Herkunft der Maniok-Pflanze

Zuletzt bearbeitet: 5. Oktober 2014

SAGEN UND LEGENDEN DER ÍNDIOS AUS BRASILIEN
Die schöne Häuptlingstochter eines Indianerstammes im Amazonas war schwanger. Als ihr Vater von diesem Umstand erfuhr, stimmte ihn das sehr traurig, denn sein grösster Wunsch, seine einzige Tochter als Frau eines starken und bewunderten Kriegers seines Stammes zu erleben, sollte sich nun nicht mehr erfüllen – stattdessen hatte sie einem Unbekannten den Vorzug gegeben – und, obwohl sie im Namen aller Götter beteuerte, dass sie noch nie mit einem Mann zusammen gewesen, konnte niemand ihren angeschwollenen Bauch übersehen.

Im Traum erschien dem Häuptling ein weisser Mann, der erklärte ihm, dass es keinen Grund zur Trauer gäbe, denn seine Tochter spräche die Wahrheit, kein Mann habe sie geschwängert, sondern die Frucht ihres Leibes sei von den Göttern. Der Vater war erleichtert, gewann seine Lebensfreude zurück und behandelte auch seine Tochter wieder voller Zuneigung.

Einige Monde gingen ins Land, und die junge Frau gebar ein kleines Mädchen, das hatte eine weisse, sehr empfindliche Haut – sie gab ihm den Namen Mandi. Das winzige, hellhäutige Kind zeigte sich intelligent, war stets vergnügt und wurde bald der erklärte Liebling des ganzen Stammes. Jedoch währte das so plötzlich entstandene Familienglück nur allzu kurz – an einem sonnigen Morgen fand die entsetzte Mutter ihr geliebtes Mädchen leblos in seiner Hängematte. Man rief den Medizinmann, aber auch der konnte nicht mehr helfen – Mandi war gestorben.

Unter Tränen und Wehklagen aller Stammesmitglieder wurde Mandis kleiner Körper innerhalb der Maloca (Indianer-Dorf), direkt neben der Hängematte seiner Mutter, begraben – das hatte sie so bestimmt. Täglich benetzten die sehnsüchtigen Tränen der jungen Mutter den kleinen Grabhügel, und eines Morgens bemerkte sie die zarten Spitzen einer Pflanze, die sich ihr wie kleine grüne Finger aus der Erde entgegenstreckten. Unter ihrer sorgsamen Pflege entwickelte sich aus den grünen Trieben schnell eine stattliche Pflanze, deren Namen oder Nutzen jedoch niemand im Dorf kannte – selbst der weise Medizinmann hatte nie ein ähnliches Gewächs gesehen.

sagen_maniokEines Tages bekam die Erde über den Wurzeln der Pflanze Risse. Mandis Mutter stellte sich sogleich vor, dass ihre geliebte kleine Tochter vielleicht ins Leben zurückkehren wolle und begann, in verzweifelter Hoffnung, mit ihren blossen Händen zu graben.

Anstelle ihres Kindes, fand sie armdicke, braune Wurzelstränge. Erst kostete der Medizinmann vorsichtig das milchig-weisse Wurzelfleisch und dann die ganze Dorfgemeinschaft. Und weil es ihnen schmeckte, steckten sie ein paar Triebe der unbekannten Pflanze in den Boden um ihr Dorf, die alle prächtig gediehen und dem Volk viele dicke, wohlschmeckende Wurzeln bescherten. Sie nannten die Pflanze, die zur Hauptnahrung aller Waldindianer wurde, Mandioca – „Mandis Haus“.

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