09. August – Internationaler Tag der Indigenen der Welt

Zuletzt bearbeitet: 8. August 2021

Der Klimawandel gefährdet die Lebensweise der indigenen Völker

Die Vögel fliegen nicht mehr über den Wald, die Fische steigen nicht mehr auf, weil sich der Fluss nicht füllt, Feuer breitet sich schnell im Wald aus, Maniok stirbt ab aus Mangel an Regen, die Bäume, die Material für den Bau von Häusern und für Handwerksarbeiten liefern, haben nicht mehr die Kraft zu wachsen. Am (09. August) dem „Internationalen Tag der indigenen Bevölkerungen der Welt“, ist eine der Herausforderungen aller indigenen Völker, sich diesen Problemen zu stellen – den Folgen des Klimawandels.

Tag der indigenen Bevoelkerungen der Welt – Foto: Raimundo Pacco/FotosPublicas/Palma TO

Obwohl diese Probleme für diejenigen, die in der Stadt leben, simpel erscheinen mögen, ist für die Menschen in den Wäldern jede dieser Veränderungen lebenswichtig, wie der Spezialist des Instituts für Soziale Umwelt (ISA), Paulo Junqueira, erklärt. Er fährt fort, dass die Indios außer ihrer direkten Abhängigkeit von einem ausgewogenen Funktionieren der Umwelt, in der Natur Indikatoren für verschiedene bevorstehende Ereignisse erkennen können.

„Eine bestimmte Wolkenformation mit Gewitter ist ein Zeichen für kommenden Regen, und ein anderer berichtete mir, dass sie heute zwar die Wolken und das Gewitter erleben, aber es regnet nicht, oder im Gegenteil: der Regen kommt vor den Indikatoren, die sie kannten. Und sie kennen mehrere dieser Indikatoren, die nicht mehr funktionieren wie vorher. Es ist so, als würden plötzlich alle unsere Uhren verrückt spielen, und wir uns in der Zeit verlieren“, erklärt Paulo Junqueira.

Junqueira ist der stellvertretende Koordinator des Xingu-Programms, der für die Aktionen der ISA im Xingu-Indigenenpark, im Norden von Mato Grosso, verantwortlich ist. ISA produzierte in Zusammenarbeit mit dem Catitu-Institut den Kurzfilm “Where the Swallows Have Gone” (Wo die Schwalben geblieben sind), der während der Pariser Klimakonferenz (COP-21) 2015 gezeigt wurde und erzählt, wie die Völker des Xingu die Auswirkungen des Klimawandels in ihrem täglichen Leben wahrnehmen und spüren.

Der Park liegt im landwirtschaftlichen Grenzgebiet und laut Junqueira sind mehr als die Hälfte der umliegenden Wälder abgeholzt worden. Innerhalb des Parks jedoch, der eine Fläche von 2,8 Millionen Hektar hat, beträgt die Abholzung nicht mehr als 1%, wenn man die indigenen Dörfer, Fußwege und ihre Pflanzungen berücksichtigt.

Das größte Problem im Xingu-Park ist das Feuer. Nach Angaben des ISA-Koordinators nutzen die Indios das Feuer nicht nur zum Garen ihrer Speisen und als Wärmespender, sondern brennen damit auch ihre abgeernteten Pflanzungen ab, damit die Asche den Boden für die nächste Einsaat düngt. Aufgrund des Klimawandels und der Abholzung der Wälder durch die angrenzenden Farmer, ist ihr Wald jedoch inzwischen so trocken, dass sie von der üblichen Bewirtschaftung ihrer Felder absehen müssen, denn das Feuer könnte von den Feldern auf den Wald übergreifen.

Volk der Camaiura – Fischzug im Einbaum – Foto: Klaus D. Günther

Diese Umsicht der Indios wird von den umliegenden Farmern geradezu verhöhnt: Ungeniert und unbestraft bedienen sie sich der bequemen Brandrodung zur Säuberung ihrer Grundstücke, und es kümmert sie nicht, wenn das Feuer auf das Gebiet des Xingu-Parks übergreift. Nach einer Schätzung sind 2020 mehr als 10% des Parks vom Feuer der Farmer erfasst worden.

„Sowohl vom Standpunkt der Ernährung als auch vom Standpunkt der Kulturerhaltung erleben die Indios, dass viele ihrer Ressourcen knapp werden“, fährt Junqueira fort.

„Von den Indios zu erwarten, dass sie das Feuer nicht mehr benutzen, ist keine Alternative, denn es bedeutet, dass sie einen Großteil der Arbeit mechanisieren müssten, und es ist sogar ökologisch kontra indiziert, sie leben in einer Umgebung, die bereits an den Gebrauch des Feuers gewöhnt ist, es ist Teil der Ökologie des Parks“, erklärt Junqueira.

Volk der Camaiura – Begegnung unterwegs – Foto: Klaus D. Günther

Zum Feuer kommt die Auflösung ihrer Zeitleitsysteme, ihrer angestammten Rituale, der Zerfall ihrer materiellen Kultur und die Gefährdung ihrer Nahrungsgrundlage. Die Hauptnahrungsquelle im Xingu sind die Felder, die Jagd und der Fischfang. Der Experte sagt, dass sie im letzten Jahr mehrere Ernteverluste aufgrund des fehlenden Regens hatten, vor allem Maniok; und außerhalb des Parks verloren die Bauern auch Mais- und Sojaplantagen. Junqueira sagte auch, dass es saisonale Proteinquellen gibt, wie z.B. Fische, die zu verschiedenen Zeiten den Fluss hinauf schwimmen. Da einige Flüsse jedoch austrocknen, hat dies Auswirkungen auf die Beschaffung von Proteinen und Eiweiß.

„Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Ernährung als auch der Kulturpflege sehen die Indios, dass verschiedene ihrer Ressourcen knapp werden“, so Junqueira.

Die Mobilisierung der Indios

Im Bundesstaat Roraima ist das Problem ähnlich. Die Koordinatorin der Abteilung für Territorial- und Umweltmanagement des Indigenen Rates von Roraima, Sineia do Vale, sagte, dass es eine Studie mit den Völkern von Serra da Lua, im Süden des Bundesstaates, gibt, die zeigt, dass sie ebenfalls Veränderungen durch den Klimawandel bemerkt haben. „Dies hat ihr soziales Leben, die Fischerei, die Landwirtschaft, das Leben in der Gemeinschaft und ihr traditionelles Wissen beeinträchtigt. Sie berichteten, dass sie viele dieser Veränderungen deutlich spüren“, sagte Sineia, die dem indigenen Volk der Wapixana angehört.

Sie sagt zum Beispiel, dass die Nahrungsmittel knapp werden, weil es in der Region keine Jahreszeit mehr für die Aussaat gibt, das Wetter und die Regenfälle sind unregelmäßig und das traditionelle Saatgut taugt auch nicht mehr. Die Frage des Wassermangels ist auch für Sineia ein großes Problem.

„Ich spreche vom Beispiel Roraima, aber wir sind durch die anderen Regionen Brasiliens gereist und haben gesehen, dass alle unter diesem Problem der Dürre leiden. Es gibt Orte, von denen wir noch nie etwas über Wassermangel gehört oder gelesen haben, und bei diesen Veränderungen berichten die Leute sogar, dass es zum Trinken, zum Anpflanzen oder zum Tränken der Tiere fehlt.“

Sineia ist Umweltbeauftragte und vertritt die “Coordination of Indigenous Organizations of the Brazilian Amazon (Coiab)” und die “Articulation of Indigenous Peoples of Brazil (Apib)” innerhalb des “Indigenous Climate Change Committee”. Sie berichtet, dass diese Gruppen in verschiedenen Instanzen der Regierung und der Gesellschaft, auf nationaler und internationaler Ebene agieren, um indigene Belange zu verteidigen und dem Bundesstaat Pläne vorzulegen, die sich an der Realität orientieren. „Das indigene Volk hat seit eh und je die Erde auf der sie leben bestens erhalten, und plötzlich werden sie von diesen Klimaveränderungen bedroht. Wir müssen ein besonderes Auge auf sie haben, um sie zu stärken und diesem Volk behilflich zu sein!

Anpassung an den Wandel

Nach Ansicht der Wapixana Sineia müssen sich die traditionellen Gemeinschaften auf die Anpassung vorbereiten, denn der Klimawandel ist bereits Realität. Und die Regierungen müssen auf die Menschen achten, die im Wald leben, denn sie haben das Wissen um die Artenvielfalt, und wie man Wälder und Gewässer erhalten kann.

Laut Sineia ist Brasilien in einigen Diskussionen ein bisschen vorangekommen, setzt das Pariser Abkommen aber leider nur langsam um. Sie betrachtet den nationalen Plan des Umweltministeriums zur Anpassung an den Klimawandel, zwar als ein Instrument, um die Folgen des Klimawandels zu verringern, aber sie findet es unumgänglich, einen separaten Plan für jede Landesregion zu machen.

„Alles bewegt sich noch auf Diskussionsebene. Es war schon ein Kampf, überhaupt ein Unterkapitel über indigene Völker aufzunehmen“, sagt sie. „Jede Region hat ihre Besonderheiten, deshalb können wir keine allgemeine Planung machen“, argumentiert sie.

Verschmutzte Flüsse – Foto: Valdo Leao/Semcom

Es gibt 16 indigene Völker im Indigenen Park des Xingu, die 13 verschiedene Sprachen sprechen, mehr als 80 Dörfer mit Einwohnern, die unterschiedliche Eigenheiten in der Nutzung des Waldes haben. Um die Umsetzung und Finanzierung der Aktionen und Maßnahmen des “Nationally Determined Contribution (NDC)” im Pariser Abkommen für Brasilien zu planen, hat das Umweltministerium die Ausarbeitung einer nationalen Strategie zur Umsetzung des Verlangten eingeleitet.

Öffentliche Politik

Budgetkürzungen, Druck zur Lockerung der Aufsichtspflicht und eine Lockerung der Gesetzgebung, sind laut Paulo Junqueira einige der Probleme, die Brasilien in der Umweltfrage hat. „Es ist eine Schande, dass die ruralistische Bank (die der Farmer und Viehzüchter) in der brasilianischen Politik den Ton angibt“, sagt er, als die Sprache auf die Demarkierung indigener Territorien kommt.

Er sagt auch, dass die meisten Gesundheitsprobleme im Xingu mit der Ernährung zusammenhängen. „In allen Dörfern gibt es Probleme mit Bluthochdruck, Diabetes und Fettleibigkeit, weil wir ihre Nahrung durch unsere ersetzen. Diese Hilfe durch Geld, oder unsere Lebensmittel, ist schädlich, die Indianer brauchen Land, welches sie ihrer Tradition gemäß bearbeiten können“, erklärte er.

Für die Umweltbeauftragte Sineia do Vale erlebt Brasilien einen Rückschlag in Sachen indigener Rechte. „Wenn wir alle jene abrupten Wechsel in der FUNAI erleben, diese Demontage und die dauernden Neueinstellungen, dann schwächt das die Arbeit, die bisher mit den indigenen Völkern geleistet wurde“, sagt sie.

„Besonders die Demarkationen für indigene Völker, das wurde bereits wissenschaftlich bewiesen, sind Territorien, die durch die vorbildliche Erhaltung durch die eingeborenen Bewohner vergleichbar sind mit Naturschutzgebieten! Ohne Land gibt es kein Leben, und wir müssen das Land unserer Eingeborenen weiterhin pflegen“, betont sie.

Ende April 2020 haben sich etwa 1.500 indigene Führer in Brasilia im “Acampamento Terra Livre” getroffen. Die indigene Mobilisierung zielt darauf ab, über die Verletzung der verfassungsmäßigen und ursprünglichen Rechte der indigenen Völker zu diskutieren und Stellung zu beziehen.

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