Die Mannschaft der brasilianischen Kunsturnerinnen rund um Diane dos Santos und Daniele Hypólito konnte sich genauso für die Olympiade 2012 qualifizieren wie Diego Hypólito und Arthur Zanetti bei den Männern in der „artistischen Sportgymnastik“. Doch die letzten ganz grossen olympischen Erfolge liegen lang zurück. Das BrasilienPortal hat die Präsidentin des brasilianischen Gymnastikverbandes CBG, Luciene Resende, im Rahmen der „Troféu Brasil“ am 24. Mai 2012 in Toledo, Paraná exklusiv zur Nachwuchsarbeit und Zukunft des Turnens in Brasilien befragt.
Frau Präsidentin, wie bewerten sie die Ausrichtung der „Troféu Brasil“ hier in Toledo im Hinterland von Paraná?
Es ist sehr wichtig, dass unsere Veranstaltungen in verschiedenen Hauptstädten und im Hinterland unseres Landes stattfinden. So kann man das Turnen in Brasilien stärker präsentieren und den Zuschauern damit die auch Möglichkeit geben, den Topstars einmal nahe zu sein. Wenn die Gymnastikveranstaltungen im Hinterland wie z.B. hier in Toledo stattfinden, dann Kindern und Jugendlichen Interesse dafür geweckt. Dadurch können wir sie in die Sportkreise aufnehmen, die soziale Integration fördern, sie von der Strasse holen und auf das Leben als Bürger vorbereiten. Daher ist es auch sehr wichtig, dass bei einer solchen Veranstaltung die Nationalhymne gesungen wird.
Mit Rebeca Andrade haben wir hier ein neues Talent gesehen, vielleicht sogar ein Name für Rio 2016. Wie sieht denn die Nachwuchsarbeit in Brasilien jenseits der traditionellen bekannten Vereine derzeit aus?
Die Vereine sind sehr eng mit dem brasilianischen Gymnastikverband verknüpft. Sie entwickeln Projekte und fördern die Kinder innerhalb des Klubs gemäss den entsprechenden Richtlinien. So entstehen dann die Nationalmannschaften, wie z.B. bei Flamengo. Rebeca ist so ein Beispiel dafür. Rebeca hat heute den 1. Platz erzielt und dies bei einem solchen Wettbewerb mit gerade einmal 13 Jahren. Das zeigt, dass wir gut vorbereitet sind für die Olympiade 2016.
Aber wir denken schon an 2020, da trainieren bereits 3.000 Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren in den Förderzentren. Und zwar in den drei Disziplinen Rhythmische Sportgymnastik, Kunstturnen Männer und Kunstturnen Frauen. Dies sind die wichtigen olympischen Wettbewerbe. Für 2016 wollen wir zudem noch das Trampolin stärker fördern.
Im internationalen Vergleich hinkt Brasilien allerdings in der Gymnastik etwas zurück, vor allem bei der Rhythmischen Sportgymnastik …
Bei der Rhythmischen Sportgymnastik verzeichnen wir zwar derzeit eine positive Entwicklung und viel Kontinuität, allerdings fehlt die Erneuerung. Aber daran arbeiten derzeit gerade im Jugendbereich zur Vorbereitung auf die Olympiade 2016. Wir dort momentan schon zahlreiche Optionen, wie die wunderbare Angélica Kvieczynski oder auch die Gruppe. Die haben leider bei der Weltmeisterschaft in Montpellier in Frankreich Fehler gemacht. Solche „Unfälle“ passieren halt.
Die Athleten trainieren stets für die grossen Auftritte. Wir fiebern mit und hoffen auf die entsprechenden Resultate. Die Rhythmische Sportgymnastik ist in Brasilien weit verbreitet und die Präsentationen, die man auch hier bewundern konnte, werden immer ausgefallener und so wird auch stetig das Niveau gesteigert.
Brasilien ist ja eigentlich ein Land des Fussballs und des Volleyballs, Turnen steht eher hinten an. Wie wollen sie den Gymnastik-Leistungssport populärer machen? Ist das nicht in Wirklichkeit ein Sport, der nur hinter verschlossenen Türen ausgeübt wird?
Da stimme ich Ihnen überhaupt nicht zu. Die Türen sind für die Menschen weit geöffnet. Auch die Sportler, die hier angetreten sind, kommen aus vielen Teilen Brasiliens. Im Endeffekt nimmt ganz Brasilien an den Wettkämpfen teil, sie kommen unter anderem aus Rio de Janeiro, São Paulo, Rio Grande do Sul, Bahia, Sergipe und dem Amazonas. Es ist wirklich ganz Brasilien.
Wir haben auch inzwischen ein Projekt mit dem Fernsehsender Rede Globo, mit dem wir die „Sichtbarkeit“ des Turnsports erhöhen wollen. So sollen unsere Meetings in der Rhythmischen Sportgymnastik und im Kunstturnen übertragen werden wie auch unsere Gala, die ebenfalls fester Bestandteil des jährlichen Veranstaltungskalenders ist. Auch heute waren Vertreter zahlreicher überregionaler auch lokaler Medien da, darunter Zeitungen und TV-Sender.
2012 ist Olympisches Jahr. Qualifiziert haben sich drei Athleten im Kunstturnen der Männer sowie die fünfköpfige Frauenmannschaft im Kunstturnen. Wie bereiten diese sich nun auf die Olympiade vor und welche Medaillenausbeute erwarten Sie?
Wir haben alles schon entsprechend vorbereitet. Die Frauen-Mannschaft wird sich in Gent in Belgien vorbereiten und akklimatisieren und von dort aus direkt zu den Olympischen Spielen in London reisen. Die Männer, dies sind zunächst die zwei Athleten Diego Hypólito und Arthur Zanetti, die sich ihren Startplatz direkt bei der Weltmeisterschaft in Japan gesichert haben. Dann haben wir noch einen weiteren Startplatz für Brasilien, wo der Kandidat noch nicht bestimmt wurde. Die Männer bereiten sich zunächst in Genf in der Schweiz vor und fahren dann ebenfalls direkt nach London.
Wir wollen natürlich so viele Medaillen wie möglich gewinnen. Wir hoffen, dass die Athleten durch das tägliche Training in ihren Clubs in Bestform kommen. Ihre Leistungen können sie dann bei Veranstaltungen wie dieser auch noch testen. Bei den Frauen müssen zudem die Namen noch festgelegt werden. Dies ist eine sehr grosse Verantwortung, die Trainer der Nationalmannschaft analysieren derzeit die Leistungen der Kandidatinnen.
Das Gespräch führte Dietmar Lang.