Flughafenbeobachtungen

Zuletzt bearbeitet: 25. Dezember 2012

Menschen zu beobachten finde ich interessant und spannend, vor allem auf einem Flughafen – in diesem Fall auf dem internationalen Aeroporto de Guarulhos, der Metropole São Paulo. Und wenn man inkognito als Brasilienexperte unterwegs ist und aus eigener Beobachtung erfahren kann, was Touristen bewegt, was sie denken und zu kritisieren haben, ist das fast ein verspätetes Weihnachtsgeschenk.

Dieses Glück hatte ich dieses Jahr beim Heimflug von GRU – ZRH, wo sich verschiedene grössere und kleinere Reisegruppen, Familien und Paare die Wartezeit vertrieben, einige sich wohl auch zum letzten Mal sahen und voneinander verabschiedeten. Das multikulturelle, durcheinander schwirrende Sprachengemisch der Wartenden machte meine ersten Versuche, sie nach Nationen zu unterscheiden, ein bisschen schwierig.

Fabio PozzebomABrBald darauf jedoch hatte ich den Dreh raus, und es gelang mir, drei Gruppen älterer Jahrgänge zu unterscheiden, die sich aus Schweizern, Österreichern und Deutschen zusammensetzten. Unter ihnen nahm ich – ganz und gar unbemerkt – als stiller Beobachter an ihren Bemerkungen über das von ihnen gerade bereiste Land teil – einesteils humorige und nicht sehr ernst zu nehmende, andererseits auch diskriminierende und direkt hässliche Äusserungen, bei denen ich mich fragte, warum solche Leute überhaupt fremde Länder bereisen, wenn sie deren Kultur mit soviel Intoleranz begegnen und überall den Massstab des eigenen, engen Tellerrandes anlegen?

Hier einige der von mir festgehaltenen Gesprächsfetzen:
  • Siehst Du diese Schwarze, die ist schon wieder schwanger – nicht zu glauben…!
  • Hier kann man rein gar nichts zu kaufen, was zu verschenken wäre…!
  • Schon unverschämt, welche Preise die für einen Kaffee verlangen …! (Bemerkung: ein Expresso kostet normal zwischen 2.00 bis 2.80 Reais, am Flughafen 3.50 Reais, was rund 2.00 CHF entspricht).
  • Diese Naturprodukte sind nur 6 Monate gültig – die könnten das auch auf ein Jahr erhöhen…
  • Jetzt hör dir mal das an, wie der die Namen „Wegmüller“ und die andern alle ausspricht – ja Sprachen sollte man können! (Bemerkung: der Kritiker, der diese Äusserung machte, brachte selber nicht einmal ein korrektes „Boa tarde“ über die Lippen!)
  • Schon wieder eine, die sich einen Ausländer geangelt hat, schau einmal wie die sich benimmt und wie die angezogen ist…!
  • …aber ´nen tollen Körper hat die, das musst Du zugeben…!
  • Das Essen war eine Zumutung, jeden Tag Unmengen von Fleisch, Reis und diese Bohnen…!
  • Hast du gehört, der kleine Schwarze da spricht Dialekt und schau, den CH-Pass hat er auch schon…!
  • Die haben uns gesagt, dass der Reiseführer Deutsch kann – und was hat er gesprochen? Hochdeutsch. Da hätten wir ja gleich in Deutschland buchen können…!
  • Ich kann ihnen sagen, die Brasilianer machen einen Lärm – nicht auszuhalten! Es war unmöglich am Silvester nachts um 1:00 schlafen zu gehen – das Geböller dauerte bis in die Morgenstunden…!
  • Mein Mann wurde fast auf dem Fussgängerübergang überrollt, der Fahrer zeigte keine Anzeichen, dass er anhalten würde, für was gibt es denn überall Zebrastreifen…?
  • So ein unmotiviertes Personal wie auf unserer Pousada in Manaus habe ich noch nie erlebt, kein „Guten Morgen“, kein nettes Wort – nicht einmal ein „Dankeschön“ für das kleine Geschenk…!

Einige dieser Kritikpunkte habe ich in diesem Jahr unter dem Titel „Proximo Teil 2“ erfasst und aufgeschrieben. Es gibt natürlich noch viel mehr zu kritisieren, wenn man als Europäer und seinen so „geordneten Verhältnissen“ ein so grundsätzlich kontrastierendes Land wie Brasilien bereist. Mir selbst erscheint es bei der Begegnung mit fremden Kulturen und anders eingestellten Menschen vor allem wichtig, sich objektiv und sachlich zu verhalten – nicht wertend oder gar mit dem heimatlichen Umfeld vergleichend!

Um es mit den Worten von Johnson Samuel zu sagen:
„Der Sinn einer Reise besteht darin, eine vorgefasste Meinung durch die Realität auszugleichen
und – anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten – sie so zu sehen, wie sie sind“.

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