Violett, rosa, gelb oder weiss – die Blüten der “Ipês“ (Lapacho-Bäume) aus der Familie Tabebuia, sensibilisieren die Seele jedes Menschen für die Wunder der Natur.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer: “Ipê-roxo cura câncer“ (der violette Lapacho-Baum heilt Krebs). Und das sofortige Ergebnis: Vom Mittleren Westen bis zum Süden Brasiliens blieb keiner dieser Bäume vom Abschälen seiner Rinde verschont. Das “Fieber“ war so enorm, dass die Fazendeiros und mindestens eine Präfektur – die von Curitiba – dem Druck der Bevölkerung nachgaben, die entsprechenden Bäume absägen liessen, die Stücke verteilten und anschliessend Ableger neu einpflanzten. Lastwagen, die mit Rinden oder Teilstücken der Bäume beladen waren, bewegten sich auf den Landstrassen in Richtung der Grossstädte. Gauner fingen an, Sägemehl von irgendwelchen Bäumen zu verkaufen und behaupteten, es sei vom “Ipê-roxo“.
Dieser Run auf den “violetten Lapacho“ wurde 1967 durch die Zeitung “O Cruzeiro“ provoziert, als der Botanik-Professor der landwirtschaftlichen Hochschule “Escola Superior de Agricultura Luiz de Queiroz“, von der São Pauloer Universität in Piracicaba in einem Interview mit diesem Blatt folgende Episode erzählte: “In Rio de Janeiro träumte ein krebskrankes Mädchen, dass der Ipê-roxo ihre Krankheit heilte. Sie trank einen Aufguss aus der Rinde des Baumes und wurde gesund“.
Weitere Berichte von Heilungen kamen aus Campinas, Americana und Piracicaba. Der Professor untersuchte die therapeutischen Eigenschaften des Baumes und prüfte seine Effizienz. Er entschloss sich sogar, einem Freund aus Itu beizustehen, dessen Frau krebskrank war. Sie trank den Aufguss im Hospital, wo sie sich bereits fünf Operationen unterzogen hatte. “Die Frau schlief danach, überraschender Weise, die ganze Nacht durch, und das war so ungewöhnlich, dass der Arzt zwischendurch nachsah, ob sie vielleicht schon gestorben war“, erinnert sich der Professor. Zur Überraschung des Arztes konnte er die Frau nach ein paar Tagen als geheilt nach Hause entlassen.
Heutzutage muss niemand mehr zu einem Ipê-roxo rennen und den Baum entrinden. Man braucht nur in die Apotheke an der Ecke zu gehen, wo man das Therapeutikum in Form von Tee, Tinktur, Extrakt, Sirup und Salbe kaufen kann. Aber nicht immer führt ein zuhause aufgebrühter Tee zum Erfolg, wie eine Apothekerin erklärt, die Tochter des Forschers. “Jeder Baum hat mehr oder weniger aktive Inhaltsstoffe, je nach Boden auf dem er wächst. Und es gibt die Gefahr einer Kontaminierung des Bodens durch Blei und andere Schwermetalle, oder der Rinde durch Personen und Tiere“, wirft sie ein.
Durch die Initiative des Professors wiederholten und beschleunigten verschiedene Gruppen in den 1960er Jahren, innerhalb und ausserhalb der Universitäten, die Untersuchungen der Lapachos. Die Ergebnisse bewiesen, dass die phytochemischen Stoffe dieser Bäume auf das Atmungssystem und das Verdauungssystem einwirken. Indikationen betreffen die Fälle von Bronchitis, Infektionen, Asthma, Gastritis, Magengeschwüre und solche des Zweifingerdarms, Arteriosklerose, Ekzeme, Estomatitis und Neoplasie (Tumor).
Das Wissen um die therapeutischen Eigenschaften der Ipês kommt bereits aus uralter Zeit. Für die Inkas waren diese Bäume “Heilige Pflanzen“. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschrieb der Arzt und Botaniker Von Martius, in seinem Buch “System der Brasilianischen Pflanzenmedizin“, den Gebrauch des Lapachos gegen Krätze, arthritische Entzündungen durch Debilität, Harnröhrenkatarr und Augenentzündungen.
Allen Ipê-Spezies gemeinsam sind ihre pharmakologischen Eigenschaften, obwohl man beim “Ipê-roxo“ (violetter Lapacho-Baum) den grössten Gehalt an aktiven Substanzen festgestellt hat, und deshalb wird er am meisten für phytotherapische Anwendungen empfohlen. Der Professor hebt seine Bedeutung bei Fällen von Leukämie, Anämie, Hämophilie und Hämorrhagie des Uterus hervor. “Der Extrakt restauriert die Immunität des Kranken, deshalb empfehle ich ihn zur Bekämpfung jedweden Typs von Krebs in jedweder Phase der Krankheit“, erklärt er.
Und seine Tochter fügt hinzu, dass der Nutzung der Pflanzentherapie nicht die konventionelle Behandlung ersetzt, wie Chirurgie, Chemo- oder Radiotherapie. “Wie jedes pflanzliche Heilmittel, ist auch der Lapacho nicht synthetisiert, sondern natürlich. Deshalb ist seine Wirkung langsamer, jedoch anhaltender. Die Wirksamkeit ist von Patient zu Patient unterschiedlich, sie hängt davon ab, wie der jeweilige Organismus die aktiven Substanzen assimiliert“.
Die traditionelle Medizin verhält sich reserviert gegenüber dem medizinischen Gebrauch von Ipê-roxo. Für einen Onkologisten von der “Pontifícia Universidade Católica de Campinas (PUCC)”, “fehlt eine wissenschaftliche Bestätigung über die Effizienz, und noch wissen wir nichts über die toxischen und allergischen Effekte, und ob Interferenzen mit anderen Medikamenten zu befürchten sind“. Deshalb empfiehlt er den Gebrauch von Ipê-roxo nicht. “Wenn der Patient eine alternative Therapie wünscht, dann verbiete ich sie nicht, solange er deshalb mit der traditionellen Behandlung nicht aufhört“.
Wie dem auch sei, der Ipê-roxo reiste rund um die Welt. Allein in Japan, wo der Tee aus der Rinde des Ipê-roxo bereits seit zwanzig Jahren patentiert ist, war er viermal. Auf der letzten Japanreise im vergangenen Jahr, wurde ihm vor einem wissenschaftlichen Publikum, von mehr als eintausend Personen, ein Preis verliehen. Der Meister verschiedener Generationen, ein leidenschaftlicher Pflanzenliebhaber und Verehrer des Ipê-roxo, kann seine Enttäuschung gegenüber zwei Wissenschaftslücken nicht zurückhalten: über die brasilianische Regierung, die ihre üppige Flora nicht erforscht, und über die grossen Laboratorien, die sich nicht für den Ipê-roxo als Medikament gegen Krebs interessieren.
“Brasilien besitzt die reichste und diversifizierteste Flora des Planeten. Und wer das anerkennt, sind die Ausländer, und die sind es auch, die unseren Reichtum mitnehmen, ihn bei sich pflanzen und davon profitieren“, regt der Professor sich auf. Er verteidigt die dringend notwendige Einrichtung eines phytotherapischen Laboratoriums in Amazonien. Und er empfiehlt, dass die medizinischen Ausbildungsstätten die Phytotherapie in den Lehrplan aufzunehmen. “Die Pflanze ist das kompletteste Biochemische Labor der Welt. Die Pflanze erhält unser biologisches Leben”.
Über die Behandlung des Körpers hinaus tun die Ipês auch der Seele gut. Die Landwirtschaftsingenieurin und Forscherin des “Núcleo de Estudos e Pesquisas Ambientais da Universidade Estadual de Campinas (Nepam-Unicamp)”, erinnert daran, dass die Ipê-Bäume in der trockensten Zeit des Jahres, dem Winter, der Landschaft mit ihrer farbigen Blütenpracht Leben verleihen. “Viele Menschen verbinden die Ipês mit dem Frühling, aber in dieser Epoche sind alle anderen Pflanzen ausgeblüht. Der Ipê-roxo kann eventuell bis gegen Ende des Herbstes blühen, wenn er eine genügende Anzahl von Lichtstunden bekommt, um die Blütenhormone zu stimulieren“, erklärt sie.
Und weil wir in der Regel einen sonnigen Winter haben, wechseln sich die verschiedenen Ipê-Spezies beim Blühen ab – von Juni bis September: violett, weiss, gelb und rosa, und der weisse Ipê blüht sogar mehr als einmal im Jahr. “Die Reihenfolge ist je nach Landesregion unterschiedlich, denn die Sonnen- und Wärmebedingungen sind in einem so grossen Land recht unterschiedlich“, bemerkt die Forscherin.
Die Blüte des Ipê-branco (Weisser Ipê) dauert durchschnittlich vier Tage. Die der anderen Ipês zwischen einer Woche und zehn Tagen. “Die Blüten sind nicht nur schön anzusehen auf dem Baum – wenn sie herunterfallen, bilden sie einen herrlich bunten Teppich, der den Boden, das Trottoir und den Asphalt verschönt. Die Blüten des Ipê sind kein Schmutz, sondern Dekoration, und niemand sollte sie zusammenfegen“.
Die Wissenschaftlerin beschreibt das Blühen der Ipês als eine Show der Natur, der wir Beachtung schenken sollten. “Der Ipê-Baum bewegt die menschliche Seele, berührt unsere Sensibilität. Auch die weniger Sensiblen bleiben vor einem blühenden Ipê stehen. Für mich sind die Ipês spirituelle Bäume. Sie zu bewundern, gleicht einem Gebet“.
Der Ipê-Baum aus der Nähe
Wer sich Ipê-Bäume am Weg zur Arbeit wünscht oder vor dem Haus, für den hat die Agraringenieurin ein paar Tipps:
- Den Baum nicht unter einer Strom- oder Telefonleitung pflanzen.
- Auf einem Trottoir die weissen, gelben und roxos-anã (zwergwüchsigen Ipê-roxos) Arten verwenden.
- Für den mittleren Rand von Avenidas Ipês-roxos und Ipês-rosas verwenden – sie sind besonders dicht mit Blüten besetzt.
- Die Ableger zum Einpflanzen sollen eine Mindestgrösse von zwei Metern haben, weil sie dann stark und resistent genug gegen die Luftverschmutzung sind. Solange der Baum noch im Wachstum begriffen ist, in der Trockenzeit regelmässig giessen.
- Bei Wochendhäusern und Landsitzen die Ipê-Bäume nicht zu nahe am Haus oder am Swimming-Pool pflanzen – die Wurzeln können sonst die Mauern beschädigen und die Blüten in den Pool fallen.
Eine Show der Farben
Der Ipê (aus der Familie Tabebuia) ist ein nativer Baum aus Südamerika. In der indigenen Tupi-Guarani-Sprache bedeutet “Ipê“ – Baum mit dicker Rinde, und “Tabebuia“ ist ein Holz, das schwimmt. In Brasilien gibt es 28 Arten – so der Kewensis-Index. Jeder Art sind verschiedene volkstümliche Bezeichnungen zugeordnet, und einige werden in unterschiedlichen Regionen zur Identifizierung diverser Arten benutzt. In vielen Städten und Fazendas sind sie als ornamentale Bäume angepflanzt worden – sie erreichen, je nach Art, zwischen 5 und 35 Meter Höhe, und ihr Holz ist äusserst resistent. Die häufigsten Arten sind:
Ipê-Roxo (Tabebuia avellanedae)
Wird in Brasilien auch als “Pau-d’arco” bezeichnet und hat weitere neun volkstümliche Namen. Der Baum wird häufig in der urbanen Landschaftsgestaltung verwendet wegen der besonderen Schönheit seiner violetten Blüten, die in Büscheln gruppiert sind. Er wird leicht verwechselt mit zwei anderen Arten, die ebenfalls violett blühen – dem “Ipê-roxo-de-bola“(Tababuia impetiginosa) und dem “Ipê-roxo-de-sete-folhas“ (Tababuia heptaphylla).
Ipê-Amarelo (Tabebuia chrysotricha)
Er kommt von Espirito Santo bis hinunter nach Santa Catarina vor – im Atlantischen Regenwald. Die gelben Blüten sind in Dolden angeordnet.
Ipê-do-Cerrado (Tabebuia ochracea)
Eine andere Art des Gelben Ipê, den man auch unter der Bezeichnung “Ipê-do-campo“ (Feld-Ipê) kennt.
Ipê-Amarelo-Liso (Tabebuia vellosoi)
Man findet ihn in den Bundesstaaten Minas Gerais, São Paulo, Mato Grosso, Goiás, Rio de Janeiro und vor allem im Atlantischen Regenwald. Im Jahr 1961 erklärte ihn der damalige Präsident Jânio Quadros zum National-Baum.
Ipê-Rosa (Tabebuia pentaphylla)
In einigen Regionen Brasiliens ist er der erste Ipê, der blüht – im Juni. In anderen der Letzte – im September. Leicht zu verwechseln mit anderen Arten, die violett blühen.
Ipê-Branco (Tabebuia roseo-alba)
Auch bekannt als “Ipê-amarelo-de-folhabranca” (Gelber Ipê mit weissen Blättern) – eine der auffälligsten Arten. Seine Blüte dauert nicht länger als zwei Tage – im August, aber er blüht erneut im September. Unter den Weissen Ipês gibt es eine violette Spezies.
Ipê-Pardo (Tabebuia serratfolia)
Einer der auffälligsten Ipês von grossem Wuchs. Seine Blüten sind gelb und bilden Trauben.
Ipê-Verde (Cybistax antisyplilitica)
Dieser Baum gehört nicht zur Gattung Tabebuia. Eine Spezies, die weniger bekannt ist. Seine zitronengrünen Blüten fallen kaum auf. Blüht im Sommer – von Dezember bis März.
Wo sind die Ipês zu bewundern? Die App Ipês der Biologin Paula Ramos Sicsú zeigt das auf
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