Pagode der 80-90er Jahre

Zuletzt bearbeitet: 19. Dezember 2012

In den 80-er Jahre sollte sich eine neue Modalität eines Samba-Ablegers durchsetzen: der Pagode. Nach einer Periode der Vergessenheit, in der die Radiosender von der Disco-Musik und dem brasilianischen Rock beherrscht wurden, festigte der Samba erneut seine Position auf dem phonographischen Markt während der 80er Jahre. Urbane Komponisten der neuen Generation probierten neue Kombinationen aus – wie der Paulista Itamar Assumpção, der den Rhythmus des Samba in Funk und Reggae in seiner Experimentierarbeit integrierte. Aber dann erschien der Samba plötzlich innerhalb einer ganz neuen Bewegung, die „Pagode“ genannt wurde. Mit einer Charakteristik des Choro und einer einfach zu lernenden Schrittfolge für die Tänzer, gibt es den „Pagode“ in zwei Tendenzen: Die erste lehnt sich eher an den „Partido-Alto“ an – man nennt sie auch „Pagode de Raíz“ (Wurzel), weil sie eine sonore Linie einhält, die stark von vergangenen Generationen geprägt wurde. Die andere Tendenz – sie ist inzwischen populärer – nennt man auch „Pagode romântico“ – und die erfuhr ab den 90er Jahren grosses kommerzielles Interesse.

Geboren gegen Ende der 70er, bei den üblichen „Rodas de Samba“ (Samba-Zusammenkünfte) veranstaltet von einer Sänger- und Komponistengruppe innerhalb des Clubgeländes des Karneval-Blocks „Cacique de Ramos“, war der Pagode ein renovierter Samba, der neue Instrumente einsetzte, welche jener Gruppe einen ganz eigenen Klang verlieh – wie zum Beispiel durch ein Banjo mit Cavaquinho-Arm (kreiert von Almir Guineto) und einem Tantã (kreiert von Sereno – siehe Musikinstrumente) – und mit einer populären Sprache.

Punktiert vom Banjo und dem Tantã war der Pagode die Antwort auf den Niedergang des Samba am Anfang der 80er Jahre, der seine Fans zwang, sich in Hinterhöfen zu treffen, um ihre neuen Kompositionen einer Reihe von Nachbarn zu Gehör zu bringen. Dieser Zweig des Samba, im Sinne des Partido-Alto, enthüllte zu Beginn Namen wie Almir Guineto, Jorge Aragão, Jovelina Pérola Negra und Zeca Pagodinho (eine der wenigen, der sich nach jener anfänglichen Welle halten konnte) – ausserdem die „Gruppe Fundo de Quintal„, durch die das Doppel Arlindo Cruz e Sombrinha bekannt wurde. Ebenfalls mit von der Partie war Bezerra da Silva, der seine so genannten „Sambandidos“ verbreiten konnte, Songs mit Enredos (Themen), die den Bürgerkrieg der vergangenen Gesellschaft dokumentierten.
Mitten in der Konsumeuphorie des „Plano Cruzado“ (Plan der Regierung zur Stabilisierung der Währung) bewiesen die „Pagodeiros“ ihr Talent als exzellente Plattenverkäufer – stets mehr als 100.000 Kopien pro Titel – und sie eroberten sich ihren Platz in den grossen Medien – um fortan nicht mehr aus Radio und TV zu verschwinden! Dieser „Pagode“, dessen Vermarktungs-Hochzeit exakt auf das Jahr 1986 fiel, hatte als Triebfeder die breite Exponierung und Revitalisierung des „Partido-Alto“, einer Modalität des Samba, die bis dato wenig populär war. Jene „Rodas de Samba“ im Hinterhof enthüllten oder bestätigten das Talent sehr guter Versemacher, Bewahrer der antiken Kunst, wie zum Beispiel das Doppel, welches den bekannten Zeca Pagodinho mit dem unbekannten Deni de Lima vereinte, dem Neffen von Osório Lima, dem legendären Komponisten des „Império Serrano“ (bekannte Samba-Schule).

Als exklusiv suburbane Belustigung wurden die Pagodes (sowohl das Fest mit seinen Fress- und Sauforgien, als auch der neue Musikstil) auch Mode in der Südzone von Rio und in verschiedenen anderen Orten Brasiliens. Nach und nach verringerte sich dann der anfängliche Enthusiasmus wegen dem konsequenten Rückgang finanziellen Potentials seines grössten Konsumpublikums – der niederen Einkommensklassen. Bald jedoch sollte eine neue Modalität jenes Samba-Ablegers sich als „Pagode“ durchsetzen – viel kommerzieller und weitab von den Wurzeln.

nach obenDie 90er Jahre

Gegen Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er füllte der Pagode grosse Salons. Die Phono-Industrie, schon vollkommen auf die Globalisierung des POP konzentriert, riss den Terminus „Pagode“ einfach an sich und taufte mit ihm eine völlig abwegige Form des innovativen Samba des vorhergehenden Jahrzehnts – sie vermasste ihn in absolut trügerischer Art und Weise. Diese Verdünnung des Samba ging hauptsächlich von der Stadt São Paulo aus, weshalb sie auch das Etikett „Pagode Paulista“ von Zynikern bekam. Seine prinzipiellen Verkünder waren die Musiker einer Gruppe, die, gemäss ihrer Aussage, „Samba-Rock“ spielen wollten, in Wirklichkeit aber nichts weiter als eine Variation des POP zu Gehör brachten. Und die grossen Plattenverlage kreierten einen neuen Typ Pagode, der von vielen „Romantischer Pagode“ betitelt wurde, andere nannten ihn „Kommerzieller Pagode“ oder einfach nur „Pagode“.

Als einer der distanziertesten Ableger des „Pagode de Raíz“ vom Ende der 70er Jahre, verwandelte sich dieser „Romantico“ in ein kommerzielles Phänomen, mit dem Auftritt von Dutzenden von Künstlern und Gruppen aus São Paulo, aus Minas und aus Rio – unter ihnen Art Popular, Exaltasamba, Harmonia do Samba, Irradia Samba e Kaô do Samba, Só Pra Contrariar, Os Travessos, und andere. Ihre Vermassung in den Radiosendern und TV-Kanälen half, die Einnahmen der Autorengebühren zu verbessern und verwies die Musik aus Nordamerika auf den zweiten Platz während jener Jahre – was in Brasilien noch nie zuvor passiert war!
Abgesehen davon distanzierte sich ein grosser Teil der Musikkritiker von dieser Art Pagode – sie stellten vor allem die Qualität dieser Musik infrage. Und die neue Marktposition dieses verdünnten Sambas führte zu Reaktionen, die besonders aus einem bestimmten Publikumssegment kamen, welches politisch engagierter war in dem Ableger wie der „Samba de Morro“ und der „Samba de Partido-alto“ eine bevorzugte Stellung innehaben.

1995 reorganisierte der Komponist Marquinhos de Oswaldo Cruz den „Pagode do Trem“ – und erwirkte, dass dieser Event in den touristischen Kalender der Stadt Rio de Janeiro aufgenommen wurde – präsentiert am Nationaltag des Samba, dem 2. Dezember. Der „Pagode no Trem“ wurde inspiriert von den organisierten Treffen des Paulo da Portela mit Sambistas aus Madureira und Osvaldo Cruz – Suburbs von Rio de Janeiro – während der 30er Jahre: Nach einem harten Arbeitstag fuhren diese Sambistas gegen Einbruch der Nacht per Eisenbahn (Trem) nach Osvaldo Cruz nach Hause und – organisierten Zusammenkünfte in einem der Waggons, um die Organisation des Karnevals zu diskutieren – stets untermalt mit viel Samba.

Auch in den 90er Jahren erschienen zwei Fusionen des Samba mit anderen musikalischen Richtungen. Die erste war der „Samba-Rap“, kreiert in den Favelas und Gefängnissen São Paulos und Rio de Janeiros. Die zweite war der „Samba-Reggae“, er entstand durch ein Manifest bahianischer, paulistanischer und cariocanischer Gruppen, die den traditionellen Pagode in einen „swingenden Samba“ verwandeln wollten.

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