Ökosystem Amazonien

Zuletzt bearbeitet: 17. Juli 2021

AMAZONIEN − DAS ARTENREICHSTE ÖKOSYSTEM DER ERDE

Hier leben und reproduzieren sich mehr als ein Drittel aller auf unserem Planeten existierenden Spezies. Amazonien ist ein tropischer Gigant von 4,1 Millionen Quadratkilometern – rund die Hälfte der enormen Fläche Brasiliens entfallen auf den brasilianischen Teil des Amazonasbeckens – das grösste Süsswasser- und Sauerstoffreservoir der Erde! Der tropische Regenwald – der unter der Bezeichnung „Grüne Hölle“ die Phantasie so mancher Abenteurer beflügelt hat – lebt von dem von ihm selbst produzierten organischen Material, inmitten eines feuchten Ambientes, mit häufigen, starken Regengüssen, die hier am Äquator geradezu dramatisch sein können: an einem Tag kommt das gesamte Wasser eines europäischen Jahres vom Himmel herunter!

Zufluss Rio Negro – Foto: Pedro Devani/SecomAcre

Unter idealen Bedingungen – kein Frost, keine Trockenheit – hat sich hier der Erde artenreichste Pflanzenviefalt entwickelt, die von keinen Jahreszeiten abhängig ist: Blüten und Früchte trifft man in diesem Ökosystem gleichzeitig – und im Überschwang der Gefühle vermeint der Besucher zunächst in jedem Baum eine neue Art zu entdecken. Die ineinander verschlungene Wirrnis des Regenwaldes kann man in drei Etagen einteilen: Niedrigere Bäume und Jungwuchs kämpfen sich bis zu 20 Meter durch die grüne Dämmerung empor, die Hauptmacht der Bäume schliesst bis zu 35 Meter darüber hinaus ihre Kronen in- und aneinander. Diese geschlossene Decke wird ab und an von den noch höheren Stämmen der „Urwaldriesen“ durchbrochen, die sich bis zu 60 Meter, und höher, der Sonne entgegen recken. Eine perfekte biologische Technik von Brett-, Luft-, Stelz- und Stützwurzeln gibt diesem Gewölbe die entsprechende Stabilität.

Amazoniens Regenwald präsentiert 2.500 Arten von Bäumen, (ein Drittel der tropischen Hölzer unseres Planeten), und 30.000 der 100.000 in Lateinamerika vorkommenden Pflanzenarten. Die kontrollierte, autosustentative Nutzung dieses Waldpotentials ist also in Form einer sinnvollen Entwicklungsstrategie für jene sozial unterentwickelte Region von grosser Bedeutung. Schätzungen hinsichtlich dieser Reserve veranschlagen einen Wert, der nicht unter 60 Milliarden Kubikmetern kommerzialisierbarem Edelholz liegen soll – was diese Region zur weltgrössten Vorratskammer tropischer Hölzer macht.

Insekten gibt es zu Millionen in allen Abschnitten und Etagen des Regenwaldes – die meisten Ameisenarten findet man hier – sie beschleunigen die Zersetzung alles Toten und führen es in die lebende Substanz zurück. Den Scharen von krabbelnden und fliegenden Insekten – die für den Besucher zu den Plagen des Urwaldabenteuers gehören – kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Bestäubung der Pflanzen zu, denn ein Transport der Pollen durch den Wind ist wegen der Luftruhe innerhalb des grünen Gewölbes fast ausgeschlossen.

Auf dem Boden halten sich die meisten Säugetierarten auf – besonders die grösseren Spezies, wie Tapire, Hirsche und Wildschweine – dort nutzen sie die saisonbedingte Produktivität der Bäume, um sich an ihren heruntergefallenen reifen Früchten zu mästen – während ihnen die grösste südamerikanische Raubkatze, der Jaguar, eben dort auflauert. Kriechende Tiere, zum Beispiel Amphibien und Schlangen, sind in den unteren Etagen der verschlungenen Vegetation anzutreffen – die einen ernähren sich vom Insektenüberfluss, die andern von den Insektenfressern. Etwa die mittlere Etage des Waldes ist die Domäne von Fasanen und Wildhühnern, Falken und Eulen, sowie einigen Hundert Arten kleinerer Vögel – auch die Primaten der Neuen Welt halten sich am liebsten innerhalb der mittleren Etage auf – 75 Arten tag- und nachtaktiver Affen hat man allein in Amazonien registriert. Höhere Abschnitte des Waldes werden in erster Linie von Kolibris, Aras, Papageien und Sittichen beansprucht, die sich an Früchten, Trieben und Nüssen gütlich tun. Tukane, ziemlich dürftige Flugkünstler, die nur kurze Distanzen zurückzulegen vermögen, halten sich mit Vorliebe in den Baumkronen auf.

Amazonien ist aber weit mehr als nur ein Wald – es ist auch eine Welt des Wassers, in der Millionen grösserer und kleinerer Wasserläufe miteinander kommunizieren, saisonbedingt über ihre Ufer treten und die sie umgebenden Ebenen mit angeschwemmten Nährstoffen neu befruchten. Das Amazonasbecken – grösstes hydrografisches Netz unseres Planeten – hat eine annähernde Ausdehnung von 6 Millionen Quadratkilometern. Der Vater aller Ströme, der Amazonas, durchquert diese Region – eine natürliche Wasserstrasse durch die immergrüne Wildnis – mit 7.300 Kilometern auch die längste der Welt. Sechsmal so lang wie unser Rhein, von 1.100 nennenswerten Nebenflüssen gespeist – 20 davon ebenfalls länger als der Rhein! Die Tiefe des Hauptstromes schwankt zwischen 10 und 60 Metern, seine Breite zwischen 1,5 Kilometern, an der peruanischen Grenze, und 6 Kilometern am Unterlauf – sein Delta erreicht sogar eine Breite von 250 Kilometern ! Daraus ergiessen sich pro Sekunde 160.000 Kubikmeter Wasser in den Atlantischen Ozean – mehr als Nil und Mississippi, die nächstgrössten, zusammen aufbringen!

Amazonien ist in der Tat eine Region von fast unvorstellbaren Ausmassen und natürlichen Ressourcen: Sie besitzt riesige Vorräte an Holz, Latex, Paranüssen, Fisch, Mineralien und anderem – sie hat eine geringe Bevölkerungsdichte (2 Bewohner auf 2 Quadratkilometer) und eine in letzter Zeit wachsende Urbanisation. Ihr kultureller Reichtum beinhaltet auch eine traditionelle Kenntnis hinsichtlich der Nutzungsformen jener Ressourcen, ohne sie auszumerzen oder ihr natürliches Habitat zu zerstören. Allerdings präsentiert dieselbe Region ein äusserst niedriges sozialwirtschaftliches Level – die Menschen sind durch die weiten Entfernungen, bescheidenen Transportmöglichkeiten und die fehlende technologische Infrastruktur stark behindert – und die Nutzung der Ressourcen wird teuer.

nach obenBedrohungen – der Kampf um die Erhaltung des Regenwaldes

Eben weil Brasilien als das Land mit der grössten biologischen Artenvielfalt gilt, ist der Fortbestand seines Naturreichtums ständig bedroht. Ein Beispiel für diese Situation ist die schon erwähnte jährliche (illegale) Abholzung Amazoniens, die zwischen 1992 und 1994 um 34% zugenommen hat. Der Jahres-Index, 1991 etwas mehr als 11.000km2, war 1999, nach offiziellen Angaben, bereits auf 16.926km2 gestiegen. Die landwirtschaftliche Expansion und die Holzausbeutung sind weiterhin die grössten Probleme. Diese Ausbeutungstendenz scheint im selben Mass zu steigen, wie die asiatischen Reserven zuende gehen.

Die brasilianische Regierung erkennt an – in einer vom Sekretariat für Strategische Themen erarbeiteten Erklärung – dass 80% der Holzproduktion Amazoniens illegaler Ausbeutung entstammen. Es existieren 22 bekannte ausländische Sägewerke, die in der bewussten Region operieren, und nur wenige Kontrollen hinsichtlich deren Produktion und dem Gebiet der Ausholzung. Der Verlust von Abfall-Holz, welcher sich zwischen 60% bis 70% der Produktion beläuft, verschärft die Situation noch mehr. Die Absicht der Regierung, infrastrukturelle Mega-Projekte für Amazonien zu entwickeln, die eine Zerstörung der Umwelt zur Folge haben, ohne für die Bewohner der Region Verbesserungen zu bringen, sind für diese Situation ebenfalls kein Ausweg.

Obwohl Brasilien eine der modernsten ambientalen Gesetzgebungen der Welt geschaffen hat, war die nicht genug, um die Vernichtung des Regenwaldes zu stoppen. Die grössten Probleme liegen bei der Unfähigkeit der für die Kontrolle eingesetzten Beamten, in der Kontrolle von schwer zugänglichen Gebieten, der schwachen Administration der Schutzgebiete und dem fehlenden Engagement der lokalen Bewohner. Diese Situation in den Griff zu bekommen, hängt davon ab, wie die entsprechenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ambientalen miteinander kommunizieren und vor allem – was sie in der Praxis tatsächlich durchzusetzen vermögen!

Viele Emigranten hat man stimuliert, sich in der besagten Region zu etablieren – und die brachten ihre landwirtschaftlichen Kenntnisse und Arbeitsmethoden mit, die für Amazonien jedoch nicht taugten. Die Produktivität des Urwaldbodens verringerte sich signifikant nach zirka drei Jahren der Bepflanzung und zwang jene Kleinbauern, sich in ein anderes Gebiet zu begeben – entweder weiter im Innern des Waldes oder in anderen Ortschaften, wo der Rodungszyklus, das Abbrennen des Waldes und die Degradierung des Bodens, sich wiederholten.

Die Besetzung der Amazonasregion begann sich in den 40er Jahren zu verstärken, als die Regierung anfing, die Implantierung von landwirtschaftlichen Projekten in dieser Region anhand von Steuererleichterungen zu stimulieren. Dadurch wurden Waldbrände und Abholzungen intensiviert. Dieser Prozess der Landbesetzung hat 550.000 Quadratmeter Wald eliminiert. Endlich haben wissenschaftliche Studien und auch die Praxis bewiesen, dass die sustentable Nutzung des Amazonas-Regenwaldes rentabler sein kann – und, dass sie mehr Arbeitsplätze schafft als jene von der Regierung einst angeregten Aktivitäten, wie zum Beispiel die Landwirtschaft und Viehzucht.

Allerdings hat die brasilianische Regierung die Frage Amazoniens als eine sektoriale behandelt, ohne den besonderen ambientalen Faktor einzubeziehen, und auch ohne sich der von ihren eigenen Technikern erarbeiteten Informationen zu bedienen. Das beweist ihr Programm „Avança Brasil“ (Schreite vorwärts Brasilien), das eine Definition von vordringlich zu schützenden Gebieten – entsprechend einer vom Umweltministerium koordinierten Studie, einfach ignoriert.

Eine andere Art der Zerstörung stellen die Stauseen für die Implantierung von Wasserkraftwerken dar. Zum Beispiel im Fall der „Usina de Balbina“ nördlich von Manaus. Die sehr geringe Relation zwischen dem überschwemmten Gebiet und der installierten elektrischen Potenz hat sich zu einem wirtschaftlichen und ökologischen Debakel ausgeweitet, welches weltweit als Beispiel für ambientale Inkompetenz bekannt wurde. Auch die illegalen Gold- und Diamantensucher haben der Natur schweren Schaden zugefügt mit der Erosion des Bodens und der Vergiftung der Flüsse mit Quecksilber (das zur Goldabscheidung benutzt wird).

Mehr als 12% des ursprünglichen Regenwaldes wurden bereits zerstört infolge unfähiger Regierungspolitiker, ungeeigneter Modelle zur Bodennutzung, verbunden mit wirtschaftlichem Druck, der zu einer unorganisierten Besetzung führte und zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen – anstatt zu ihrer sustentablen Nutzung. Nach offiziellen Schätzungen wird Amazonien bis zum Jahr 2020 zirka 25% seiner nativen Walddecke verloren haben.

nach obenKuriositäten

  • Das Wasservolumen des Amazonas entspricht 20% des gesamten Wasservolumens aller Flüsse unseres Planeten.
  • Den grössten Süsswasserfisch der Welt findet man ebenfalls im Amazonas: Es handelt sich um den Pirarucu, der 2,5 Meter lang wird und bis zu 250 Kilogramm wiegen kann.
  • Annähernd 15% des Amazonas-Regenwaldes wurden bereits zerstört, und die Regierung schätzt, dass diese Statistik bis zum Jahr 2020 auf 25% steigen wird.
  • Der Jaú-Nationalpark, gegründet 1986, ist der drittgrösste Tropische Regenwaldpark der Welt, mit einer Fläche, die grösser ist als der brasilianische Bundesstaat Sergipe (22.720km2).
  • Die traditionellen Methoden der Edelholzextraktion führen zu einer grossen Verschwendung von anderen kommerziell durchaus nutzbaren Hölzern. Eine systematische Holznutzung verringert diesen Verlust um fast 50%.
  • Die Regenerierung des Waldes erfolgt wesentlich schneller auf Flächen der systematischen Holznutzung, welche nur vereinzelte alte Bäume ausliest und die anderen stehen lässt. Es gibt Beobachtungen, nach denen diese Art der Nutzung die Zeitspanne bis zu einer zweiten Extraktion um die Hälfte verkürzt.
  • Die Victória-Régia ist eins der Symbole Amazoniens. Einige der runden Blatt-Exemplare dieser Wasserpflanze, die sich auf der Wasseroberfläche befinden, erreichen einen Durchmesser von bis zu 2,5 Metern und können ein gut verteiltes Gewicht von bis zu 40kg tragen.
  • Das grösste Tier Amazoniens ist der Peixe-boi (Rundschwanzseekuh), der eine Länge von bis zu drei Metern erreichen kann und ein Gewicht von einer halben Tonne.
  • Die Anaconda (brasilianisch: Sucuri) erreicht eine Länge von bis zu 10 Metern. Anakonda-Riesenschlangen leben semiaquatisch, das heisst, sie sind zumeist in Sumpflandschaften oder Bach- und Flussläufen zu finden. In Brasilien sind kleinere Arten aus der gleichen Familie (Eunectes) über das ganze Land verbreitet, wo sie bis in Grossstadtnähe vorkommen können. Ihre Beute besteht aus Nagetieren, Vögeln, kleineren Schildkröten, Wasserschweinen sowie Kaimanen bis zu mittlerer Grösse.
  • Im Vergleich mit den anderen brasilianischen Öko-Systemen, besitzt Amazonien die meisten Naturschutzgebiete (26) und auch den grössten Teil offiziell geschützter Wälder (3,2% der Gesamtfläche des Ökosystems). Trotzdem werden lediglich 0,38% der heute in Amazonien existenten Parkflächen und Reserven tatsächlich zu einem Minimum geschützt – weil die anderen keinerlei Infrastruktur besitzen oder sich zu weit weg von menschlichen Siedlungen befinden.

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