Aus der Geschichte des Bundesstaates Espírito Santo

Zuletzt bearbeitet: 28. August 2013

Fünfunddreissig Jahre nach der Entdeckung Brasiliens setzte Vasco Fernandes Coutinho, am 23. Mai 1535, seinen Fuss auf ein Gebiet, welches er, dem Datum entsprechend, nach dem Heiligen Geist benannte: „Espirito Santo“. Es war an einem Sonntag, als der alte Veteran vieler Schlachten in Afrika und Indien mit seiner Karavelle „Glória“, in der Bucht zwischen den Felsen von „Moreno“ und „Palmeiras“ mit seiner Mannschaft an Land ging.

Noch am gleichen Tag begannen sie mit der Anlage einer Siedlung, die sie „Vila do Espirito Santo“ nannten, bedrängt von den dort ansässigen Eingeborenen, den „Goitacases-Indianern“, die nicht gewillt waren, ihre „Malocas“ (Hütten) und Felder einfach aufzugeben. Zwar zogen sie sich bis in den Schutz des Atlantischen Regenwaldes zurück, konzentrierten sich aber dort und begannen eine Art Guerilla-Krieg gegen die Portugiesen, die sich, mit wenigen Unterbrechungen, bis in die Mitte des folgenden Jahrhunderts fortsetzte.

Dom João III. von Portugal hatte seinem treuen Edelmann und Veteran so vieler erfolgreicher Eroberungen ein schönes Stück seines von ihm entdeckten „Espirito Santo“ zum Geschenk gemacht. „Fünfzig Léguas Marítimas und genauso viel in Richtung Inland – angefangen von der Stelle, wo im Norden die Ländereien des Pero de Campos Tourinho enden“ (eines anderen „Donatários“ der Capitania Porto Seguro – heute Bahia). Aber für den Patriarchen Vasco Fernandes Coutinho, erwies sich seine Entdeckung und die Gründung der „Capitania“ von Espirito Santo als eine Prämie, die sich in eine Strafe verwandelte: Obwohl er seine ganze Kraft, seine Erfahrung und all seine persönliche Habe investierte, um das Gebiet voranzubringen, verstarb er verarmt und vergessen – auch vom Hof in Lissabon.

Seinen beiden treuesten Gefolgsleuten und Kameraden in vielen Schlachten, Jorge de Meneses und Duarte Lemos, hatte er vor seinem Tod grosse Ländereien vermacht – und schuf damit, ohne es zu ahnen, zwei erbitterte Rivalen.
Duarte Lemos gründete Vitória, das er damals „Vila Nova de Nossa Senhora da Vitória“ nannte – auf der Insel „Santo Antônio“ – einer strategisch günstigeren Lage als die Erstgründung „Vila Velha do Espirito Santo“ (so wurde sie fortan genannt), gegen die immer noch andauernden Attacken der verbitterten Indianer. Dann transferierte man den Sitz der Capitania ebenfalls nach dort. Zur gleichen Zeit erreichten Jesuiten-Missionare die Gegend, die unter Führung des Paters Anchieta – den man später den „Apostel Brasiliens“ genannt hat – auch in Espirito Santo viel zum besseren Einvernehmen zwischen Eingeborenen und Portugiesen getan haben, indem sie, getreu ihrem missionarischen Auftrag, die Eingeborenen zu bekehren trachteten und nicht zu versklaven, wie dies von Seiten der Invasoren üblich war.

nach obenJosé de Anchieta (1533 – 1597)

War für Brasilien einerseits ein bewundernswerter Missionar und Priester, der seine Arbeit der Evangelisation der Eingeborenen getreu im Sinn der Kathekäse ausführte – andererseits aber auch als Initiator des mentalen brasilianischen Lebens gesehen werden kann, der ein literarisches Werk hinterlassen hat, durch das er sich, ohne Übertreibung, als Begründer der brasilianischen Literatur unsterblich gemacht hat. Unermüdlich war er, seit seiner Ernennung zum Missionar durch die Jesus-Kompanie, zwischen São Paulo, Rio de Janeiro und Bahia unterwegs, um den Menschen, die ihn brauchten, Rat und tatkräftige Hilfe zukommen zu lassen, und schon zu seinen Lebzeiten verehrten ihn die meisten wie einen Heiligen. Er starb am 9. Juni 1597 in „Reritiba“ (heute „Anchieta“) Espirito Santo.

nach obenHolländer

In seinem Buch „Província do Espirito Santo“ bestätigt der Autor „Basílio Daemon“, dass die Negersklaven von der afrikanischen Küste ab 1621 direkt in Espirito Santo ausgeladen wurden, weil Salvador/Bahia von den Holländern besetzt war. 1624 verteidigt Francisco de Aguiar Coutinho die Capitania von Espirito Santo gegen die eindringenden Holländer unter ihrem Kommandeur Pieter Pieterszoon Heyn – dem bei dieser Gelegenheit eine erboste Maria Ortiz einen Kübel mit kochendem Wasser, von einer Mauer herab, über den Kopf giesst. Sein Pferd macht, wiehernd vor Schmerz, einen riesigen unerwartenden Satz, der Holländer fällt herunter – und die Portugiesen nutzen die Verwirrung, um mit allem was sie haben, draufzuschlagen. Die „Flamengos“ flüchten auf ihre Schiffe zurück – mit ihrem verbrühten Kommandeur. Maria Ortiz ist die Heldin des Tages – und immer noch nicht vergessen.

Francisco de Aguiar Coutinho stirbt 1627 – sein Nachfolger ist Diego de Oliveira im Amt des „Capitão-Mor“, der bisherige Amtsrichter der Capitania. Die Jesuiten interessieren sich für die Entdeckung der Smaragd-Minen, über die allgemein viele Gerüchte kursieren. Ein gewisser Pater Inácio Siqueira leitet zwei entsprechende Expeditionen (1636 und 1646), die aber erfolglos zurückkehren.

Erneuter Angriff der Holländer auf Espirito Santo (1640) – diesmal mit sieben Schiffen – der Kommandeur ist ein Colonel Koin. Es gelingt den Eindringlingen, 400 Mann an Land zu setzen, die aber vom „Capitão-Mor“ João Dias Guedes aufgehalten werden und nicht dazu kommen, sich in „Vila Nova“ einzuquartieren – sie ziehen sich zurück, um „Vila Velha“ anzugreifen, werden aber auch von dort abgewehrt. Nach drei Tagen erfolgloser Invasionsversuche trollen sich die „Flamengos“ wieder. Auf ihrem Rückzug kapern sie zwei portugiesische Schiffe mit Zuckerladungen, die von den vom Land her feuernden Kanonen schon stark havariert waren.

nach obenEntscheidende Momente

Es folgte eine Serie von Regierungen ohne irgendeine Ausdruckskraft. 1692 grassierte in Vila Nova das gelbe Fieber. Piraten überfielen die Stadt. Die Jesuiten interessierten sich dafür, Gold zu entdecken.

Es herrschte ein riesiges Chaos in der Capitania, als plötzlich die Nachricht explodierte, dass im Tal des Rio Doce tatsächlich Gold gefunden worden sei. Jetzt dachte man als erstes an die Verteidigung von Espirito Santo – denn Rio de Janeiro war bereits von Duclerc angegriffen worden, und gerade waren die Franzosen unter Duguay Trouin erneut dort eingefallen – Espirito Santo musste sich gegen Überraschungen von der Seeseite her wappnen. Denn der wahrscheinlichste Weg der Ausländer zum Gold führte über eine Invasion von Espirito Santo. Man verbot die Konstruktion von Strassen zu den Minen. Die Capitania tat alles, um sich vor Angriffen vom Meer her zu schützen und isolierte sich selbst durch die natürlichen Feinde in ihrem Rücken: dichte Wälder und wilde Indianer. Der Nachschub von Sklaven für die Minen kam zum Erliegen, weil man ihn durch widersinnige Massnahmen behinderte, die sich am besten in einem Spruch ausdrücken, der dem damaligen Gouverneur João Velasco de Molina zugeschrieben wird: „Je mehr Wege wir öffnen, um so mehr Umwege wird es geben!“ Und er wandte sich hilfeheischend an den Hof in Lissabon: „Die Erde von Espirito Santo hat niemand, der sie verteidigt!“ Der unfähige Gouverneur starb 1711.

nach obenDer König greift ein

Wieder folgt ein „Capitão-Mor“ dem andern, als sich endlich Dom João an den Gouverneur von Bahia wendet, mit folgendem Text:“ …ist es mir ein persönliches Anliegen, die fast verblichene Capitania von Espirito Santo wieder zu beleben, welche ich bisher ignoranten und wenig sorgsamen Capitães-Mores anvertraut hatte. In diesem Sinne ist es mir wohlmeinend angetragen worden, für dieselbe einen Gouverneur zu ernennen, der zu ihnen in subalternem Verhältnis stehen soll, und dessen der Krone geleisteten Dienste ihn für dieses Amt, vor vielen anderen, auszeichnen – Fregattenkapitän Antônio Pires da Silva Pontes“. Nominiert 1797, tritt dieser sein Amt am 29. März 1800 an – am 8. Oktober desselben Jahres unterzeichnet er ein Dokument, zusammen mit dem Vertreter der Regierung von Minas Gerais, welches die entsprechenden Steuerabgaben an Portugal für die Betreibung von Goldminen zwischen den beiden Capitanias regelte.

Dazu muss man folgendes erklären: Der Rio Doce entspringt im Nachbarstaat Minas Gerais und fliesst dann quer durch Espirito Santo, wo er auch in den Atlantik mündet. Das in seinem Bereich gefundene Gold betraf also beide Bundesstaaten, soll heissen: die Goldminen erstreckten sich entlang seines Verlaufs – hüben und drüben.  

Eines ist offensichtlich: Von dem Moment an, in dem in der vergessenen Provinz Espirito Santo Gold gefunden wurde, war der gegenüber diesem Gebiet, über 79 Jahre lang selbst ziemlich ignorante König, plötzlich wieder interessiert! Es gibt auch keinen Zweifel, dass er mit „wieder beleben“ vor allem die Restaurierung seines Gold-Besteuerungssystems gemeint hat, das der portugiesischen Krone während der Kolonialperiode einen sündhaften Reichtum bescherte.

Und damit begann (wieder einmal) die Rangelei zwischen beiden Provinzen – auf einmal war der Grenzverlauf zwischen ihnen unklar und die stärkeren Nachbarn (Minas Gerais) verwarfen die von einer Grenzkommission festgelegte Linie und verteidigten gewisse Nebenflüsse des Rio Doce als die ihren, welche nach Auffassung der Nachbarn bereits in deren Territorium lagen. Am 4. Dezember 1816 versuchte eine königliche „Carta Régia“ Ordnung zu schaffen – vergeblich. Minas Gerais besetzte einen Teil des Unterlaufs des Rio Doce mit Militärgewalt und warf sämtliche intervenierenden Autoritäten, wie Justizbeamte, Polizisten, Kontrolleure und sogar protestierende Lehrer von Volksschulen, einfach hinaus. Das Problem der definitiven Grenze wurde nicht mehr in der Kolonialperiode gelöst – auch nicht während des Imperiums (1822 – 1889) – sondern wurde ein Fall für den Obersten Gerichtshof in der späteren Republik! Aber da war das Gold, um das dieser Streit einmal gegangen, schon lange ausgebeutet!

1840
Installiert sich in „Vila Nova“, das jetzt „Vitória“ heisst, die erste typografische Anstalt, in der die erste Zeitung der Provinz gedruckt wird – „O Estafeta“ – sie zirkulierte nur einen einzigen Tag – am 28. Januar!

1847
Wird die erste deutsche Kolonie gegründet, mit Namen „Santa Isabel“ – von 163 deutschen Emigranten.

1856
Wird die Schweizerkolonie gegründet, mit Namen „Santa Leopoldina“. Wie viele Schweizer das waren, ist nicht bekannt.

1879
Erste Studien für die Konstruktion des Hafens von Vitória (Projekt des nordamerikanischen Ingenieurs „Milnor Roberts“).

1888
Versammelt sich in „Cachoeira de Itapemirim“ der erste Republikanische Kongress der Provinz Espirito Santo – am 16. September.

nach obenDer Kaffee

In den Jahren der Republik entwickelte sich die Wirtschaft des Bundesstaates Espirito Santo und trug ihren Teil zum Fortschritt des Landes bei. Die Zuckerrohr-Plantagen waren durch solche mit Kaffee-Sträuchern ersetzt worden – aber noch hatte man keine Weiterverarbeitungs-Industrie gegründet. Die alten „Engenhos“ der Zuckerverarbeitung verschwanden langsam.

Schon gegen Anfang des 19. Jahrhunderts waren in „Linhares“ die ersten Kaffeeplantagen gegründet worden, die ihr Produkt per „Arroba“ für drei „Mil-Réis“ verkauften – ein sehr billiger Preis für die damaligen Verhältnisse – aber die Produktion war noch recht gering. Dann expandierten die Kaffee-Plantagen und die des Zuckerrohrs gingen zurück. Ausser den Fazendeiros von Espirito Santo, begannen auch die von Minas Gerais, Rio de Janeiro und sogar von São Paulo, mit der Kultivierung des Kaffeestrauchs.

Die Kolonien von „Rio Novo, Alfredo Chaves, Timbuí, Santa Leocádia“ und andere, wurden auf der Basis des Kaffeeanbaus gegründet – einige schon in der Zeit des Imperiums. Besonders nachdem man die Sklaven freigelassen (1888) und diese Befreiung viele der grossen Fazendas im ganzen Land lahm gelegt hatte, ist es, dank der unermüdlichen persönlichen Arbeit seiner zahlreichen Kolonisten, in Espirito Santo nie zu diesem Kollaps gekommen.

Im Gegenteil: die Wirtschaft dieses Bundesstaates widerstand dem Arbeitskräftemangel, dank seiner eingewanderten Kleinbauern, die nach der Proklamation der Republik, ihrer Regierung sogar ihre Hilfe in allen möglichen Investitionsvorhaben zuteil werden liessen, wie zum Beispiel bei der Konstruktion der Eisenbahn, der Expansion der Schulen, der Organisation von Stadtplanungen, dem Bau des Polizei-Hauptquartiers und dem Theater, der Installation von Wasser, Licht und Abwasserleitungen, elektrischen Strassenbahnen, einer Reform des Regierungspalastes in der Hauptstadt, der Gründung eines Industrie-Distrikts, eines Wasserkraftwerks und einer Zucker-Industrie in „Cachoeira de Itapemirim“, einer Modell-Fazenda in „Cariacica“, beim Aufbau von Schulungs-Kursen, dem Beginn der Konstruktion einer Strasse zwischen Vitória und „Santa Leopoldina“ – „Santa Teresa“ – „Colatina“. Der Konstruktion von Brücken, die Vitoria mit dem Festland verbanden und „Colatina“, im Norden des Rio Doce, mit „Florentino Ávidos“. Alle diese Konstruktionen, Einrichtungen und Verbesserungen des Lebensstandards wurden vornehmlich mit finanziellen Mitteln aus der Kaffeeproduktion von europäischen Emigranten geschaffen – einige schon während des Imperiums, andere im Lauf der Republik.

Unter diesen Kolonien ist die bedeutendste „Leopoldina“, wo der Friedensrichter „Graça Aranha“ berühmt wird, durch seinen Roman „Kanaan“ (Canaã), der sich unter anderem auch um die deutsche Kolonisation in Espirito Santo dreht.  

nach obenAktuelles

Bodenproben in Espirito Santo haben umfangreiche Lager von Halbedelsteinen, Eisenerz, Mangan und anderen wertvollen Metallen ergeben. Sogar das so genannte „Waschgold“, das man seit der Epoche der Jesuiten aus dem Flussbett-Kies herauswäscht, wird noch heute gefunden! Die Mineralien „Ilmenit“ und „Monazit“ sind bekannt und begehrt. Der Ort „Guarapari“ ist wird von Menschen aus allen Teilen Brasiliens und der übrigen Welt aufgesucht, die sich von seinem radioaktiven, dunklen Monazit-Sand Heilung für ein Leiden versprechen, oder einfach nur ihren Stress abbauen und neue Kräfte sammeln wollen.

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