Aus der Geschichte des Bundesstaates Paraiba

Zuletzt bearbeitet: 11. Dezember 2020

Das Territorium war zur Zeit der Entdeckung eines der dicht besiedelsten Brasiliens. Zwei Tupi-Nationen – die Tabajaras und die Potiguares – lebten an den Ufern des Rio Paraíba, bis zu 150 km von der Küste entfernt. Und dann waren da noch die Cariris, aus dem Volk der Tapuia, die vom „Planalto da Borborema“ aus, das gesamte Interior beherrschten.

Die Kolonisation dieses Gebiets ging über 70 Jahre lang keinen Schritt voran. Es war der „Capitania von Itamaracá“ (Pernambuco) angeschlossen und geriet einfach in Vergessenheit – entweder wegen fehlender Mittel oder wegen der Aggressivität der Eingeborenen.
Ausser ein paar Piraten, die sich ab und an vor der Küste sehen liessen, gingen immer mal wieder auch Portugiesen an Land, die „Pau Brasil“ (Brasilholz) ausser Landes schmuggelten. Unterdessen gewannen französische Händler das Vertrauen der Indianer und gewannen an Boden. Mit ihren guten Manieren und der Erfüllung kleiner Wünsche, machten sie sich die Indianer zu Verbündeten für den Fall eines Krieges.

Diogo Dias war ein Landwirt aus Pernambuco, dem ein Stück Land in Goianá zugefallen war, direkt an der Grenze zur Nachbarprovinz Paraíba. Er entschloss sich, seinen neuen Besitz an der gefährlichen Grenze mit allem auszurüsten, was man so für die Landwirtschaft braucht, inklusive einem Trupp von Soldaten, die sogar Feuerwaffen mitbrachten.
Seine mutige Initiative half den deprimierten Bauern wieder auf die Sprünge, aber niemand konnte ahnen, dass finstere Mächte bereits im Begriff waren, dem ein vorzeitiges Ende zu bereiten. Den Franzosen gefiel die sich erholende Stabilität nicht, denn sie drohte ihre Pläne einer Ausbreitung ihrer Invasion zunichte zu machen. Also suchten sie nach einem emotionalen Motiv, um die Gemüter auf beiden Seiten wieder zu erhitzen.

Man erzählt sich, dass ein gewisser Mestize aus Olinda (koloniale Hauptstadt von Pernambuco), ein Kerl von schlechtem Ruf, nach „Copaoba“ gereist war, wo er mit dem Häuptling der Potiguar, „Inaguaçu“, Freundschaft geschlossen und sich in seine Tochter verliebt hatte – eine junge Wilde von kaum 15 Jahren, die, so drückt es die etwas lyrische Chronik aus dieser Zeit aus, „ausgestattet war mit einer wilden Schönheit, äusserst selten innerhalb dieser Rasse“!

Und, obwohl der Mestize auf seinen Heiratsantrag hin die Zustimmung des Häuptlings und Vaters erhalten, nutzte er „Inaguaçus“ Abwesenheit während einer Jagd, um seine Tochter zu entführen. Der alte Häuptling schickte zwei seiner Söhne hinter den Flüchtenden her, die ihre Schwester – schon tief in Pernambuco – von ihren Fesseln befreiten und mit sich zurücknahmen. An der Grenze zu Paraíba, erbaten sie sich eine Übernachtung auf dem Landsitz des Diogo Dias, die dieser ihnen gewährte. Aber am nächsten Morgen weigerte sich derselbe, das Mädchen mit ihren Brüdern ziehen zu lassen – und es halfen keine Drohungen und kein Flehen – er behielt die niedliche kleine „Wilde“ bei sich, und die Brüder mussten mit leeren Händen vor ihren Vater treten.

Die Franzosen wussten Profit aus dieser Episode und dem Schmerz der indianischen Familie zu schlagen: Sie schürten die Rachegedanken der Indianer und stellten sich an die Spitze der wilden Horden. Die Fazenda von Diogo Dias wurde mit monströser Blutrünstigkeit angegriffen, die Zuckerrohrfelder angesteckt, alle Haustiere getötet und mehr als 500 Bewohner massakriert. Auch Diogo Dias, mit seiner ganzen Familie, kamen bei diesem Angriff ums Leben.

1599
Potiguar und Portugiesen beschliessen einen Waffenstillstand.

1618
Galt Paraíba schon als drittfortschrittlichste „Capitania“ des Nordens – nach Bahia und Pernambuco. Die Zahl seiner landwirtschaftlichen „Engenhos“ (Betriebe zur Zuckerproduktion und Verarbeitung) lag bereits bei 20 und die „Fazendas“ zur Viehzucht konnte man kaum noch zählen. Die Stadt hatte schon mehr als 1.000 Einwohner. Die Franzosen waren vertrieben und die Indianer hatte man aus dem gesamten Küstengebiet ins Hinterland zurückgedrängt. Man begann an zivilisatorische Werke zu denken, die nur von einem abhingen – einem dauerhaften Frieden.

Aber es kam Krieg – Invasionskrieg. Diesmal waren es die Holländer, und sie hatten es auf Pernambuco abgesehen. Paraíba, als untergeordnete Provinz, stärkte die Position der Eindringlinge in Recife, wohin sie sich zurückgezogen, nachdem sie Olinda in Flammen gesetzt hatten (1631). Und da geschah etwas Unvorhergesehenes: Weil sich der Widerstand der Portugiesen viel länger als erwartet hinzog, entstand unter den Angreifern die fixe Idee, dass Verstärkungstruppen im Anmarsch seien und sie bliesen zum Rückzug.

Erst 1634 wagten die „Flamengos“, wie sie von den Portugiesen abfällig genannt werden, die Rückkehr mit einer verstärkten Flotte von 20 Schiffen, unter dem Kommando des Admirals Lichthardt. Nachdem die erste Reaktion der Verteidiger abgeschlagen war, drängten die Besatzer an Land zu einer Entscheidungsschlacht, angeführt von zwei grossen Haudegen: den Obersten Sigismund von Schkoppe und Christoph Arciszewski. Und die Verteidiger wurden zurückgeworfen und mussten sich schliesslich ergeben. Auch die Artilleristen des Forts „Santo Antônio“, die bis zuletzt den „Flamengos“ grosse Verluste beibrachten, ergaben sich schliesslich in ihr Schicksal. Und so kam die Kapitulation auch für Paraíba.

Der Oberst Sigismund bemächtigte sich der Hauptstadt und benannte sie um in „Frederickstaadt“. Der Oberst Arciszewski begab sich mit seiner Truppe nach „Engenho Velho“, wo er den entflohenen portugiesischen Gouverneur zu fangen hoffte, traf aber nur den Besitzer Duarte Gomes da Silva an, dem er ein Friedensangebot machte.

1637 besuchte Moritz von Nassau persönlich die eroberten Provinzen seiner Holländer in Brasilien. Tatkräftig und grosszügig führte er einige materielle Verbesserungen ein, überliess jedoch, als er 1644 nach Europa zurückkehrte, die Provinzen wieder ihrem Schicksal und die Besiegten der Willkür ihrer Besatzer. Die Indianer wandten sich gegen die ungeschützten „Fazendas“. Eine dieser Banden überfiel an einem Sonntag den „Engenho São Tiago Maior“ des „André Dias de Figueiredo“, und ermordete alle Anwesenden, inklusive den Priester, der gerade die Messe zelebrierte. Nur die Tochter des Besitzers kam mit dem Leben davon, sie wurde von der wilden Horde zum Fort in „Cabedelo“ geschleppt, wo Leutnant Paul Linge ein wahres Terror-Kommando führte. Männer, die sich ihm widersetzten, aufhängen liess oder, festgebunden am Schwanz von Pferden, durch die Gassen der Stadt schleifte.

André Vidal de Negreiros, Sohn eines Plantagenbesitzers, wurde der Held und Retter seiner Heimat Paraíba. Seiner Zivilcourage und seiner Geschicklichkeit im Umgang mit seinen Landsleuten ist es zu danken, dass Pernambuco und Paraíba sich vom Terror ihrer Besatzer befreien konnten:

Der Wille, das Joch der „Flamengos“ abzuschütteln, war überall im Nordosten schon lange zu spüren – das Volk war bereit – aber es fehlte ein starker Arm der Führung, einer von ihnen, dem sie vertrauen und dem sie folgen würden. Vidal erkannte diesen günstigen Moment und handelte, sprach auf Versammlungen, artikulierte seine Vorträge intelligent und überzeugend, schürte den allgemeinen Unwillen im Volk mit grossem Geschick und streute seine Ideen des passiven Widerstands über die ganze Provinz. So kam es, dass die Plantagenbesitzer ihre gesamte Produktion verbrannten oder in einem Fluss versenkten, damit sie den Besatzern nicht weiter zur Unterhaltung ihres Terror-Regimes dienen konnten. André selbst steckte, als Fanal, die Zuckerrohrfelder seines Vaters in Brand.

Und diese Rechnung ging auf: Am 11. September 1645, wird der holländische Gouverneur in Paraíba, von paraibanischen Volkstruppen, unter ihrem Führer Francisco Gomes de Melo, bei „Inhobim“ angegriffen und geschlagen. 1646 reist André Vidal von Pernambuco nach Paraíba, um sich mit der hiesigen Volksfront zu treffen und sie zu organisieren. 1647 findet ein Scharmützel, vor der Küste von Paraíba, zwischen holländischen und portugiesischen Schiffen statt. Der portugiesische Kommandant Francisco Barreto de Menezes wird vom holländischen Admiral Banckert gefangen genommen (25. April 1647). Endlich gelingt André Vidal de Negreiros und seiner Volksmiliz, im Jahr 1654, die Rückeroberung der Forts „Cabedelo, Santo Antônio“ und „Restinga“ aus der Besatzung der Holländer. Die kapitulieren und ziehen sich aus Paraíba zurück.

Aber um welchen Preis! Paraíba war eine Wüste, ausser den Toten, die der Krieg gefordert hatte, waren mehr als 1.000 Sklaven einer Pocken-Epidemie (1641) erlegen. Der erste Gouverneur, João Fernandes Vieira (1655), musste seine Truppe während der folgenden zwei Jahre aus eigener Tasche bezahlen.

Der „Sertão“ – das halbtrockene Interior – war bis zu dieser Zeit bereits von bahianischen, paulistanischen und paraibanischen „Bandeirantes“ (Erkundungstrupps) durchquert worden. Einer der ersten war der Holländer Elias Herckman, der auf Befehl des Moritz von Nassau, 1641, den „Sertão“ nach Goldvorkommen durchforschte. Auch die Franzosen hatten schon sehr früh die Küste, von ihren Schiffen aus, erforscht. Die „Baia da Traição“ oder „Mamamguape“ waren von ihnen, schon lange vor ihren ersten Invasionsversuchen, inspiziert worden. Und Missionare verschiedener Nationalitäten, in ihrem heiligen Eifer, waren durch die Gebiete der „Tupi“ bis ins Hochland der „Cariri“ vorgedrungen.

1684
Die Capitania Paraíba wird von Pernambuco unabhängig und von einer Angst und Schrecken verbreitenden Pocken-Epidemie heimgesucht (1686).

1697
Der Paulistaner Domingos Jorge durchquert mit einer gut bewaffneten Truppe die „Caatinga“ (Interior) und hinterlässt eine blutige Spur toter Indianer. Er erreicht „Piancó“, tief im Westen der Provinz, am Fluss gleichen Namens, wo er eine „Fazenda“ aufbaut. Immer wieder werden seine Leute von den „Cariri angegriffen, und immer wieder schlägt er sie zurück. Die Indianer werden in solchen Massen getötet, dass ihr selbstmörderischer Widerstand als „Guerra dos Tapuias“ in die Geschichte eingegangen ist.

Zwischen 1710 und 1771 wird die koloniale Administration von Paraíba immer wieder vom durch „André Vidal“ geschürten und schliesslich, mit dem Rausschmiss der Holländer explodierten, „Volkszorn“ bedroht:

Eine neue Explosion bahnte sich an, als Paraíba zwischenzeitlich wieder dem Gouvernement von Pernambuco untergeordnet wurde (1753). Dem Vertreter Paraíbas, Kapitän Fernando Delgado Freire Castilho, gelang schliesslich die Aufhebung jenes offiziellen Dekrets mit überzeugenden Argumenten, in denen Hinweise auf den erwachten Nationalstolz der Paraibaner nicht fehlten.

Das Imperium
Der Besuch des Königs „Dom João VI.“ im Jahr 1808 weckte neue Hoffnungen und wurde überall im Land gefeiert. Auch in Paraíba hörte man aus einer Rede des Königs heraus – die er anlässlich eines durch einen Sturm erzwungenen Aufenthalts in der Bucht von „Lucena“ – hielt, dass sich nun vieles „zum Wohl seines Volkes ändern werde“. Was sich tatsächlich änderte, war die Verbindung des in seiner Entwicklung zurückgebliebenen Nordens mit dem blühenden Süden – sie wurde nach dem Kontakt mit ihrer Majestät noch schlechter.

Die Revolution gegen die imperialistische Vorherrschaft Portugals explodierte am 13. März 1817. Dieser Impuls politischer Emanzipation hatte im Territorium Paraíba eine sehr nachhaltige Wirkung, und die grosse Zahl der Opfer zeigte deutlich den Hass und die grosse Verbreitung der republikanischen Bewegung, die sich jedoch durch den ungewohnten Kampf bald paralysiert und blutigen Repressalien ausgeliefert sah, welche die Wurzeln der Gesellschaft erschütterten.

1822
Die Unabhängigkeit Brasiliens. Die „Capitania Paraíba“ wird zur Provinz des Imperiums erklärt, ihr erster Präsident ist Filipe Néri Ferreira.

1824
Die Schlacht bei „Itabaiana“. Der Oberst Estévão José Carneiro da Cunha schlägt den Aufstand der pernambucanischen und paraibanischen Rebellen nieder – mehr als 100 Tote.

1855
Wütet die Cholera in der Hauptstadt, die Opfer werden verbrannt, es gibt nicht einen Friedhof in der Stadt.

Im Dezember 1859 bringt der Besuch Dom Pedros II. die Menschen wieder ein bisschen ins Gleichgewicht, zumal er ihnen bessere Zeiten ausmalt, die kommen werden – was kommt, ist eine grosse Trockenperiode – die schlimmste, seit Menschengedenken (1877). Die Provinz Paraíba ist am Ende.

1888
Als dann die Entlassung der Sklaven in die Freiheit kommt (abolição) trägt sie dazu bei, die landwirtschaftliche Krise nur noch zu vertiefen.

Die Republik
Paraíba tritt 1889 als autonomes Staatsgebilde in den Teil seiner Geschichte ein, der als die bisher friedlichste und ausgeglichenste Etappe, endlich auch dem kulturellen Wachstum seiner Gesellschaft förderlich wird.

nach obenJOÃO PESSOA CAVALCANTI DE ALBUQUERQUE (1878 – 1930)

Brasilianischer Politiker, der in „Umbuzeiro“, Paraíba, geboren wurde. Seitens seiner Mutter, Neffe des brasilianischen Präsidenten zwischen 1919-22, Epitácio Pessoa, schloss er 1899 sein Studium der Rechtswissenschaften in Recife ab, wo er bis 1911 eine Praxis innehatte, als er nach Rio de Janeiro beordert wurde, um sich der Marine als ihr „Auditor“ zu widmen. 1920 stieg er zum Minister des Militärgerichts auf und wurde 1928 zum Präsidenten von Paraíba gewählt (vorgesehene Amtszeit 4 Jahre).

Als João Pessoa am 22. Oktober 1928 die Führung des Bundesstaates Paraíba übernahm, begann er den Kampf gegen jene Oligarchien, die in Brasilien von den so genannten „Coronéis“ (Plural von „Coronel“ – Oberst) verkörpert wurden: reichen Grossgrundbesitzern, die sich auf ihren immensen Ländereien private Söldnertruppen, so genannte „Capangas“, hielten, mit deren Gewehrläufen sie „in ihrem Gebiet“ diktierten, was Recht zu sein hatte, getreu dem amerikanischen Wildwest-Modell.

Das Volk hatte sich auf die Seite der kommunistischen Opposition geschlagen – unter einem gewissen Júlio Prestes – und als der frechste von den Grossgrundbesitzern, „Colonel“ José Pereira da Silva, die Unabhängigkeit „seines Distrikts Princesa Isabel“ deklarierte und sich anschickte, andere Distrikte zu invadieren, darüber hinaus die Landesregierung, unter Washington Luiz, die Unverschämtheiten des „Colonel“ deckte, kam es zum Volksaufstand (Revolution von 1930).

João Pessoa hatte den Kampf gegen die Oligarchie begonnen, aber er stand deshalb nicht auf Seiten der Kommunisten. Als deren Führer Júlio Prestes sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen wollte, bekam er ein deutliches „Nein“ vom Präsidenten aus Paraíba. Denn der hatte einen seltenen demokratischen Weitblick: „weg von der anakronistischen Tyrannei und die Polizei, die Justiz, den Fiskus und den Lehrkörper freihalten von jedem parteilichen Einfluss!“ Die ihn verstanden, fürchteten um ihre Pfründe, jene, denen er eine bessere Zukunft bereiten wollte, verstanden ihn (noch) nicht. Am 26. Juli 1930 wurde João Pessoa, in einem Café in Recife, von einem Unbekannten hinterrücks ermordet. Das Verbrechen, über dessen Hintergründe man zahlreiche Vermutungen angestellt hat, ist nie aufgeklärt worden.

Dieser feige Mord an einem vom gesamten brasilianischen Volk verehrten Staatsmann, der bereits als sicherer Vize-Präsident an der Seite von Getulio Vargas galt, leitete den bedauernswerten Rückfall Brasiliens in die Gewalt jener Privattyrannen ein, unter denen das Volk noch einige Jahrzehnte später zu leiden haben sollte – und Paraíba selbst fiel zurück in eine wirtschaftliche und kulturelle Dekadenz – ausgeschlossen von der landespolitischen Szene während einer langen Reihe von Jahren.

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