Falsch verbunden

Zuletzt bearbeitet: 7. Mai 2021

Mein Name ist Diego Mendes de Santana – ich habe mich entschlossen, Ihnen etwas zu erzählen, was mir passiert ist.

Ich sass in meinem Büro, als mir plötzlich ein Telefonanruf einfiel, den ich unbedingt noch machen musste. Also suchte ich die Nummer raus und wählte. Dran war ein schlecht gelaunter Kerl, der herrschte mich an: „Was ist ??? – Guten Morgen, könnte ich vielleicht mit Andrea sprechen?“

Falsch verbunden – Foto: maslme auf Pixabay

Der Kerl am anderen Ende murmelte etwas, das ich nicht verstand und hängte auf – einfach so! Ich war fassungslos über eine solche Grobheit. Also kramte ich noch mal Andreas Nummer hervor und fand heraus, dass ich mich mit den letzten beiden Zahlen verwählt hatte – ich hatte sie vertauscht – kann ja mal vorkommen. Nachdem ich mit Andrea gesprochen hatte, warf ich noch einen Blick auf die falsche Nummer, die ich mir auf einem kleinen Zettel notiert hatte – und entschloss mich noch mal anzurufen. Als derselbe Kerl abnahm, sagte ich:
Du bist ein Dreckschwein!!!

Dann legte ich auf, notierte mir neben der Nummer den Ausdruck “Dreckschwein“ und steckte den Zettel unter “D“ in mein Adressbuch. Und immer wenn ich nervös war, mich jemand geärgert hatte oder der Tag nicht so verlief, wie ich wollte, wählte ich seine Nummer, und wenn er ran ging sagte ich nur: “Du bist ein Dreckschwein“! und hängte den Hörer auf bevor er etwas erwidern konnte.

Ich muss sagen, das möbelte mich jedes Mal wieder auf – ich meine, danach fühlte ich mich tatsächlich wieder viel besser. Dann passierte es, dass unsere Telefongesellschaft “Tele–Rio“ einen neuen Service einführte, der mich traurig und besorgt machte: mit ihm konnte man die Nummer eines Anrufers festhalten und ihn so identifizieren – also würde ich aufhören müssen, das “ Dreckschwein“ anzurufen. Aber dann hatte ich eine Idee: ich wählte seine Nummer, hörte seine Stimme “Hallo“ ins Telefon schnauzen, und dann wechselte ich meine Identität:

Schön guten Tag, der Herr – ich bin vom Verkauf der Tele–Rio, und wir möchten gerne wissen, ob sie unseren Identifizierungs–Service für Telefonanrufe kennen?

Ich bin nicht interessiert! – schnauzte er nur und legte auf.

Der Kerl hatte wirklich keine Manieren. Schnell wählte ich noch mal seine Nummer:
Hallo?

Und deshalb bist du ein Dreckschwein!!!! – und ich hängte auf.

An dieser Stelle sei vielleicht ein Vorschlag angebracht: Wenn es etwas gibt, das Sie ärgert, können sie dem abhelfen und sich gleich wieder besser fühlen, indem Sie die Nummer x55– xy 7643.67xx wählen oder die eines anderen Dreckskerls, den Sie kennen – und dann sagen Sie ihm, was Sie von ihm halten.

Dann fuhr ich zum Shopping–Center, im Zentrum unserer Stadt, um ein paar Hemden zu kaufen. Vollbesetzter Parkplatz – eine ältere Dame versucht ihren Caravan rückwärts aus einer Parklücke heraus zu manövrieren – sie braucht eine Ewigkeit – ich fange an, drüber nachzudenken, ob sie wohl je aus dieser verdammten Parklücke . . .  da hat sie es geschafft, langsam wie eine Schildkröte setzt sie sich wieder in Bewegung und gibt die Parklücke endlich frei. Um ihr das Zurückstossen zu erleichtern, und damit sie sich nicht bedrängt fühle, hatte ich meinen Wagen selbst ein Stück zurück gesetzt – als die Parklücke endlich frei ist, entringt sich mir ein Seufzer der Erleichterung – und da taucht plötzlich neben mir ein schwarzer Vectra auf und schwupp, besetzt er “meine“ Parklücke. Ich drücke auf die Hupe und fange an zu schreien:
Hei, Amigo! Das kannst du nicht machen! Ich war zuerst da!

Der Kerl vom Vectra steigt seelenruhig aus, macht die Tür zu, aktiviert den Alarm und schreitet in Richtung auf die Tür zum Shopping–Center – er ignoriert mich vollkommen, als ob er meinen Protest nicht gehört hätte. Und dann kommt mir wieder so ein schwarzer Gedanke:
Dieser Kerl ist ein ganz übles Dreckschwein! Ganz sicher gibt es eine ganze Menge solch übler Dreckschweine in dieser Welt!

Und dann sah ich das an die Heckscheibe des Vectra geklebte Papier mit der Aufschrift “ZU VERKAUFEN“. Ich notierte seine Telefonnummer und suchte mir eine andere Parklücke.

Einige Tage später sass ich wieder in meinem Büro und hatte gerade den Telefonhörer aufgelegt – nachdem ich die Nummer 0xx41–7643.67xx meines alten Freundes gewählt hatte, um ihn daran zu erinnern, dass er ein “altes Dreckschwein“ sei (jetzt habe ich seine Nummer unter “D“ im elektronischen Adressbuch gespeichert und kann meinen Ärger mit nur einem Knopfdruck loswerden) – als mein Blick auf die Nummer des Kerls vom schwarzen Vectra fällt, und ich denke: Den sollte ich auch mal anrufen. Und das hab ich dann auch gemacht. Nach ein paar Klingeltönen ging er dran:
Hallo?

Kann ich mit dem Herrn sprechen, der einen schwarzen Vectra verkauft?

Jawohl – das bin ich selbst.

Könnten Sie mir bitte sagen, wo ich den Wagen anschauen kann?

Ja. Ich wohne in der Rua XV, Nummer 345 – es ist ein gelbes Haus, und der Vectra steht davor.

Wie ist Ihr Name?

Mein Name ist Edson Marques da Silva – sagte der Kerl.

Welches ist die beste Zeit, um dich zu treffen, Edson? (Sie wissen ja sicher, dass wir Brasilianer uns ganz unkompliziert beim Vornamen nennen – zumindest nach einer gewissen Vertrautheit).

Kannst mich immer abends und an den Wochenenden antreffen!

Nun, es ist folgendes, Edson – kann ich dir mal was im Vertrauen sagen?

Ja – Edson, du bist ein grosses Dreckschwein!!! – und ich legte den Hörer auf.

Nachdem ich aufgelegt hatte, fügte ich Edson’s Nummer meiner Telefonkartei bei (er schien übrigens auch noch keinen “Identifizierungs–Service der Tele–Rio zu haben, denn ich wurde nicht von ihm belästigt) – aber irgendwie gefiel mir die ganze Situation trotzdem nicht, jetzt hatte ich schon zwei “ Dreckschweine“ zum anrufen.

Nach wenigen Anrufen zum “Paar der Dreckschweine“ und dem üblichen schnellen Auflegen, fand ich das Ganze nicht mehr so spassig wie bisher. Und das bedrückte mich – also dachte ich an eine Lösung, wie die Sache wieder mehr Spass machen könnte: zuerst einmal wählte ich die Nummer der “Drecksau Nummer Eins“ – der Kerl, unangenehm wie immer, ging ran:
Hallo? – und dann sagte ich:

Du bist ein übles Dreckschwein – aber diesmal legte ich nicht auf. Das “ Dreckschwein Nummer Eins“ fragte:
Bist du immer noch dran, Wahnsinniger?

Jahahahaha, mein Liebchen!!! erwiderte ich lachend.

Hör auf, mich anzurufen, du Hurensohn – knurrte er fuchsteufelswild.

Ich hör aber nicht auf, süsses Dreckschweinchen!

Wie heisst du, du elendes Stück Scheisse? – schrie er jetzt unbeherrscht.

Und ich, mit ernster Stimme, um ihm zu zeigen, dass ich ebenfalls böse war, antwortete:
Mein Name ist Edson Marques da Silva, du alte Drecksau. Warum???

Wo wohnst Du? Ich komm da hin und dann zerreiss ich Dich in der Luft, Scheisskerl? – schrie er und verschluckte sich.

Glaubst du, ich hab Angst vor einer müden Drecksau, wie dir? Ich wohne in der Rua XV, Nummer 345 – es ist ein gelbes Haus, und mein schwarzer Vectra steht davor, du Lachnummer einer…. – und jetzt, was willste denn jetzt machen? Schrie ich zurück.

Jetzt komm ich und hol dich, du Mistkerl! Fang an zu beten, denn ich mach dich alle! – schnaubte er.

Uiiii! Wirklich? Ich hab schon furchtbare Angst, Drecksau!!! Du bist ein Nichts – ein kleines schwules Dreckschweinchen bist du! – und ich hängte ein. Direkt danach wählte ich die Nummer des “Schweines Nummer Zwei“:
Hallo? – er war’s.

Hallo, du grosses Dreckschwein! – sagte ich.

Dreckskerl, wenn ich dich erwische werde ich . . .

Was wirst du? Sag schon, du kleine Drecksau, was wirst du tun?

Ich polier dir die Fresse, dass du alle Zähne von dir spuckst . . .

Ach wirklich? Glaubst du ich hab Angst vor dir, du Sau? Ich werde dir sogar Gelegenheit geben, mir die Fresse zu polieren, den ich bin auf dem Weg zu deinem Haus, altes Dreckschwein – dort wird ich alle Fenster von diesem Schrotthaufen von Vectra einschlagen, der vor deinem Haus steht. Und bete, dass ich nicht auch noch Feuer an dein gelbes Schwulenhaus lege. Wenn du ein Mann sein solltest, dann erwarte mich in fünf Minuten vor deiner Tür, du schwules Dreckschweinchen! – und ich legte auf.

Gleich danach führte ich ein anderes Telefongespräch – diesmal mit der Polizei. Ich verstellte meine Stimme auf affektiert und weinerlich, sagte, dass ich mich in der Rua XV, Nummer 345 befände, und dass ich meinen homosexuellen Liebhaber töten würde, sowie er nach Hause käme.

Dann nahm ich noch mal den Hörer auf und rief das Programm der CNT “Gefängnis“ des bekannten Moderators Alborguetti an, um bekannt zu geben, dass es jeden Moment einen Mord geben würde, denn der Ehemann einer Frau käme früher nach Hause, um ihren Liebhaber in der Rua XV, Nummer 345 in flagranti zu erwischen. Nachdem ich das getan hatte, nahm ich mein Auto und fuhr zum Tatort in der Rua XV, Nummer 345, um das Spektakel zu erleben.

Es war noch viel grossartiger, als ich es mir vorgestellt hatte. Ein Paar Dreckschweine vermöbelten sich nach Strich und Faden vor einem Reportage–Team, bis zur Ankunft von drei Limousinen und einem Hubschrauber der Polizei – von denen die beiden in Handschellen und mit zerschlagenen Gesichtern abgeführt wurden.

Die Moral von der Geschichte? Es gibt keine Moral! Aber es hat Spass gemacht . . . Und sehen Sie zu, dass Sie auch Falschverbindungen von Fremden immer höflich beantworten, denn es könnte durchaus mal sein, dass ich dran bin . . .

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AutorIn: Klaus D. Günther

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