frequentiert wird, um dort Konsumgüter zu kaufen oder mit dem Präfekten zu verhandeln, der für die Schule im Indianerdorf und den Posten (PIV) Kurisevu verantwortlich ist.

nach obenDas Dorf

Die Mehinaku sagen, dass ihr derzeitiges Dorf Uyapiyuku nach demselben Muster aller vorherigen Mehinaku-Dörfer geplant und konstruiert worden sei – seit der Zeit der Schöpfung (oder seit sie zurück denken können): Demnach muss ihr Dorf zwischen zwei Flüssen liegen – dem Tatuari im Westen und dem Kurisevu im Osten. Wenn die Sonne aufgeht, sollte ihr Weg am Himmel parallel zum breiten Gehweg verlaufen, der sich vom Bootshafen am Kurisevu bis zum Mittelpunkt des Dorfes hinzieht. Das Männerhaus sollte den Weg der Sonne genau in zwei Hälften teilen, und die Sitzbank vor dem Männerhaus sollte gen Osten den Blick frei über den Weg bis zum Wald schweifen lassen. Und wenn die Sonne hoch über das Männerhaus gewandert ist, muss sie den breiten Gehweg nach Westen verfolgen – bis zum Badeplatz im Tatuari – in den sie dann auch versinkt. So reflektiert die irdische Anlage des Dorfes die göttliche Architektur des Himmels.

Das Dorf erscheint von einer breiten Linie geteilt in zwei Hälften – sie verläuft schnurgerade in ost-westlicher Richtung. Diese Linie ist die “Hauptstrasse“, welche einerseits zum öffentlichen Badeplatz und am anderen Ende zur Anlegestelle der Kanus, dem “Hafen“ führt. Die Häuser sind in einem vagen Halbrund positioniert, rund um das zentral gesetzte Männerhaus. Innerhalb jeden Hauses schläft der “Herr“ (die Person, welche das Haus bauen liess) näher zum “Sonnenweg“ als jeder andere Mitbewohner. Auch die Position der einzelnen Häuser wird nach dem Status ihrer Bewohner bestimmt – so werden zum Beispiel Häuser von Häuptlingen oder Stammesführern stets an der “Hauptstrasse“ positioniert, und zwar an einer der vier Himmelsrichtungen. Und die “Normalverbraucher“ bauen dann ihre Häuser zwischen die der “Nobel-Residenzen“.

In der Gegend des Dorfplatzes, vor dem Männerhaus, schmieden die Dorfbewohner Pläne und treffen sie Entscheidungen, dort halten sie Reden, veranstalten Rituale und Zeremonien und kultivieren eine Geselligkeit von ausgesprochen öffentlichem Charakter. Das Wort, welches den Dorfplatz bezeichnet, heisst “Wenekutaku“ – frequentierter Ort. Andere, dem mittleren Platz angegliederte Flächen, haben ebenfalls spezifizierende Namen: “Kapitaku“, das Kampffeld, wird für Ringkämpfe am Nachmittag benutzt – “Yetemá“, der Kreis der Schamanen, wird jede Nacht von den Schamanen des Dorfes frequentiert, die sich hier zum Rauchen und Diskutieren der Tagesereignisse treffen. Auch der Friedhof nimmt einen Teil des riesigen Platzes ein und ist, so sagen die Mehinaku, mit dem Himmel durch eine unsichtbare Strasse verbunden, die im Dorf beginnt.

Die Aktivitäten der Männer finden ausserhalb der Häuser statt, wie die Jagd, der Fischfang, die öffentliche Geselligkeit und der Spaziergang durch den Wald. Während das Haus mit der Weiblichkeit assoziiert ist, im Gegensatz zum öffentlichen Platz und dem ganzen Rest des Dorfes, welche der Männlichkeit gehören.

Jedes Haus ist im Idealfall so positioniert, dass seine Vorderfront zum Mittelpunkt des Dorfes ausgerichtet ist. Dort im Eingang – oder in seiner unmittelbaren Nähe – sitzen die Frauen am späten Nachmittag, um sich zu unterhalten, sich gegenseitig Läuse abzusuchen und die Ringkämpfe der Männer anzusehen.

Das Areal vor der Hintertür des Hauses wird als Mülldeponie und für eine Vielzahl von täglichen Aktivitäten benutzt – wie zum Beispiel die Zubereitung von Maniok während der Trockenperiode, das Ausnehmen und Schuppen von Fischen, das Flechten von Körben, Schnitzen und Formen von Holz, Treffen und Verhandlungen mit anderen Hausbewohnern und, klamm und heimlich, auch zu ausserehelichen Verabredungen.

Wenn man zum ersten Mal durch den niedrigen Eingang ein Wohnhaus der Mehinaku betritt, wird man von dem Gefühl einer enormen, dunklen Weite überrascht – denn in seinem Innern gibt es nur wenige Säulen oder Stützpfeiler. Und weil keine Fenster vorhanden sind, und die beiden Eingänge vorne und hinten nur wenig Licht einlassen, ist der Kontrast zwischen dem gleissenden Sonnenlicht des Platzes und der Dunkelheit im Innern des Hauses enorm. In der Nacht, nachdem die Eingänge verschlossen wurden, damit keine Moskitos und auch keine Hexen eindringen – die, so glaubt man, durch die Dunkelheit der Nacht streifen – kommt das einzige Licht von den kleinen Feuerstellen, welche die Indianer neben ihren Hängematten anzünden.

Der Boden des Hauses ist unterteilt in eine bestimmte Anzahl von Bereichen, ein jeder ist für spezielle Aktivitäten der Wohngemeinschaft vorgesehen. Der Bereich rund um den Eingang wird für manuelle Arbeiten genutzt, für die Aufsicht über die Kinder und, um mit der Sicht auf den Platz beobachten zu können, was draussen so geschieht. Dort wird auch ein eventueller Besucher in Empfang genommen. Der mittlere Bereich des Hauses wird als Abstell- und Speisekammer benutzt, als Arbeitsplatz der Hausfrauen und als Küche. Ein grosses Regal am Fuss der Stützpfosten des Daches trägt verschiedene, hohe Behälter für Maniokmehl. In diesem Bereich bereiten die Frauen, unter Zuhilfenahme eines Keramik-Topfes und einem Mörser aus Holz, den Fisch zu und backen die “Beijus“ (Fladenbrote). Die Schlafbereiche befinden sich hinter den zwei Hauptpfosten für das Befestigen von Hängematten, sie sind die schwersten Stützen in der Gesamtstruktur des Hauses. Die Kernfamilien befestigen ihre Hängematten in Nähe zueinander, sie teilen sich einen gemeinsamen Schlafbereich und bewahren auch persönliche Objekte auf gemeinsamen Regalen auf oder hängen sie an langen Kordeln auf, die von den Querbalken herunterhängen. Trotzdem wird in diesem simplen System das Privateigentum eines jeden Mitglieds peinlich genau respektiert – und höchstens gelegentlich wird ein Freund aufgefordert, sich in die Hängematte eines anderen zu setzen.

nach obenRelation mit den anderen Dörfern des Oberen Xingu

Mit anderen Völkern des Parks – und mit den Weissen. Die Mehinaku sind begeisterte Teilnehmer am Tauschsystem zwischen den Stämmen des Oberen Xingu. Auf gewisse Weise anderen Gruppen des Oberen Xingu ähnlich, unterteilen sie die Welt der Menschen in drei Kategorien: Wajaiyu, Kajaiba und Putaka. Aus der Sicht der Mehinaku stammen alle Völker des Oberen Xingu (Putaka) vom gleichen Schöpfer – alle, so sagen die Mehinaku, “essen dieselben Speisen“. Die “Wajaiyu“ sind die wilden Indianer, die hinter den Grenzen der Welt des Oberen Xingu leben, und mit denen sie inzwischen Kontakte pflegen, seit die Gebrüder Villas-Bôas auftauchten und der Park geschaffen wurde. In der Vergangenheit hatten die Mehinaku sehr unter den Angriffen der Ikpeng, Suyá und anderen Völkern Wajaiyu zu leiden, die sie überfielen, um Frauen und Keramikbehälter zu stehlen. Ein historisches Mehinaku-Dorf liegt an einer Stelle, wo seine wütenden Einwohner einen feindlichen Suyá erschlugen – und deshalb heisst der Ort heute noch “Ort der Sujá“ (Suyapuhi). Die Mehinaku erklären den Unterschied zwischen ihnen und den Wajaiyu in ihrer Mythologie: Vor langer, langer Zeit schuf die Sonne die Völker des Oberen Xingu, und sie gab jedem Volk einen Platz zu leben und eine besondere Lebensweise. Die Wajaiyu (sie werden in zahlreichen Legenden als von Tieren abstammend beschrieben) kannten dagegen nie ihre Rituale, ihre Lebensgewohnheiten oder die Kultur der Menschen des Oberen Xingu. Die Wajaiyu sind Beispiel für alles, was in Relation auf das menschliche Verhalten falsch sein kann.

In jüngerer Zeit, in der die Mehinaku von drohenden Invasionen befreit sind, hat ihr Kontakt mit Individuen, die sie zu den Wajaiyu zählen immer mehr zugenommen – besonders bei gemeinsamen Fussballpartien, kommerziellen Partnerschaften und politischen Kundgebungen unter den Völkern, die im Park leben – besonders auch in Relation auf die Verteidigung ihres persönlichen Lebensraums. Seit Gründung der ATIX (Associação Terra Indígena do Xingu), im Jahr 1995, nehmen die Mehinaku, gemeinsam mit allen Führern des “Parque Indígena do Xingu“, teil an den grossen Versammlungen, in denen die Verteidigung der Grenzen, Gesundheit, Erziehung und wirtschaftliche Alternativen diskutiert werden. Durch ihre Verantwortung gegenüber der Leitung des PIV Kurisevu (Wachposten an der Grenze des Parks) haben die Mehinaku auch einen starken politischen Einfluss auf die anderen Völker des “Unteren Xingu“ – insbesondere auf die Kaiabi und die Yudja, die von der ATIX in das “Grenz-Projekt“, der Kontrolle und Verteidigung des Park-Territoriums, verpflichtet worden sind.

Und nun zur Mehinaku-Perspektive hinsichtlich der “Kajaiba“, der weissen Männer: sie sind ebenfalls Söhne der Sonne, wie die Mehinaku. Ihre technologische Zivilisation ist eine Gabe der Sonne, ihre besonderen Sitten und ihre physische Erscheinung hat sich ihrer besonderen Kultur angepasst und, vor allem anderen, auch ihren einzigartigen Speisen. Ein Mehinaku-Häuptling hat einmal die Bedeutung der Speise innerhalb der geschaffenen Verschiedenheiten zwischen Xinguanern, den wilden Indianern und den weissen Menschen folgendermassen erklärt: “Euer Samen besteht aus Kaffee, Milch, Suppe und heisser Schokolade, aus Reis, Bohnen und dem Fleisch von Tieren. Und aus dem Guaraná. Euer Samen ist demnach wie diese Speisen – süss. Und eure Kinder sind gross, weil eure Speisen süss sind. Aber vor allem sind eure Speisen anders als unsere. Die sind ohne Geschmack, und deshalb ist auch unser Blut anders. Unsere Kinder sind klein und verschieden von euren. Und deshalb unterscheiden sich auch die Kinder von Japanern und wilden Indianern von den unseren. Die Speisen von denen und der Samen ihrer Väter ist verschieden von unserem“.

Was ihr Verständnis für die Weissen betrifft, so haben die Mehinaku noch Probleme, den Rückschritt politischer Aktionen der FUNAI (staatliche Indianerschutzorganisation) zu verstehen, welcher damit einherging, dass man ihnen nunmehr auch weniger Geschenke über den Posten Leonardo anbietet. Im Allgemeinen, trotz einer gewissen positiven Erfahrung mit den “Kajaiba“, verhalten diese sich manchmal absolut unverständlich gegenüber den Dorfbewohnern. Es ist bezeichnend, dass in der Mehinaku-Interpretation der Träume der Weisse stets als Träger von Krankheiten vorkommt, bekannt unter “Kajaiba ipyana“ – Zauberei des weissen Mannes. Auf der anderen Seite haben die Mehinaku sich bemüht, mit der Präfektur von Gaúcha do Norte ein gutes Verhältnis herzustellen und zu unterhalten – vor allem aus dem Interesse heraus, sich hier eine Quelle für Gebrauchsgüter, wie Benzin, Unterrichtsmaterial für die Schule und nicht zuletzt auch die Bezahlung für den eingeborenen Lehrer, offen zu halten.

Eine andere prägende Persönlichkeit aus dem Universum der Weissen vor Ort, ist ein Missionar, der in ihrem Dorf wohnt, und dessen Ehefrau vom Volk der Terena abstammt. Er unterrichtet in der Schule, neben dem indianischen Lehrer. Obwohl er in pädagogischer Hinsicht nicht erfahren zu sein scheint, ist es dem Missionar doch gelungen, sich des Vertrauens der Dorfführer zu versichern.

Über die Grenzen des Parks hinaus haben die Mehinaku sich ebenfalls bemüht, ihre Kultur unter den Karaija auszubreiten – dafür wurde ein Buch mit Fotos und einer Video-Kassette publiziert – unter dem Sponsorat der japanischen “Rainforest“-Gruppe. An demselben Projekt ist auch der Verein “Rito de Passagem“ beteiligt, der Präsentationen von Tänzen und Indianer-Gesängen in den Städten Rio de Janeiro und São Paulo organisiert.

nach obenSprache

Innerhalb der vielen Ähnlichkeiten gegenüber den anderen Völkern vom Oberen Xingu, besteht der relevanteste Unterschied wohl in ihrer Sprache. “Nur diejenigen, welche unsere Sprache sprechen, sind uns gleich“ – das sagte einmal ein Mehinaku-Führer auf dem zentralen Platz seines Dorfes. Den Mehinaku, die eine Sprache aus der Aruak-Familie sprechen, sind lediglich die Waurá etwas ähnlich, auf die sich die Mehinaku mit “Unsere Anderen“ beziehen – um damit ihre Nähe und Volks-Verwandtschaft auszudrücken. Dagegen werden die anderen Xinguaner in der Regel von ihnen nur als “Die Anderen“ bezeichnet.

Die Frage der allgemeinen Sprache ist für die Mehinaku ein Thema von grösster Bedeutung, und sie fühlen sich nur dann wohl, wenn sie eine Fremdsprache wirklich beherrschen. Männer und Frauen, die durch eine Einheirat in andere Dörfer abwandern, halten sich zurück mit der für sie neuen Sprache, solange, bis es ihnen gelungen ist, sie perfekt zu erlernen. Und selbst wenn es ihnen gelungen ist, die neue Sprache zu beherrschen, vermeiden sie es, eine andere Sprache als ihre eigene in öffentlichen Situationen zu benutzen.

Die Waurá-Variante der Aruak-Sprache ist für die Mehinaku verständlich, aber die beiden Sprachen weisen ein paar signifikante Unterschiede auf. Viele Worte des basischen Vokabulars sind verschieden, ebenso die Verbalendungen und das phonetische System.

nach obenDas kommerzielle Tauschsystem

Der kommerzielle Tausch von besonderen Gegenständen des täglichen Bedarfs ist ein bedeutungsvoller Punkt im Wirtschaftssystem des Oberen Xingu. Es lebt sowohl von den unterschiedlichen Produkten als auch von der gegenseitigen Abhängigkeit, die es bestätigt und vertieft. Traditionelles Spezialprodukt der Mehinaku ist ihr Salz auf diesem Markt, das sie während der Trockenperiode, im August, aus Wasserpflanzen gewinnen (kein Sodium-Chlorit sondern Potassium-Chlorit). Dieses Gewürz ist ein zentrales Element in der Mehinaku-Küche, und es wird auch von den anderen Völkern des Oberen Xingu sehr geschätzt, die sich während des ganzen Jahres im Mehinaku-Dorf einfinden, um ihre Holzschüsseln, Keramik-Behälter, Halsketten und Gürtel aus Muscheln gegen grosse Mengen von Salz einzutauschen. Mitglieder anderer Ethnien besuchen die Mehinaku ebenfalls wegen ihrer Baumwolle, die von den Bewohnern des Dorfes in so grossen Mengen produziert wird, dass sie weit über ihren Eigenbedarf hinausgehen.

nach obenRitual

Die Mehinaku und ihre zeremonielle Kultur stehen im Mittelpunkt des Religionssystems am Xingu. Viele der bedeutendsten rituellen Gesänge werden von allen Teilnehmern des Oberen Xingu in der Mehinaku-Sprache intoniert, und viele ihrer Geister, die auch in anderen Dörfern ihr Unwesen treiben, scheinen Mehinaku-Namen zu haben – also solche der Aruak-Sprache. Nach Berichten der Anthropologin Ellen Basso, zum Beispiel, singen die Kalapalo rituelle Gesänge in der Mehinaku-Sprache, obwohl dieses Karib-Volk gar kein Aruak versteht.

Wie die anderen Indianer vom Oberen Xingu, nehmen auch die Mehinaku an den meisten intertribalen Festen teil, welche zum Beispiel die Einführung neuer Stammesführer, die Durchbohrung der Ohrläppchen bei den Knaben (Pihika), die Trauer um kürzlich verstorbene Personen (Ata kaiumãi – entspricht dem “Kwarup“ in der Sprache der Kamayurá), die kommerziellen Festlichkeiten in der Regenzeit (Huluki) und eine grosse Zahl von kleineren Anlässen zum Inhalt haben. Die Dorfbewohner senden Zeremonien-Botschafter (Waka) zu den anderen Dörfern, um ihre Einladung, zusammen mit ein paar Geschenken und einer stilisierten Begrüssungsansprache, zu überbringen.

Das Ritual-System der Mehinaku ist denen anderer Bewohner des Oberen Xingu sehr ähnlich in seiner allgemeinen Struktur, die auf zeremonielle “Sponsoren“ und “Realisatoren“ zählt. Mit Ausnahme ihrer nächsten Alliierten, der Waurá und, möglicherweise der Yawalapiti, präsentieren die anderen Xinguaner lokale Variationen ihrer Rituale, aber das System bietet genügend konzeptionellen Raum, um andere Varianten problemlos zu integrieren.

In solchen Ritualen stehen die Stammesführer in direkter Verbindung mit der Pequi-Ernte am Ende jeden Jahres. Nach dem Glauben der Mehinaku sind die Pflanzungen das Heim der Geister – und die sind auch die wahren Eigentümer des Pequi. Diese Geist-Besitzer werden durch die Rituale gefügig gemacht – während einer Periode von zirka sechs Wochen werden sie, unter einer Maske personifiziert, in das Dorf getragen und rituell gefüttert – um dann wieder zu ihren Pflanzungen zurück geschickt zu werden, zusammen mit den Bitten der Teilnehmer um mehr Pequi-Früchte im kommenden Jahr. Unter diesen Geist-Besitzern der Pflanzungen befindet sich auch “Matapu“, der Wind-Geist, er ist Mittelpunkt eines wichtigen Rituals von drei Tagen Dauer. In seinem Verlauf fertigen die Teilnehmer “Wind-Summer“ (ein Objekt mit einem Stiel und einem flachen Holzbrettchen an der Spitze, das einen summenden Ton hervorbringt, wenn man es an einer Schnur kreisen lässt) an, die dann in den Männerhäusern aufgehängt werden – ausser Sichtweite der Frauen.

nach obenEinheiraten

Der Warenfluss und auch der von zeremoniellen Dienstleistungen zwischen den verschiedenen Dörfern ist Teil eines Tauschsystems, dessen bedeutendste Komponente die Personen selbst sind. Besuche bei anderen Gruppen werden von dem Wunsch angetrieben, ein Geschäft zu tätigen, um der ewig gleichen Gesellschaft von zuhause zu entfliehen, um Ritualen anderer Ethnien beizuwohnen oder auch – einen Ehepartner in einer anderen Dorfgemeinschaft zu entdecken. Die Mehinaku allerdings, ziehen eine Heirat unter sich vor – es kann jedoch passieren, das sie unter sich keine Ehepartner finden, die vom Alter her, oder vom Verwandtschaftsgrad, die entsprechenden Voraussetzungen mit sich bringen. Dann ist die Lösung, einen Ehepartner mittels Aktivierung der Verbindungen mit anderen Kommunen aufzutreiben. Gegenwärtig gib es verwandtschaftliche Verbindungen zwischen allen Xingu-Völkern, die sich zum Einheiraten eignen. Die Mehinaku verheiraten allerdings ihre Mitglieder nur als letzte Alternative mit anderen Ethnien, denn ihnen gefällt die Idee nicht, die Präsenz und Unterstützung ihrer Kinder zu verlieren. Denn weil kein eheliches Reglement die Kinder an die Kommunen ihrer Eltern bindet, besteht immer das Risiko, dass sie nach ihrer Heirat ihre angestammte Wohngemeinschaft verlassen.

© Thomas Gregor, Anthropologe und Direktor des Anthropologischen Programms der “Vanderbilt University“, im November 2002
Deutsche Übersetzung/Bearbeitung, Klaus D. Günther
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