Pferd des Gaúcho

Zuletzt bearbeitet: 9. Januar 2021

Das elegante Tier, genannt Pferd, ist der intimste Freund und Begleiter des Gaúcho. Bei der Arbeit in den Campos ist das Pferd Massstab aller Dinge, Herr über alle Entfernungen, die grösste Reliquie des Rinderhirten. Das Pferd wurde im derzeitigen Territorium von Rio Grande do Sul um 1634 eingeführt – durch die Jesuiten-Missionare. Plötzlich wurde diese, vom Rio Uruguay genetzte Erde, geadelt durch die majestätische Präsenz des ersten Pferdes – da stand es auf unserem Grund und Boden und besiegelte das landesübergreifende Zusammenleben zwischen den Nachbarn Brasilien, Uruguay und Argentinien.

Die Crioulo-Rasse der Gauchos – Foto: sabiá brasilinfo

Das Pferd war den Indianern unbekannt, entwickelte sich aber innerhalb kürzester Zeit zu deren begehrtestem Besitz. Die Charruas, Jarros, Guaranis, Minuanos und andere, lernten mit Pferden umzugehen, und sie lernten schnell. Die Charruas entwickelten sich zu den geschicktesten Reitern unserer Geschichte. Viele der Jesuiten-Missionen (Reducciones) wurden von den Jarros mit Pferden beliefert, die sie den Charruas abgenommen hatten.

Als das Pferd zum ersten Mal den Boden der Pampa betrat, leitete sein Wiehern eine neue Ära ein. Und Rio Grande do Sul entwickelte sich zu einem traditionellen Gebiet der Pferdezucht.

Die beliebte Crioulo-Rasse haben die Gaúchos aus den ersten Pferden herausgezüchtet – und diese haben eine gute Mischung aus Gelehrigkeit, Arbeitswillen, Schnelligkeit, Eleganz und schnaubendem Temperament, in fast alle Bundesstaaten Brasiliens auf ihren Hufen getragen. Wo sich dieses Rassepferd allerdings am wohlsten fühlt, ist im Grün unserer Pampa Gaúcha!  Und die berühmteste Pferde-Herde dort war die von José Borges do Canto, in der Campanha-Region.

Das war ein Trupp von „Tostados Ruanos“ (alte Pferderasse – tostados = toast-farben, Ruano = weisses Pferd mit dunklen Flecken) – der sich aus halbwilden Hengsten und Stuten zusammensetzte, die von der berühmten Leitstute „Overa“ geführt wurden. Das Pferd wird von uns, in unserer variationsreichen Regionalsprache, oft liebevoll „Pingo“ genannt. Zahlreiche regionale Schriftsteller unterstützen die These, dass man unter dem Ausdruck Pingo das gute Pferd schlechthin zu verstehen habe – den ausdauernden Renner, elegant und feurig. Wir Gaúchos verteidigen dagegen die Meinung, dass der Spitzname Pingo ursprünglich einem kleinen und schnellen Tier zugedacht war! (Pingo = Tropfen).

Seit seiner historischen Einführung besetzt das Pferd in unserem Land eine besondere Stellung. Der Mensch zähmt das Pferd, damit es anschliessend den ihm zugedachten Dienst verrichtet. Das Zusammenleben zwischen Mensch und Pferd entwickelt die Kameradschaft der beiden – und, zweifellos, auch eine gegenseitige Zuneigung. Sehen Sie sich nur mal an, mit welcher Hingabe der Peão seinen Pingo behandelt, wenn er ihm ein paar Zweige schmackhafter Alfafa (Medicago sativa) über den Koppelzaun reicht. Der Beweis dieses gegenseitigen Verstehens findet sich in jener Episode über den Tod von Sepé Tiaraju, dessen Pferd ein tiefes Gefühl für seinen Kampfgefährten empfand und alles tat, um ihn zu retten.

Das Pferd ist Mittelpunkt allgemeinen Interesses bei Wettrennen, Rindertrails, Rodeos, beim Markieren der Kälber und bei seiner Zähmung – nicht zu vergessen, die Aufmärsche anlässlich historischer Begebenheiten. Das Pferd war eine der effektivsten Waffen der Krieger aus historischen Tagen. Ein gut berittener Mann besass in seinem Pferd praktisch eine Garantie für den Sieg. Auch in der alten Welt kannte man den Wert eines guten Pferdes – die Worte „Mein Königreich für ein Pferd“ stammen von einem mächtigen Herrscher, der am Boden seine Niederlage kommen sah. Man stelle sich vor: seine Krone wollte er für ein Pferd tauschen!

Der Gaúcho trennt sich praktisch nie von seinem Pferd – er steigt stets von der linken Seite her auf – die rechte ist die Seite des Lassos, und daran ist das Pferd gewöhnt. Auf die Art der Zusammenarbeit des Menschen mit seinem Pferd kommt es an – daraus entsteht letztlich der Erfolg! Nur die wirklichen Zentauren heben sich ab von der Menge – die Pferderasse ist dabei gar nicht so wichtig. Die Rassen existieren eher dafür, uns die Auswahl leichter zu machen. Wollen Sie ein Beispiel?

Ich behaupte, ein gutes Pferd wird schon so geboren, unabhängig von seiner Rasse, allem Aberglauben, seiner Religion oder Farbe! Nehmen wir mal den Mangalarga Marchador (Pferderasse aus Rio Grande do Sul) – theoretisch kann der nur gut marschieren. Das ist ein Irrtum! Bei der EXPOINTER 2001 sah ich mir eine der Rassenprüfungen an und war entzückt von dem Pferd Shangay, der Koppel Porto Palmeira, aus Sapiranga (Rio Grande do Sul), das die Arbeit eines typischen Crioulo-Pferdes, beim Rinder einfangen mit dem Lasso, bravourös absolvierte – und, dem nicht genug, sich anschliessend noch auf seine Vorderbeine hinkniete, um den applaudierenden Zuschauern mit Kopfnicken zu danken! Lieber Gott! Einen Riesenapplaus für den Reiter und seinen Pingo!

Heute wird das Pferd nach seiner Qualität, seiner Rasse, seinen antrainierten Fähigkeiten und seiner Eignung beurteilt. Das Pferd erfreut und erobert die Herzen der Menschen mit seinem Feuer, seiner temperamentvollen Energie. Es ist Kamerad, ein Stück Heimat, Vollendung einer langen Geschichte. Die Geschichte der Menschheit wurde geschrieben auf dem Rücken der Pferde – die Geschichte der Gaúchos wäre ohne das Pferd gehbehindert – sehen Sie sich nur mal die Karte vom Bundesstaat Rio Grande do Sul an! Gleicht sie nicht genau dem Lombo  (Hinterschenkel) eines Pferdes?

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