Caetano Veloso, der Bahianer Caetano Emanuel Viana Telles Veloso hätte niemals gedacht, dass er, gebürtig aus einer Kleinstadt des „Recôncavo Baiano“, im Lauf seines Lebens so viel Erfolg sowohl in seinem Heimatland als auch im Ausland haben, und sich zur bedeutendsten Persönlichkeit der „Música Popular Brasileira“ (MPB) entwickeln würde. Aber genau das geschah.
Geboren am 7. August 1942 in Santo Amaro da Purificacao – nur 73 Kilometer von Salvador entfernt – wusste Caetano Veloso, wie man ihn später nannte, schon als er noch klein war, was er später mal werden wollte: ein bisschen älter als vier Jahre komponierte der Bruder von Maria Bethânia schon den Song „A Tua Presenca Morena“ und bewies damit seine künstlerische Begabung.
Seine musikalische Karriere begann dann in Wirklichkeit, als die Familie nach Salvador umzog, anfangs der 60er Jahre. Die bahianische Hauptstadt erlebte gerade eine Ära der kulturellen Selbstfindung und Caetano nutzte seine Leidenschaft für die Musik und für den „Bossa Nova“ von João Gilberto, um in kleinen Bars der Stadt zu spielen. Ebenfalls in Salvador begegnete er seinem späteren Partner Gilberto Gil. Aus dieser Freundschaft entwickelten sich Kompositionen wie „No dia em que eu vim-me embora“, „Panis et Circensis“, São João“, Xangô Menino“, „Haiti“, „Cinema Novo“, „Dada“ und andere.
In dieser Periode lernte er auch Gal Costa kennen und Tom Zé, zukünftige Komponenten der „Tropicália“. Seine erste musikalische Arbeit war die Musikuntermalung des Theaterstücks „O Boca de Ouro“, von Nelson Rodrigues. Derselbe Direktor, Álvaro Guimarães lud ihn dann ein, die Musik zu „A exceção e a Regra“ von Bertold Brecht zu komponieren. Diese Arbeiten trugen entscheidend zu seiner musikalischen Zukunft bei, sie halfen ihm, sich für die Laufbahn eines Sängers und Komponisten zu entscheiden.
Seine Sängerkarriere begann unter dem Obhut seiner jüngeren Schwester Bethânia, die eines Tages nach Rio gerufen wurde, um dort die Sängerin Nara Leao in der Show „Opiniao“ zu vertreten (1956). Auf die Bitte ihres Vaters hin, nahm sie den Bruder mit und präsentierte ihn zum ersten Mal einem illustren Publikum. Im selben Jahr nahm Bethânia den Song „É de Manha“ auf, komponiert von ihrem Bruder und diese Musik begründete seinen ersten Ruhm auf einer einfachen Single. Die erste LP „Domingo“ kam erst 1967 heraus, auf der er an der seite von Gal Costa sein Debüt als Sänger gab.
Brasilien erlebte derweil die Jahre der Depression von Seiten der Militärregierung. Weil die Freiheit des Ausdrucks eingeschränkt war, versuchten die Künstler unter Aufbietung ihres ganzen Mutes, die Barriere der Zensur zu durchbrechen. Caetano war einer der bekanntesten Revoluzzer gegen die Situation, in der die Kultur des ganzen Landes stagnierte. Zusammen mit Gil schuf er die kulturelle „tropicalistische“ Bewegung mit dem Versuch, seinen Nonkonformismus auszudrücken. Mittels Trotz, Aufsässigkeit und der Improvisation revolutionierte der „Tropicalismo“ die MPB, benutzte die in der brasilianischen Kultur verflochtenen ausländischen Elemente, um eine Contrakultur zu schaffen (die kannibalistische Philosophie des Modernisten Oswald de Andrade). Die Bewegung stellte sich erstmals dem Publikum anlässlich des Festivals MPB des TV-Kanals Record, im Jahr 1967, mit den neuen Songs „Alegria, Alegria“ von Caetano und „Domingo no Parque“ von Gil, die zu Hymnen der Jugend jener Zeit aufstiegen. 1968, dem Höhepunkt der Bewegung, brachte Caetano das Album „Tropicália“ heraus – zusammen mit Gilberto Gil, Gal Costa und Tom Zé.
Die Partnerschaft mit Gilberto Gil ging über ihre gemeinsamen musikalischen Interessen hinaus und ins Privatleben beider hinein. Der Schock ihrer Ideen mit der Militärdiktatur brachte ihnen beiden Gefängnis ein, in São Paulo, und führte sie ins Exil in England 1968. Trotzdem konnte diese geografische Barriere nicht verhindern, dass sie mit ihren Protesten weiter machten, und aus London schickte Caetano Artikel an die Zeitung „O Pasquim“ und Musikkompositionen an verschiedene Interpreten wie Gal Costa, Maria Bethânia, Elis Regina, Erasmo und Roberto Carlos.
Im Jahr 1972 kehrte Caetano nach Brasilien zurück und stürzte sich sofort in die Arbeit. Bis gegen Ende der 70er Jahre erschienen viele Erfolgssongs wie „Tigresa“, “ Leãozinho“, „Odara“ und „Sampa“. Das Zusammentreffen mit den alten Kameraden Gal, Bethânia und Gil resultierte (1976) in der Gründung der Gruppe „Doces Bárbaroas“ (Süsse Barbaren). Die Show tingelte von São Paulo aus durch weitere zehn brasilianische Städte, liess alte Erfolge wieder aufleben und produzierte auch eine LP. Im Jahr 1993 wurde die Partnerschaft mit Gilberto Gil erneuert und zusammen nahmen sie das Album „Tropicália 2“ auf.
Als vielseitiges Multimedia-Talent wagte sich Caetano auch an andere Formen des künstlerischen Ausdrucks. Im Jahr 1968 kommandierte er, an der Seite von Chico Buarque, das TV-Programm des TV-Kanals Globo „Chico & Caetano“ – in dem die beiden sangen und Gäste präsentierten. Dieses Experiment im Fernsehen vor den Augen der Öffentlichkeit half das unbegründete Vorurteil zu beseitigen, dass sich die beiden Musiker nicht ausstehen könnten. Im Kino dirigierte Caetano den Film „O Cinema Falado“ und, als Schriftsteller, präsentierte er sich mit „Verdade Tropical“ – ein persönlicher Bericht über die wichtigsten Aspekte in Verbindung mit dem Tropikalismus.
Im Jahr 2002 veröffentlichte er mit Tropical Truth: A Story of Music and Revolution in Brazil eine Betrachtung der Tropicalismo-Bewegung.
Die Kühnheit geht weiter – sie ist eine der Markenzeichen des Caetano Veloso. Ein neuer Beweis dafür ist die 2004 veröffentlichte CD „A Foreign Sound“ mit Neuaufnahmen amerikanischer Musik.
Nach dieser Retrospektive blickte Caetano wieder nach vorne. Nach dem 2005 erscheinenden „Onqotô“ gibt er sich 2006 dem Rock hin. Für die härteren Klänge auf „Cê“ sorgt in erster Linie der Gitarrist und Coproduzent Pedro Sá, der seit einigen Jahren ein enger Mitarbeiter Caetanos ist. Veloso festigt mit der 2006 produzierten CD „Cê“ seinen Ruf als wandelbarer Star der MPB-Szene.
Kuriositäten
Caetano war mit der Schauspielerin Dedé Veloso verheiratet, seit 1986 lebt er mit der Carioca Paula Lavigne zusammen. Er hat drei Söhne: Moreno (aus seiner ersten Ehe), Zeca und Tom.
Caetano war der erste Brasilianer, der die Überreichung des „Oscar“ in Hollywood mit seiner Musik „Tonada de Luna Llena“ begleiten durfte – sie ist die Filmmusik zu „A Flor do Meu Segredo“ seines spanischen Freundes Pedro Almodóvar.
Der Name seines einzigen Films „O Cinema Falado“ bezieht sich auf den ersten Vers eines Sambas von Noel Rosa.
Caetano hat den Grammy in der Kategorie „World Music“ im Jahr 2000 mit seiner Platte „Livro“ verehrt bekommen.
Den Namen seiner Schwester Bethânia hat er selbst ausgesucht, denn als sie geboren wurde, war gerade eine Musik von Nelson Gonçalves in aller Munde, mit dem Titel „Maria Bethânia“ (von Capiba).
Diskographie Caetano Veloso
- DOIS AMIGOS, UM SÉCULO DE MÚSICA – MIT GILBERTO GIL (2016)
- ABRAÇAÇO (2013)
- CAETANO E MARIA GADÚ – MULTISHOW AO VIVO (2011)
- ZII E ZIE (2009)
- CÊ AO VIVO (2006)
- CÊ (2006)
- ONQOTÔ (2005)
- A FOREIGN SOUND (2004)
- TROPICAL TRUTH (2002)
- EU NÃO PEÇO DESCULPA (2002)
- NOITES DO NORTE AO VIVO (2001)
- NOITES DO NORTE (2000)
- PRENDA MINHA (1999)
- LIVRO (1997)
- FINA ESTAMPA AO VIVO (1995)
- CIRCULADÔ VIVO (1992)
- ESTRANGEIRO (1989)
- CAETANO VELOSO (1986)