Indianervölker in Roraima

Zuletzt bearbeitet: 30. Dezember 2012

OLYMPUS DIGITAL CAMERAUm 1930, nach den ersten Kontakten der Yanomámi-Indios mit Einwanderern, begann der Kampf dieses Eingeborenenvolkes gegen ihre Ausrottung. Mit dem Bau der „Perimetral Norte“ – in den 70er Jahren – starben annähernd 1.000 dieser Indianer und gegen Ende der 80er, durch die Einrichtung der Gold-Claims, starben mehr als 2.000 an verschiedenen Krankheiten, die sie sich durch den Kontakt mit den Goldwäschern zugezogen hatten, welche innerhalb des von der Regierung abgesteckten Yanomámi-Gebiets illegal nach dem begehrten Metall schürften. Man schätzt, dass während dieser Zeit – von 1987 – 1991 – sich etwa 40.000 Goldwäscher in diesem Gebiet herumtrieben. Damals war der Flughafen von Boa Vista der zweite Brasiliens an durchgeführten Starts und Landungen. Er erreichte registrierte 500 Flugmanöver dieser Art pro Tag.

Aus dieser Zeit stammen die verschiedensten haarsträubenden Geschichten aus Roraima, die sich bis auf den heutigen Tag als Spiegel einer menschlichen Tragödie erhalten haben. Es geschah, zum Beispiel, durchaus häufig, dass so ein Goldschürfer einen Autohandel betrat und drei Cabriolets auf einmal kaufte, oder ein Bordell betrat, die Türen schliessen liess und dann die Anwesenden alle auf seine Rechnung freihielt, oder ein Flugzeug, einen Hubschrauber, allein für sich mietete, um damit zu seinem Claim zurückzufliegen.

Piloten, die solche Goldschürfer zu ihren Claims flogen, verfielen auf unglaublich riskante Tricks, um sich ebenfalls eine dicke Scheibe vom Goldreichtum abzuschneiden: Auf einer Urwaldpiste, die zu kurz oder zu holperig war um ihrem Fluggerät die notwendige Anlaufstrecke bis zum Abheben zu ermöglichen, wurde die Maschine kurzerhand an einem Baum festgebunden, dann erhöhte der Pilot die Drehzahl des Propellers entsprechend und einer der Zurückgebliebenen hackte im richtigen Moment das Halteseil durch. Nach wenigen Metern war die Maschine in der Luft!

Heute leiden die Yanomámis immer noch unter der Präsenz einiger unentwegter Goldschürfer in ihrem Reservat. Die FUNAI (Fundação Nacional do Índio – Indianerschutz-Behörde), welcher die Bekämpfung solcher Invasion obliegt, hat bisher wenig getan, den Eindringlingen das Handwerk zu legen. Sie gibt fehlende finanzielle Mittel als Grund an.

Ausserdem müssen sich die Yanomámi gegen Epidemien von Malária und Tuberkulose behaupten. 1998, während grosser Waldbrände in Roraima, wurde auch das Yanomámi-Reservat betroffen. Bis heute zeugen grosse Kahlstellen von diesem Brand. Die Indianer vom unteren Mucajaí-Fluss und dem Ajarani verloren ihre gesamten Pflanzungen durch den Brand – sie waren die am meisten betroffenen.

nach obenDAS VOLK DER YANOMAMI

Sie bewohnen ein Areal mit tropischem Regenwald-Bestand im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Venezuela. In Brasilien erstreckt sich ihr Gebiet über den Nordosten der Bundesstaaten Roraima und Amazonas, über eine Fläche von 94,191 Quadratkilometer. Ausser dem aus ihrem eigenen Sprachgebrauch stammenden Namen „Yanomámi“ hat man diesem Volk auch verschiedene andere Bezeichnungen gegeben, unter ihnen: Waika, Guaika, Xiriana, Xirixana, Xamatari, Pakitai, Parahuri, Guajaribos, Karimé und Yawári (nach Migliazza, 1972).

Ihre Sprache hat man in 4 Untergruppen gegliedert, jede mit ihrem eigenen Dialekt:
Sanumá, Yanam, Yanomám (oder Yanomámé bzw. Yainoma) und das Yanomamy (oder Yanomamo). Bis gegen Ende der 80er Jahre konnte man davon ausgehen, dass das Volk der Yanomámi das letzte Indianervolk ist, dessen grösserer Teil immer noch ohne Kontakt mit der sie umgebenden so genannten „zivilisierten Gesellschaft“ lebt. Ihre Bevölkerungsziffer liegt annähernd bei 24.000 Individuen, von denen, so schätzt man, 11.000 in Brasilien leben und von diesen etwa 80% im Bundesstaat Roraima.

Ihre „Dörfer“ bestehen eigentlich nur aus einem einzigen kollektiven Unterstand (Yano oder Xapono) – schräg gestellte Dächer zu einem Kreisrund angeordnet, dessen Gesamtdurchmesser bis zu 100 Meter betragen kann – die vordere Dachhöhe bis 10 Meter. Unter einem solchen gemeinschaftlichen Dach wohnen 10 bis 15 Familien. Grundsätzlich leben sie von der Jagd, dem Fischfang, dem Sammeln von Waldfrüchten und ein bisschen Ackerbau. Ihre Felder gehören der ganzen Familie. Sie bauen Maniok, Ananas, Bananen, Zuckerrohr und andere Pflanzen an. Aus dem Maniok backen sie eines ihrer Grundnahrungsmittel, das „Beijú“, ein Fladenbrot. Die Bananen werden in ihrer natürlichen Form, gekocht oder gebraten und auch als Brei, gegessen.

Das Zuckerrohr wird entweder roh gekaut oder zu Saft gepresst. Sie pflanzen, darüber hinaus, noch Süsskartoffeln, Cará-Wurzeln, Papayas, Tabak, Bacaba-Palmen und Sisal für Taue und Stricke an. Auch Heilpflanzen und deren Nutzung gehören zu ihren Kenntnissen. Ihre Jagdpfeile fertigen sie aus Schilfrohr und befiedern sie mit Fasanenfedern (vom Mutum), die sie mit Baumwollfaden befestigen. Die Pfeilspitzen sind aus verschiedenen Materialien, ihre Beschaffenheit richtet sich nach der Art des zu jagenden Wildes.

Die Yanomámis sind ein sehr fröhliches Volk, ihre Feste feiern sie während der Erntezeit. Sie gehen in der Regel in kleinen Gruppen auf die Jagd und in verschiedenen Richtungen. Sie erlegen Affen, Fasanen, Hirsche, Tapir und andere Tiere. Nach der Rückkehr ins Dorf zerlegen sie die Jagdbeute und rösten die Stücke etwas an, damit sich das Fleisch länger hält. Dann rufen sie die Nachbarn alle zusammen, um gemeinsam zu feiern. Sie singen, tanzen und ergötzen sich an einer Art „gesprochenen Nachrichten und Geschichten“ (Wayamu). Diese Festlichkeiten können 3 bis 5 Tage dauern.

Wenn eines ihrer Stammesmitglieder stirbt, wird die Leiche in eine Matte gewickelt und eine Zeit in die Astgabel eines Baumes gehängt. Wenn der Körper anfängt übel zu riechen, wird er abgenommen und verbrannt. Bei familiären Totenfeiern mischen die Angehörigen ein wenig von der Toten-Asche in ihren Bananenbrei und essen sie mit. Die Reste werden an demselben Ort vergraben, an denen sie das Feuer angezündet haben. Alles Hab und Gut des Toten wird mit ihm verbrannt.

Die spirituelle Welt der Yanomámis ist erstaunlich reich an Überlieferungen. Sie glauben an ein Universum, welches aus drei verschiedenen Erdschichten besteht: Ganz oben wohnen die Toten und die mythologischen Wesen, wie zum Beispiel Donner und Blitz. In ihrem unteren Bereich leben verschiedene Geister, die die Kuppel stützen, denn sie ist alt und voller Risse. In ihr existieren u.a. auch die Sonne und der Mond. In der Mittelschicht leben die Menschen und ein Heer von Geistern. Die Unterschicht gleicht der Mittelschicht, aber in ihr leben kannibalische Wesen von furchterregender Gestalt.

„Die ersten Yanomámi-Menschen waren „Omã“ und „Yoasi“. Weil es noch keine Frauen gab, kopulierte Omã mit Yoasis Kniekehle, und die Kniekehle wurde schwanger und gebar einen Jungen. Die erste Frau wurde von Omã aus dem Kessel eines Wasserfalls gefischt. Ihr Vater war eine enorme Anakonda-Schlange. Von ihm erhielt Omã auch die ersten Pflanzen zum Anbau.

Ganz früher gab es noch keine Tiere. Die ersten Menschen verwandelten sich in Tiere und nur der Kaiman Iyo und seine Frau, die Kröte Ra-eraemé, besassen das Feuer und bewahrten es versteckt in ihren Mäulern und unter den Achseln. Alle andern assen nur rohe Nahrung. Der Kolibri und einige andere Tiere brachten den Kaiman anlässlich eines lustigen Tanzes zum Lachen und als er dabei sein Maul aufriss, schnappten sie sich ein bisschen vom Feuer und verbargen es in den umstehenden Bäumen. Aus deren trockenem Holz gewinnen die Yanomámi noch heute ihr Feuer.

Der „Xamã“ ist der spirituelle Führer der Gemeinschaft. Während ihrer zahlreichen Heilungs-Rituale schnupfen diese Medizinmänner ein Halluzinationen hervorrufendes Pulver, das „Yakoana“. Sie glauben, dass dieses Pulver den „Xaporil“ Geistern den Wald „öffnet“, damit sie den Xamãs bei der Krankenheilung behilflich sind.

Heute studieren verschiedene Indianer in Boa Vista. Ihre Vorbereitung auf die Zukunft ist Teil eines Projekts, welches von den ONG’s CCPY und MEVA ins Leben gerufen wurde. Die CCPY unterhält einige Schulen in den Dörfern Demini, Toototobi und Baluwau, in denen die Indianer schreiben und lesen ihrer angestammten Sprache beigebracht bekommen. Die Schulen der MEVA befinden sich in Auaris, der Mission Palimiú und am unteren Mucajaí-Fluss.

Am Ajarani gibt es bereits ein Problem mit Alkoholsucht unter den Yanomámis, weil die dortigen Bewohner Kontakt mit den Ansiedlern an der „Perimetral Norte“ haben. In den Orten Iracema und Caracaraí tauschen die Indianer Kunsthandwerk und Besen gegen alkoholische Getränke und Schlägereien, sowie ihre Einlieferung ins Gefängnis, sind dort an der Tagesordnung.

nach obenANDERE INDIANER

In Roraima finden sich neben den Yanomámis viele andere Ethnien: die Macuxi, zum Beispiel, deren Bevölkerung die Mehrheit der dort ansässigen Indianer ausmacht, die Taurepang, Ingarikó, Wai-wai, Patamona, Wapixana, Waimiri-Atroari und die Yekuana (Mayongong). Von diesen Stämmen leben nur die Yekuana im Reservats-Gebiet der Yanomámi.

Die MACUXI (Indianer der linguistischen Herkunft „Karib“)
Leben in verschiedenen Regionen des Bundesstaates. Zahlenmässig etwa 18.000 Individuen, kämpfen sie schon seit mehr als 20 Jahren um eine Demarkation ihrer angestammten Ländereien, welche im Nordosten Roraimas liegt und als Indianerreservat Raposa/Serra do Sol bekannt ist.

Die TAUREPANG (Indianer der linguistischen Herkunft „Karib“)
Leben in der Nähe der Grenze zu Venezuela, dem T.I. São Marcos. Ihre Zahl liegt bei rund 1.000 Personen. Sie halten mit den Pemon-Indianern aus Venezuela steten Kontakt und treiben auch Handel mit ihnen.

Die INGARIKÓ (Indianer der linguistischen Herkunft „Karib“)
Leben im extremen Norden Roraimas, an der Grenze zu Venezuela und Guyana. Ihre Zahl bewegt sich um die 1.000 Personen, die nur dann und wann Kontakt mit der Zivilisation haben. Sie selbst nennen sich „Kapon“ (Menschen des Himmels).

Die WAI-WAI (Indianer der linguistischen Herkunft „Karib“)
Leben im Süden Roraimas, an der Grenze zum Bundesstaat Pará. Mit nur noch etwa 500 Individuen, die das „Matriarchat“ praktizieren.
Unverzüglich fällt einem dabei die Legende von den „Amazonen“ ein, jene kriegerischen Weiber, welche den portugiesischen „Bandeirantes“ auf ihren Eroberungszügen im Amazonasgebiet begegnet sein sollen.

Die WAPIXANA (Indianer der linguistischen Herkunft „Arawak“)
Leben im Norden und Westen Roraimas, der Grenze mit Guyana. Annähernd 8.000 Personen, die ihre Kultur pflegen, mit ihren Tänzen und typischen Banketts.

Die WAIMIRI-ATROARI (Indianer der linguistischen Herkunft „Karib“)
Leben im Süden Roraimas, an der Grenze zum Bundesstaat Amazonas. Nur noch etwa 830 Individuen, die international bekannt geworden sind, durch ihre fortwährenden Konflikte mit Durchreisenden seit der Eröffnung der Bundesstrasse BR-174, die Manaus mit Boa Vista verbindet.

Die YEKUANA oder MAYONGONG (Indianer der linguistischen Herkunft „Karib“)
Leben im Nordwesten Roraimas, an der Grenze zu Venezuela, innerhalb des Yanomámi-Reservats. Ihre Zahl umfasst wenige mehr als 500 Individuen, welche durch ihr wunderschönes Kunsthandwerk bekannt wurden.

Darüber hinaus wären noch die PATAMONAS und die CARAFAUINAS erwähnenswert, die aber sehr selten Kontakt mit der Zivilisation der Weissen „Nichtindianer“ haben. Sie leben zusammen mit den Wai-wai, im Süden Roraimas und kämpfen für die Demarkation ihrer Ländereien „Trobetas/Mapuera“.

Entnommen aus folgenden Bibliografien:
Saúde Yanomámi, Bruce Albert
Povo Yanomámi para Brasileiro ver, Loretta Emiri
Gramática Yanomámi, Ernest C. Migliazza
FUNAI/RR, Fundação Nacional do Índio, Setor de Educação
FUNASA/RR, Fundação Nacional de Saúde, D.S.Y.

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